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Zusammenarbeit des ADGB mit den Nazis
Nation oder Klasse?
Impressionen einer nationalen „Einheitsgewerkschaft“
Die
IG-Metall im Thüringischen Nordhausen duldete während des Kampfes der
ArbeiterInnen von „Bike Systems“ die nationalistisch intendierte „Heuschrecken“
– Propaganda, der Trennung von bösem „umherschweifendem“ ausländischem und gutem
deutschen Kapital. Während Mitglieder der FAU sehr erfolgreich internationale
Solidarität organisierten, drückte der DGB auch hier sein Bekenntnis zur Nation
demonstrativ aus.
Schenken wir den zahlreichen Büchern zur Geschichte der sog. „Freien
Gewerkschaften“ des „Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes“ (ADGB) glauben,
so sei das einmal ganz anders gewesen. Diese hätten sich erst in den letzten
Jahrzehnten zunehmend als klassenkämpferische Gewerkschaften verabschiedet.
Tatsächlich gerierten sich opportunistische Gewerkschaftsführer zur Zeit der
Weimarer Republik (1919-1933) bisweilen klassenkämpferisch und revolutionär. Wer
will da etwas anderes denken, als dass diese für die Befreiung der
Arbeiterklasse vom Joche des Kapitalismus eingetreten sind? Das gemeinsame
Aufmarschieren dieser sog. „freien Gewerkschaften“ mit den Nazis am 1. Mai 1933
wird für gewöhnlich als „aus der damaligen Situation“, aus der Not heraus
geboren angesehen. Sozialdemokratie und „freie Gewerkschaften“ hätten es stets
aus einer guten Absicht heraus getan und um zu retten, was noch zu retten war.
Darauf, dass es vielleicht ganz anders gewesen sein könnte, weist kaum ein
Beitrag hin. Dabei sind die nationalen und chauvinistischen historischen
Kontinuitätslinien in den Zentralgewerkschaften, gestützt von einer
sozialdemokratischen Politik nicht zu übersehen, wie ich im folgendem aufzeigen
möchte.
Nationale Bewährungsprobe
Wenn schon die Arbeiter um die Jahrhundertwende immer weniger an die Kirche
glauben wollten, sollte im Zuge dieses Säkularisierungsprozesses ein
Ersatzglaube mittels der Nation geschaffen werden, welcher die Arbeiterschaft
weiterhin von materiellen Klasseninteressen ablenken und in politisch-religiöse
Mystik führen sollte. Zwischenergebnis war das historische und nicht nur für
Psychologen und Soziologen sehr interessante sog. „Augusterlebnis“ zu
Kriegsbeginn 1914; die klassenübergreifende nationale Verblendung großer Teile
der Bevölkerung (sogar einiger Anarchisten), das enthusiastische in den Krieg
ziehen für eine „höhere“, „heilige“ Sache für „Gott und Vaterland“. Dabei konnte
sich der kriegführende Staat schon im 1. Weltkrieg sehr gut auf die
Gewerkschaften verlassen, dass diese die Arbeiterschaft ruhig stellte, ja sogar
in Massen für diesen Krieg begeisterte und tatkräftig mobilisierte. Während des
Krieges bekamen Gewerkschaftsfunktionäre dafür erstaunliche Freiheiten und
Begünstigungen. Die sozialdemokratischen Blätter durften im Gegensatz zu
antimilitaristischen Schriften weiter erscheinen. Die Gefängnisse füllten sich
mit antimilitaristischen Schutzhäftlingen, und die Gewerkschaften stimmten 1916
dem „Gesetz über den vaterländischen Hilfsdienst“ zu, welches für die
Kriegsproduktion die Zufuhr männlicher Arbeitskräfte im Alter von 17 bis 65
Jahren garantierte – auch zwangsweise, unter gewerkschaftlicher Mitbestimmung!
Im Gegenzug wurden Gewerkschaften in Verhandlungen gegenüber dem Unternehmertum
erstmals staatlich anerkannt.
Sozialpartnerschaft
Weil die Zusammenarbeit zwischen den Vertretern beider Klassen so hervorragend
funktionierte, einigten sich gleich nach Kriegsende am 16. November 1918 Carl
Legien für die Zentralgewerkschaften und Hugo Stinnes für die Industrie auf ein
Modell der Sozialpartnerschaft. Die Gewerkschaftsführung verzichtete damit auf
eine mögliche umfassende Sozialisierung der Produktionsmittel, baute stattdessen
ihre bürokratische Position aus, denn die Gewerkschaften waren tariffähig und
integraler Bestandteil der Republik von Weimar. Als Bonbon zu diesem sog. „Stinnes-Legien-Abkommen“
wurde der Arbeiterschaft der Acht-Stunden-Tag zugestanden. Damit kehrte jedoch
keinesfalls Ruhe ein. Stattdessen hatte die Arbeiterschaft in den folgenden
Jahren wieder gegen die Heraufsetzung der Arbeitszeit anzukämpfen. Im Jahre 1923
wurde zur Sicherung des Tariffriedens mittels eines Ermächtigungsgesetzes eine
Schlichtungsordnung erlassen, welche bei Tarifkonflikten von
„gesamtwirtschaftlicher Bedeutung“ im äußersten Falle staatliche
Zwangsschlichtung vorsah. Das Pendant auf politischer Ebene manifestierte sich
am 10. November mit dem sog. „Ebert-Groener-Pakt“, einer Übereinkunft zwischen
SPD in Person Friedrich Eberts und dem bisherigen Oberbefehlshaber der obersten
Heeresleitung, Wilhelm Groener. Zunächst einmal sollte die Sozialdemokratie
dafür sorgen, in den 1918 entstandenen Arbeiterräten größtmögliche Dominanz
auszuüben, um diese dann ohne große Widerstände auflösen zu können. Sollte sich
die Arbeiterschaft jedoch nicht in das System der Sozialpartnerschaft einfügen
und andere Wege gehen wollen, so sicherte die Reichswehr der Sozialdemokratie
ihre Hilfe bei der Bekämpfung von abweichenden sozialistischen Modellen zu. In
den folgenden Monaten und Jahren sollte die SPD davon auch reichlich Gebrauch
machen und ließ 1919 die ausgerufenen Räterepubliken in Bremen und in Oberbayern
militärisch niederschlagen. Dabei ging es gezielt darum, die neue Macht deutlich
zu demonstrieren und die revolutionäre Arbeiterschaft, nachhaltig zu demütigen.
Weitere Arbeiteraufstände wurden niedergeschossen, beispielsweise im „Ruhrkampf“
von 1920. Die Sozialdemokratie regierte wie einst Bismarck mit „Eisen und Blut“
und führte dessen Sozialpolitik von Zuckerbrot und Peitsche fort. In diesem
militärischen Windschatten regierten die Zentralgewerkschaften wie Fürsten über
ihre Anhängerschaft und überließen die sozialrevolutionäre Konkurrenz ihrem
Schicksal. Das nationale Bündnis zwischen Kapitalisten/Militär und
sozialdemokratischen Gewerkschaften gegen die Arbeiterklasse war damit für die
Weimarer Periode bis Mai 1933 zementiert. Die Arbeiterparteien einschließlich
der KPD spielten dieses Spiel mit und riefen ihre Mitglieder auf, sich
zentralgewerkschaftlich zu organisieren.
Kampf gegen Klassengenossen
Andere Gewerkschaften wurden nicht nur militärisch und polizeilich bekämpft.
Ihnen wurden staatlicherseits einfach keine gewerkschaftliche Rechte zugestanden
– oft auf Druck der „freien Gewerkschaften“. Doch lässt sich der
„Zentralverbandsterror“ bis in die einzelnen Betriebe verfolgen. Syndikalisten
der „Freien Arbeiter-Union Deutschlands“ (FAUD) beispielsweise wurden von
kleinen Gewerkschaftsbeamten und „Kollegen“ dazu gedrängt, den „freien
Gewerkschaften“ beizutreten. Geschah dies nicht, wurde der Druck über
verschiedene Maßnahmen erhöht. Von einer „freigewerkschaftlich“ besetzten
Streikleitung beispielsweise wurde ein FAUD- Mitgliedsbuch eingezogen und
behalten. Aber auch im Arbeitsalltag drängten die „Kollegen“ den Unternehmer,
Syndikalisten zu entlassen. Um die Entlassung zu erzwingen, traten sie, ist kein
Witz, sogar in den Streik! Oder ein sozialdemokratischer Betriebsrat outete
einen Syndikalisten schon vor Vertragsabschluß beim Unternehmen, so dass die
Firmenleitung ihn nicht einstellte. Derweil schuf der Sozialdemokrat Gustav
Noske auf Reichsebene seit 1919 eine „Technische Nothilfe“, Vorläuferin des
heutigen „THW“, welche in Schlüsselbetrieben als Streikbrecherorganisation tätig
werden sollte. Und sein Parteigenosse Friedrich Ebert führte im August 1922
symbolträchtig die alte Nationalhymne („Deutschland, Deutschland, über alles…“)
wieder ein. Die viel gerühmten „mächtigsten Gewerkschaften der Welt“ des ADGB
riefen 1930/32 weder gegen die softfaschistischen Regierungen Brünings und
Papens, noch gegen die Machtübernahme der Nazis zum Generalstreik auf.
Logische Folge: 1933
Angesichts der chauvinistischen Geschichte dieser „freien Gewerkschaften“ ist
die gemeinsame Demonstration von Nazis und ADGB am 1. Mai 1933 nicht
verwunderlich, sondern folgerichtig. Hierzu zwei Zitate. Das erste stammt vom
Sozialdemokraten und regionalen „Gauleiter“ des „Deutschen
Metallarbeiterverbandes“ in Stuttgart, Karl Vorhölzer, aus den Augusttagen 1914:
„Wenn irgend jemand den deutschen Fahnen einen durchschlagenden Erfolg über
seine Feinde wünscht, so sind das wir, denn wir wissen, dass es jetzt gilt, um
unser Vaterland, und das niederträchtige Russland und das sich gemein
prostituierende Frankreich niedergehauen gehören, dass ihnen für immer die Lust
und Möglichkeit vergeht, mit dem deutschen Aar anzubinden (…) grüßt uns unsere
Mitglieder, und wir fordern von ihnen treue Pflichterfüllung bis zum Äußersten
(…) und dann feste druff!“ Das zweite Zitat ist aus der „Gewerkschafts-Zeitung –
Organ des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes“ vom 29. April 1933
entnommen und lautet bezüglich 1. Mai: „2. Vom internationalen Feiertag zum
nationalen Feiertag. Wir glauben gezeigt zu haben, dass die Erhebung des
proletarischen Arbeiterfeiertages zum Feiertag der Nation keine Niederlage,
sondern einen Sieg des proletarischen Maigedankens bedeutet (…) Darüber hinaus
vollbrachten die Gewerkschaften ein nationales Erziehungswerk an der deutschen
Arbeiterschaft, das so sehr aus deutscher Tradition herauswächst, dass es bisher
weder in der Prägung noch im Ausmaß in keinem anderen Lande der Welt
seinesgleichen gefunden hat. Gerade die eigenwüchsige Struktur der deutschen
Gewerkschaftsbewegung ist ein beredtes Zeugnis dafür, dass ein antinationaler
Internationalismus in der Masse der deutschen Arbeiterschaft niemals Boden
fassen konnte. (…) Jedenfalls sollte es die Arbeiterschaft nicht als eine
Sinnentleerung, sondern als eine Sinnerfüllung des alten Maigedankens
betrachten, wenn am 1. Mai dieses Jahres an die Stelle des traditionellen
Bekenntnisses zur internationalen Solidarität der Arbeiterklasse das
Solidaritätsbekenntnis der Nation zu ihrem Arbeiter tritt.“ Zwischen Nation und
Klasse entscheidet sich der (A)DGB jederzeit mit einem für ihn typischen „Kompromiß“:
Klasse Nation!
H. (FAU-Bremen)
Aus Direkte Aktion Nr. 185 (Januar/Februar
2008)
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