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Fundierter - Stabiler - Barrikade Nr. 2!

Das bringt die neue „Barrikade“, die „Streitschrift für Anarchosyndikalismus, Unionismus und revolutionären Syndikalismus“ aus Hamburg in ihrer Ausgabe vom November 2009:

Was ist konkret machbar auf dem ökonomischen Sektor? Wie kann ein Umwandlungsprozeß der Wirtschaft durch die anarcho-syndikalistischen Gewerkschaften vor sich gehen. Zur Beantwortung dieser Fragen gibt es in Spanien das „Institut für Wirtschafts- und Selbstverwaltungswissenschaften“, welches eng mit den anarcho-syndikalistischen Gewerkschaften des Landes zusammenarbeitet, um Strategien eines selbstverwalteten Transformationsprozesses zu entwickeln. In der „Barrikade“ werden mit einem ausführlichen Interview diese Ideen vorgestellt. Sehr lesenswert! Mehr findet sich auf: http://www.iceautogestion.org

Passend zum November findet sich ein Überblick über die Jahrestage am 09. November von 1848 bis 1989. Tiefer gehend ist die zentrale Auseinandersetzung um Gemeinsamkeiten und Gegensätze zwischen Unionismus und Syndikalismus. Hierzu werden anhand von Originaldokumenten sehr treffend und in exquisiter Auswahl zentrale Texte beider Richtungen der freiheitlich-emanzipatorischen Arbeiterbewegung nebst damaliger Polizeieinschätzung dargelegt. Dies ist ein sehr wichtiger und bisher kaum geleisteter Beitrag zur Ausdifferenzierung dieser allgemeinen radikaleren Bewegung für die ersten Jahre nach 1918. Ausführlich, aber nicht langatmig angelegt, kann sich der Betrachter hier eine Meinung bilden und gut abwägen: In diesem sehr pluralistischen Beitrag zur gewerkschaftspolitischen Bildung mit Originalbeiträgen u.a. von Carl Haffner, Karl Roche, Rudolf Rocker, der „Kommunistischen Arbeiterzeitung“ (KAZ), der „Roten Fahne“, dem „Kampfruf“ und der Politischen Polizei!

In einem weiteren Kapitel bleibt die Redaktion der „Barrikade“ ebenso beim Thema und stellt mit Paul Mattick die Unterschiede zwischen AAU (Unionisten) und der Industrial Workers of the World (IWW) heraus. Dies ist eine ebenso wertvolle Ergänzung, um die verschiedenen Strömungen der außerparlamentarischen Arbeiterbewegung auseinanderhalten zu können. Schließlich gibt es viele namhafte Forscher mitsamt ihrem Schwarm von (akademischen) Abschreibern, welche diese durcheinander würfeln oder schlicht in eins setzen.

Wer besetzt welche historischen Themen? Wenn sich die Geschichte der freiheitlich-emanzipatorischen Arbeiterbewegung seitens der kapitalfreundlichen Historikerklasse nicht verschweigen lässt, wird sie von ihnen selber geschrieben, um die gesellschaftliche Deutungshoheit zu erlangen. Pech hatten sie in den 1960/70 bis 80er Jahren, als überall engagierte Lokalforscher sich aufmachten, die Geschichte aus einem eher undogmatischen Blickwinkel und sehr offen anzugehen. So gibt es in vielen Orten in Geschichtswerkstatt oder Museum oder in der Lehrerschaft noch jene freundlichen (teils bärtigen), der Pensionierung nahekommenden Autoren, die wertvolle Beiträge verfasst haben, oftmals sogar Standardliteratur, in Bremen beispielsweise Peter Kuckuk, welcher zur Bremer Räterepublik schrieb. In Hamburg hat es dies für die Aufarbeitung der revolutionären Zeit um 1918/19 nicht gegeben. Und so machte sich nun einer derjenigen Forscher ans Werk, den man wohl in der grauen Historikerzunft der 1950er Jahre verortet hätte, Dr. Joachim Paschen, welcher in der größten Hansestadt Lehramtsprüfungen abnimmt. Dieser veröffentlichte jüngst das Buch „Frieden, Freiheit, Brot!“, wo er auf 240 Seiten so allerhand Kritikwürdiges vom Stapel lässt, begründet auf reaktionär-politischer Triebfeder und zudem unlauter recherchiert. So legen es jedenfalls die Autoren in der „Barrikade“ fundiert dar. Auch interessant außerhalb Hamburgs und abseits des konkreten Themas, wird hier der Blick geöffnet für Methoden und Funktionen von herrschender Geschichtsschreibung im politischen Kontext überhaupt. Doktorentitelträgern und vermeintlichen Lichtgestalten der Forschung wird hier von unten der Kampf angesagt, ein gutes Beispiel von Selbstorganisation im Wissenschaftsbereich!

Rezensionen gibt’s zu Ralf Hoffrogges Buch „Richard Müller. Der Mann hinter der Novemberrevolution“, einem der bedeutendsten Figuren der Revolution von 1918/19 und zur neuen Broschüre von Gabriel Kuhn „Mit geballter Faust in der Tasche“ zur politischen Bewegung in Schweden, mit Schwerpunkt darauf, inwieweit diese mittelschichtsdominiert ist. Seite 2 der „Barrikade“ und Rückseite sind zudem ein Augenschmaus für Büchertischliebhaber.

Dieser zweiten Ausgabe aus dem „Archiv Karl Roche“ (Hamburg) ist der Redaktionszuwachs deutlich und bereichernd anzumerken. Mit Jonnie Schlichting ist ein weiterer erfahrener Aktiver mit viel Fachkenntnis und beharrlichem Wirken dazugestoßen.

Die „Barrikade“ nährt sich zudem kaum noch von jener Polemik, welche noch der ersten Ausgabe ihr besonderes Gepräge gab und für Laien kaum verständlich war. Diese Ausgabe legt ihre Inhalte fundiert und reichhaltig dar, wägt ab und stellt zur Diskussion. Sie bezieht dennoch klar Position und zeigt weiterhin ihren unverwechselbaren Charakter. Viele Seiten tragen deutlichen und angenehmen Lehrcharakter und sind für die Weiterbildung eines anarcho-syndikalistischen Geistes unerlässlich, auch für bisher wenig bewanderte Interessierte in diesen Themen oder für den einen oder anderen Lesekreis.

H.D. für www.syndikalismusforschung.info, November 2009

Barrikade zwo - November 2009 - Inhalt:

Bezug über Syndikat-A, Moers -- www.syndikat-a.de ; syndikat-a[at]fau.org
36 Seiten A 4 -- empf. VK-Preis: 3,- €uro
Der 9. November -- ein deutsches Datum
Interview mit dem ICEA -- Spanien -- Institut Wirtschaftswissenschaften und Selbstverwaltung (CNT-AIT nahe)
Schwerpunkt:
Die unüberbrückbare Kluft - »Lakaien der Konterrevolution«
Die ideologische Auseinandersetzung zwischen der FAUD und der AAUD 1921
Artikel aus dem Syndikalist und dem Kampfruf, Berichte der Politischen Polizei
Die IWW und die Allgemeine Arbeiter-Union -- Eine notwendige Klarstellung -- Paul Mattick (1928)
Eine Auseinandersetzung zwischen IWW und AAU
Der Konterrevolutionär StD. Dr. Joachim Paschen - »Frieden, Freiheit, Brot!«
Eine politisch-historische Auseinanderswrtung mit dem Historiker um sein rechtsextremen Positionen huldigendem Buch zur Hamburger Revolution 1918/19
Rezensionen:
Richard Müller -- Der Mann hinter der Novemberrevolution
Mit geballter Faust in der Tasche -- Eine schwedische Klassenreise, die Auseinandersetzung zwischen Arbeiterklasse-Aktivist/innen und der Mumin-Linken

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