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Direkte Aktion Nr.144
Klasse gegen Klasse
Worum geht es?
In der da 143 setzen sich zwei Leserbriefe mit einem Bericht über die
Veranstaltung einer national-stalinistischen Gruppe (»Patriotismus im FDJ-Hemd«,
da 142) kritisch auseinander. Bevor wir auf beide Leserbriefe eingehen, möchten
wir darauf hinweisen, daß die da-Redaktion einen Teil des Berichtes nicht
abgedruckt hat. Die ungekürzte Version des Artikels wurde hingegen in der
Zeitung »Weltrevolution« (Nr. 103) der Internationalen Kommunistischen Strömung
veröffentlicht (Adresse: Pf. 410308, 50863 Köln).
Beide Kritiker (jhr und Louis Lerouge) vertreten Auffassungen, die sowohl in der
direkten aktion, als auch in Medien der sonstigen Linken und in weiten Teilen
der »aufgeklärten« Bourgeoisie zum guten und korrekten Ton gehören. Dies hat uns
bewogen, sich eingehender mit den Themen Antisemitismus, Volksgemeinschaft,
Kollektivschuld, Faschismus, Antifaschismus, Kapital und Proletariat zu
befassen.
Die - trotz der guten Absicht - letztlich »völkische« und bürgerliche
Perspektive beider Leserbriefe ist gerade das, wogegen sich der
Veranstaltungsbericht richtete. Als »völkisch« bezeichnen wir Positionen, die
sich positiv (»die Guten«) oder negativ (»die Bösen«, »die Schurken«) auf
irgendwelche Völker beziehen, anstatt auf die beiden entscheidenden Klassen des
kapitalistischen Weltsystems: das Kapital und das Proletariat. Eine völkische
Perspektive ist naturgemäß eine andere, als eine klassenbezogene. Wir sind der
Ansicht, daß sich die FAU-IAA, mit Klassenpositionen identifizieren und
bürgerliche Interpretationsmuster der Geschichte zurückweisen sollte. Unserer
Artikel soll einen Beitrag dazu liefern.
Beide Leserbriefe finden folgende Passage des Berichtes besonders empörend: Der
Verfasser des Veranstaltungsberichtes (JS) erklärte gegenüber den
National-Stalinisten, »daß bereits die ethnische Säuberung Polens von
'Deutschen' nach Ende des Zweiten Weltkrieges, aus proletarischer Perspektive
betrachtet, ein Verbrechen war. Die Vertreibung von Millionen Arbeitern
'deutscher Nationalität' kann unter keinen Umständen mit den barbarischen
Verbrechen des (deutschen) Kapitals in Polen während des Krieges und der
Besatzungszeit gerechtfertigt werden«.
Die Kritiker dieser proletarischen Position orientieren sich vor allem an
folgenden Eckpunkten: Kollektivschuld, Bestrafungsmanie, Verherrlichung von
Verbrechen der demokratischen und stalinistischen Armeen, Identifikation des
(deutschen) Proletariats mit der (deutschen) Bourgeoisie in Form einer
»Volksgemeinschaft«, Antisemitismus-Vorwurf, als trauriger Versuch, die
bürgerliche Ideologie gegen sozialrevolutionäre Kritik zu immunisieren. Daß
wesentliche Teile der Bourgeoisie und der Linken dabei mehr oder weniger
übereinstimmen, macht das Ausmaß des Problems deutlich.
Anstatt soziale Widersprüche und Konflikte aus der Perspektive der Sozialen
Revolution zu analysieren, erfolgt hier ein Rückgriff auf jene bürgerliche
Propaganda, die gerade davon lebt, die Existenz unserer Klasse in Frage zu
stellen und den Klassenkampf zu leugnen.
Antisemitismus
Besonders typisch für das Milieu, in dem diese Art der Kritik populär ist, ist
der Vorwurf des »Antisemitismus«. Der Satz »Die Vertreibung von Millionen
Arbeitern 'deutscher Nationalität' kann unter keinen Umständen mit den
barbarischen Verbrechen des (deutschen) Kapitals in Polen während des Krieges
und der Besatzungszeit gerechtfertigt werden« muß dafür herhalten.
Internationalistische Kritik an den Wirkungen kapitalistischer Politik wird als
»antisemitisch« denunziert.
Der Begriff »(deutsches) Kapital« sei durch »die Klammerung latent
antisemitisch«, meint jhf, da diese Formulierung ihn »nicht zufällig an das
'internationale Finanzjudentum' der Nazi-Propaganda« erinnere. Gleichzeitig
wendet er sich aber dagegen, von einem »abstrakten Kapital« zu reden. Es ist
doch jhf, der es gern weniger abstrakt, sondern lieber konkreter, »völkischer«,
und vor allem »deutscher« haben möchte (zu diesem Thema später mehr).
Aber wenn wir schon über den Antisemitismus reden, dann sollte doch klar sein,
daß die Nationalsozialisten mit ihrer antijüdischen Hetze deshalb so erfolgreich
waren, auch unter ArbeiterInnen, weil es ihnen gelang, das tatsächlich
vorhandene und wirkende (abstrakte) Kapital scheinbar im »Juden«, insbesondere
im »Finanzjuden«, d.h. einer Gruppe konkreter Menschen, zu verkörpern. Der
Unterschied zwischen der erfolgreichen Verschleierung der kapitalistischen
Wirklichkeit durch die Nationalsozialisten und der völkischen Mystifikation des
abstrakten Kapitals durch Kritiker wie jhf, ist, daß die einen das Böse im
»Juden«, die anderen es dagegen im »Deutschen« konkretisiert und verkörpert
sehen.
Die Volksgemeinschaft und die Anständigen
Reichskanzler Adolf Hitler sei der wahre Repräsentant des »deutschen Volkes«
gewesen und er übte seine Regierungsgewalt zurecht im Namen und mit voller
Unterstützung »der Deutschen« aus. Die »Volksgemeinschaft« sei keine Erfindung
der Nazis, sondern eine Tatsache, meinen beide Kritiker. Im Gegensatz zu ihnen
wissen wir zwar nicht genau wer, oder was »das deutsche Volk« ist oder »die
Deutschen« sind (»die Polen« sind uns auch noch nicht begegnet). Und im
Widerspruch zu beiden, sehen wir im Begriff »deutsches Volk« eine zwar sehr
mächtige, wirksame und insbesondere für das (globale) Proletariat
verhängnisvolle Kraft, aber vor allem eines: Eine ideologische Mystifikation im
Kampf gegen das (globale) Proletariat. Für Revolutionäre kommt es darauf an, zu
entschleiern und nicht, sich an einer fortgesetzten Verschleierung der
kapitalistischen Realität zu beteiligen. Während also beide sogar an die
nationalsozialistische »Volksgemeinschaft« glauben, glauben Internationalisten
noch nicht einmal an die von den demokratischen Politikern ausgerufene
Gemeinschaft »der Anständigen«.
Die völkische Mär von der Kollektivschuld
Die Überschrift eines Leserbriefes lautet »Deutsche TäterInnen sind keine
Opfer«. Von der allzumenschlichen Erfahrung einmal abgesehen, daß aus »TäterInnen«
binnen kürzester Zeit und sozusagen umständehalber »Opfer« und aus »Opfern« »TäterInnen«
werden können, zieht sich durch den ganzen Artikel ein überzogener Wunsch nach
kollektiver Bestrafung. Theoretische Grundlage für die Begründung einer
ausgiebigen Bestrafung »der Deutschen«, ist die völkische These einer
»Kollektivschuld des deutschen Volkes«.
Diese ahistorische, völkische und bürgerliche Vorstellung geht davon aus, daß
»die Deutschen«, für den Zweiten Weltkrieg und die Vernichtung eines großen
Teils der europäischen Juden verantwortlich sind und daher »kollektiv« bestraft
werden mußten. Begriffe wie »die Deutschen«, »die Juden«, »die Franzosen« usw.
sind aufgrund bestimmter Interessen geschaffene Konstrukte. Sie sind daher für
eine proletarische Kritik des Kapitals und seiner Politikergebnisse absolut
ungeeignet.
Der von jhf und Louis Lerouge vorgetragene Standpunkt zur »Kollektivschuld«
weist die größtmögliche Distanz zu sozialrevolutionären Positionen gegen
Faschismus und Demokratie auf. Das Tragische daran ist, daß viele GenossInnen,
einerseits unter dem schreckenerregenden Eindruck der »deutschen
nationalsozialistischen » Politik, der unbezweifelbaren Teilnahme eines Teiles
des Proletariats und eines nicht gerade kleinen Teiles des sogenannten
»deutschen Volkes« an dieser Politik und andererseits aufgrund der
jahrzehntelangen Wirkung bürgerlicher Ideologie, der relativen Abwesenheit
proletarischer Kämpfe, der systematisch geschürten Unkenntnis über revolutionäre
Traditionen des weltweiten Proletariats sozusagen nicht anders können, als so zu
denken. Und es ist durchaus verständlich, daß es ihnen, wie Louis Lerouge,
buchstäblich »schlecht wird«, wenn sie mit tatsächlich sozialrevolutionären
Positionen konfrontiert werden, mit denen sie zunächst nichts anfangen können,
weil sie die Gedankenwelt der Antifa-Szene sprengen.
Der Faschismus
Der Faschismus und der Nationalsozialismus (wie auch der Stalinismus, die
Sozialdemokratie und die Demokratie) waren bzw. sind historische Konstrukte, die
dazu dienen sollten, die Stellung bestimmter Elemente des Kapitals im Weltsystem
zu stärken. Und natürlich ist die jeweilige Form bürgerlicher Herrschaft vom
Bewußtseinsstand des Proletariats und dem Entwicklungsgrad des Klassenkampfes
abhängig. Ist die Klasse in der Lage, ihre ökonomischen Interessen
durchzusetzen, ist sie sogar im Stande, das Kapital bzw. die Lohnarbeit frontal
anzugreifen, oder erleidet sie eine Niederlage nach der anderen, ist sie
zerschlagen und demoralisiert? Das sind die entscheidenden Fragen.
Die verheerende historische Niederlage der weltweiten Arbeiterklasse, vor allem
in Deutschland, aber auch in Groß-Britanien, Rußland und China, in den 20er
Jahren des vorigen Jahrhunderts, war die eigentliche Ursache der Entstehung von
Faschismus, Nationalsozialismus und Stalinismus und des Fortbestandes der
Demokratie.
Der Faschismus war also nicht das Ergebnis »italienischer Männerfantasien«,
ebensowenig wie der Nationalsozialismus durch »deutsche Untertanen- und
Herrenmenschen-Mentalitäten« oder der »multinationale« Stalinismus aus einer
psychischen Disposition zur »asiatischen Despotie« entstanden sind. All das mag
eine Nebenrolle gespielt haben. Die eigentliche Ursache für diese
Manifestationen kapitalistischer Herrschaft war die nachhaltige Niederlage des
globalen Proletariats, war die globale Konterrevolution. Die Niederlage des
Proletariats öffnete den Damm und eine ganze Welt wurde von Barbarei (bzw.
kapitalistischer Zivilisation) überflutet. Die Teilnahme an diesem großen
Schlachten - als Handlanger, Täter und Opfer - war der ungeheure Preis, den das
Proletariat (und selbstverständlich nicht nur das Proletariat) für diese
historische Niederlage zahlen mußte. Daß gerade die erbitterten Gegner der
Sozialen Revolution auch zu den Verfechtern des Antifaschismus gehören, ist
sicherlich kein Zufall.
Die Konsequenzen der Niederlage unserer Klasse und die Resultate der
Auseinandersetzungen innerhalb der globalen Klasse des Kapitals, die
repräsentiert wurde durch den Stalinismus und die Demokratie auf der einen Seite
und den Faschismus, Nationalsozialismus und die »japanische« Monarchie auf der
anderen Seite, in den 30er und 40er Jahren, sind bekannt.
In einem bis dahin beispiellosen Ausmaß wurden - von allen Seiten planmäßig und
zum Teil mit den fortgeschrittensten wissenschaftlichen und technologischen
Methoden und Mitteln - menschliche Leben vernichtet. Weit mehr als 50 Millionen
Menschen, Soldaten wie Zivilisten, wurden im Interesse dieser oder jener Seite
des Kapitals getötet. Dazu kommen noch jene Millionen Opfer, welche die
stalinistische Variante des Kapitals zum Gesamtergebnis beisteuerte. Und dann
die Toten der vielfältigen und zahlreichen demokratischen Kriege der
»Nachkriegszeit«. Die »französische« Demokratie, die »Große Nation«, feierte
bereits am 8. Mai 1945 ihren Sieg gegen die »deutsche« Diktatur mit einem
standesgemäß großen Blutbad unter der Bevölkerung der algerischen Stadt Sétif.
Auschwitz als Alibi
Die Todesopfer unter der jüdischen Bevölkerung Europas machen etwa 10 Prozent
der Gesamtzahl der Toten aus. Indem sich die demokratische Propaganda verlogen
vor allem auf die ermordeten »Juden« bezieht und das Grauen, das diesen Menschen
zugefügt wurde in den Vordergrund schiebt, versucht sie das gesamte Ausmaß der
planmäßigen Destruktion und des industriellen Mordens zu relativieren.
Alles das an Verbrechen, was zu Recht mit dem Begriff »Auschwitz« zusammengefaßt
wird, wurde vor allem nachträglich als das große Alibi der stalinistischen und
demokratischen Staaten für das globale Blutbad genutzt, in der das Proletariat
aller Kontinente hineingezogen wurde. »Auschwitz« war kein durch »die Deutschen«
begangener Zivilisationsbruch, wie es die Bourgeoisie nicht müde wird zu
behaupten, sondern Ausdruck kapitalistischer Zivilisation. Es macht deshalb auch
keinen Unterschied von (kapitalistischer) Barbarei oder Zivilisation zu
sprechen. Umso deutlicher wird die Alternative: Kommunismus oder Barbarei!
Das »abstrakte Kapital« mordet nicht und wird nicht ermordet
Beide Leserbriefe haben recht, wenn sie darauf hinweisen, daß in Polen nicht ein
abstraktes Kapital mordete, sondern daß es »deutsche« Soldaten waren. Im
kritisierten Veranstaltungsbericht steht aber an keiner Stelle, daß ein
»abstraktes Kapital« irgendwelche oder bestimmte Menschen zusammentrieb, in
Scheunen sperrte und diese dann anzündete, sie in Auschwitzer »Duschräume«
sperrte und diese dann mit Gas füllte. Es wurde auch nicht behauptet, daß
Flugzeuge, die ihre Phosphorbomben auf das mit Flüchtlingen vollgestopfte
Dresden abwarfen oder eine High-Tech-Atombombe über Hiroshima plazierten vom
»abstrakten Kapital« gelenkt wurden. Selbst in den feuernden oder brennenden
Panzern oder zusammengekauert in den Schützengräben saß - bekanntlich - nicht
gerade das »abstrakte Kapital«. Weder wurde ein einzelner Gewehrlauf, noch die
Atombombe vom »abstrakten Kapital« produziert.
Nein, in den Waffenfabriken waren Lohn- oder ZwangsarbeiterInnen damit
beschäftigt, jene Waffen zu schmieden, die gegen ihre Klassenbrüder und
-schwestern gerichtet wurden. ArbeiterInnen bedienten alle Waffensysteme und es
waren auch ArbeiterInnen, die jedes mögliche - aus einer moralischen Perspektive
gesehen - Verbrechen mit Grauen, Gleichgültigkeit oder Eifer begingen. Das war
eben die Konsequenz der großen Niederlage des globalen Proletariats in den 20er
Jahren des 20. Jahrhundert. Wer hat davon gesprochen, das ArbeiterInnen »gut«,
KapitalistInnen« dagegen »böse« sind?
Solche moralischen Kategorien sind ein Einfallstor für die unter dem globalen
Proletariat nicht gerade selten anzutreffende Verirrung, daß zwar ein bestimmter
Kapitalist ein übler Ausbeuter ist, der Kapitalismus hingegen erträglich sei.
Oder, daß eine bestimmte Art des Kapitalismus einer anderen vorzuziehen ist.
Das »deutsche« Kapital der »Antinationalen«
Das »deutsche Kapital« ist in diesem Milieu nicht nur Träger aller nur möglichen
singulär-negativen Attribute, sondern - und das ist das Besondere - es wird
umstandslos mit dem »Volk«, der »Volksgemeinschaft« und sogar mit dem
Proletariat identifiziert. Diese »Antinationalen« unterscheiden sich von den
Nationalsozialisten insofern nicht, als beide von der realen Existenz einer
»deutschen Volksgemeinschaft« ausgehen, beide reden nicht von Klassen, sondern
von »Volk«, nicht von Klassenkampf, sondern von »Gemeinschaft« und beide haben
sich ein »Volk« als Träger des Bösen ausgesucht: Die einen halten es mit »den
Deutschen«, die anderen mit »den Juden«.
Um jeder für das globale Proletariat verhängnisvollen Personifizierung oder
»Nationalisierung« des Kapitals zu entgehen und um zu betonen, daß sich der
Verwertungsprozeß des Kapitals, das kapitalistische Wertgesetz, die
kapitalistische Konkurrenz (die letztlich zum Krieg tendiert) usw. unabhängig
von den guten oder schlechten Absichten einzelner Kapitalisten und unabhängig
von einer »völkischen« Zuordnung bestimmter Kapitalisten durchsetzt, ist es für
das Proletariat wichtig, »abstrakt« vom Kapital und nicht von individuellen
Kapitalisten zu sprechen. Die Erfahrungen des globalen Proletariats, das es in
seinem alltäglichen Leben macht, sind natürlich »konkret«.
Der Antifaschismus
Der offizielle wie auch der »autonome« Antifaschismus ist eine Ideologie und
eine Praxis, die sich letztlich ebenso gegen das Proletariat richtet, wie der
Faschismus selbst. Die Antifaschisten und die Faschisten differenzieren dort, wo
es für das Proletariat grundsätzlich nichts zu unterscheiden gibt. Die eine,
unteilbare und globale Klasse des Kapitals (»global« nicht im Sinne eines
Gegensatzes zu »lokal«, »national«, sondern im Sinne von »global herrschend«)
wird in »gute« und »böse« Teile zergliedert. Gibt es Interessenunterschiede
zwischen einzelnen Kapitalfraktionen, dann haben die Antifaschisten nichts
besseres zu tun, als sich sofort einzumischen und sich selbstverständlich für
die »gute oder bessere Seite« des Kapitals zu entscheiden. Übrigens waren »die
Guten« bisher auch immer »die Siegreichen«. Und »die Sieger« setzten auch immer
ihre Interpretation der Geschichte, als gesellschaftlich verbindliche Sichtweise
durch.
Bekanntlich forderten die Antifaschisten vom Proletariat nichts weniger, als im
Zweiten Weltkrieg auf einer bestimmten Seite des Kapitals zu kämpfen, zu morden
und zu sterben, wie ja auch in »Friedenszeiten« die Sozialdemokraten,
Stalinisten und Liberalen, also die klassischen Antifaschisten, von der Klasse
der Lohnarbeit die Unterordnung unter die Interessen des Kapitals verlangen. Die
Faschisten, Nationalsozialisten und die japanischen Monarchisten zwangen die
Arbeiter wiederum auf einer anderen Seite des Kapitals zu kämpfen, zu morden und
zu verrecken. Sowohl der Faschismus, als auch der Antifaschismus erzwangen den
gleichen Dienst. Proletarische Bewegungen, die sich mit einer der beiden Seiten
eingelassen haben, waren verloren. In diesem Sinne hatte der Revolutionär Amadeo
Bordiga recht, als er sagte, daß der Antifaschismus das schlimmste Produkt des
Faschismus ist.
Der Antifaschismus als bürgerliche Ideologie und die Soziale Revolution
schließen sich aus. Selbstverständlich kann das nicht so verstanden werden, daß
der Kampf gegen den Faschismus und gegen Faschisten nicht geführt werden soll.
Der Kampf gegen das Kapital und gegen alle von ihm produzierten Ideologien
beinhaltet notwendigerweise, sowohl die Gegnerschaft zur Demokratie, als auch
zum Faschismus und zu anderen Formen bürgerlicher politischer Herrschaft.
Abgelehnt werden muß der Mythos von der Existenz »kleinerer Übel im
Kapitalismus«, der unweigerlich und logischerweise zur Unterordnung des
Proletariats unter das politische Regime des Kapitals führt.
Die Demokratie ist nichts anderes, als ein politischer Ausdruck des Kapitals.
Ihre Funktion besteht ausschließlich darin, die Existenz des Kapitals zu
sichern. Darin unterscheidet sie sich nicht vom Faschismus oder Stalinismus. Die
Demokratie ist unter bestimmten Bedingungen einfach die effizientere Form
kapitalistischer Herrschaft.
Die autonome Antifa-Szene hat die historischen Erfahrungen des Kampfes jener
wenigen und mutigen GenossInnen, die sowohl gegen den Faschismus, als auch gegen
den Antifaschismus, wie auch gegen Demokratie und Stalinismus, seit den 20er
Jahren kämpften, nicht zur Kenntnis genommen. Natürlich ist hier darauf
hinzuweisen, daß der heroische Einsatz dieser GenossInnen von sämtlichen
Fraktionen des Kapitals systematisch bekämpft, denunziert oder totgeschwiegen
wurde. Deshalb ist es auch kein Wunder, daß es sehr lange dauerte, bis sich -
wenn auch nur winzige - Teile der Klasse wieder auf diese Erfahrungen beziehen
konnten.
Die Antifaschisten unterstützen auf Kosten der Arbeiterklasse eine
Interessengruppe des Kapitals gegen eine andere. Die Antifas können auch nichts
anderes tun, als das, was ihre historischen Vorläufer getan haben. Immerhin,
könnte man glauben, spielen sie nicht, wie Teile der (historischen) KPD, der PCF
oder der KPdSU - um nur einige Beispiele zu nennen - die deutsch-nationale,
französich-nationale oder die russisch-nationale Karte. Das Fragwürdige dieser
Szene zeigt sich aber, wenn man sieht, was dort unter einem »antinationalen«
Mäntelchen alles geboten wird. Da wird der (alliierte) Bombenterror gegen
Arbeiterviertel bejubelt, dem Dresdner Massaker Beifall geklatscht, da werden
ethnische Säuberungen befürwortet, sofern davon »Deutsche« betroffen sind , und
es wird für Massenvergewaltigungen durch Soldaten der Siegermächte Verständnis
aufgebracht.
Diese Bestrafungsmanie wird damit begründet, daß deutsche Soldaten, Polizisten,
Bürokraten, Männer wie Frauen, daß »normale Deutsche« Ähnliches oder Schlimmeres
getan haben. Es ist unbestritten: Sie haben es getan! Wieso kommen jhr und Louis
Lerouge überhaupt auf die unglaubliche Idee, sozialrevolutionäre Kritik hätte
damit zu tun, irgendwelche oder besondere Verbrechen, mit anderen Worten:
Ergebnisse kapitalistischer Politik zu leugnen oder zu verharmlosen. Und daß
alles, um es sich angeblich nicht mit einem als »Klientel« gedachten Proletariat
zu verscherzen! Welch eine abwegige Vorstellung!
Nein, Anarchosyndikalisten leugnen keines der Resultate kapitalistischer
Herrschaft. Im Gegenteil, sie kämpfen gerade deshalb gegen das Kapital, weil sie
sich seiner negativen Resultate bewußt sind und weil sie wissen, daß sie als
Einzelne gegen die Bewegungsgesetze des Kapitals machtlos sind.
Selbst die vielleicht so clever scheinende Idee der radikaleren Linken, den
Antifaschismus als taktisches Mittel zu nutzen, um durch Kampagnien viele Leute
zu mobilisieren, scheiterte. Denn »Massen« können in einer Situation, in der das
proletarische Klassenbewußtsein nur sehr schwach entwickelt ist, nur - wenn
überhaupt - mit Hilfe moralisierender, platter und demokratischer Parolen
gewonnen werden. Denn die herrschende Ideologie ist die Ideologie der
Herrschenden. Und nachdem der Staat in den letzten Jahren selbst als »der größte
Antifaschist von allen« auftrat, war das Erstaunen groß. Eine Linke, die sich
darauf konzentrierte, irgendwelchen bürgerlichen Charaktermasken oder pauschal
den Bewohnern ganzer Landstriche besondere »rassistische Ekelhaftigkeiten
nachzuweisen«, mußte - wenn sie logisch handelte - darüber erfreut sein. Denn
was sind schon Farbbeutel gegen die NPD-Zentrale, im Vergleich zu einem
möglichen Parteiverbot durch das Bundesverfassungsgericht? Haben nicht
Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung den Verbotsantrag gestellt? Deshalb
wundert es auch nicht, wenn die Linke wieder einmal ihren Frieden mit der
normalen kapitalistischen Politik macht, mit der Wirklichkeit des Kapitals: der
globalen Warengesellschaft.
Es kommt letztlich nicht darauf an, für die einzelnen Wirkungen kapitalistischer
Politik, das eine oder andere bürgerliche Herrschaftssystem, den einen oder
anderen Nationalstaat, den einen oder anderen Kapitalisten, die eine oder andere
Gruppe von Menschen oder sozusagen als Höhepunkt der Idiotie, moralisierend das
einzelne Individuum verantwortlich zu machen. Das kapitalistische Weltsystem,
die generalisierte Warengesellschaft als Ganzes ist der mächtige Feind des
globalen Proletariats.
Das Kapital versucht erfolgreich, seine Gesamtverantwortung für sämtliche
zivilisatorisch-barbarischen Handlungen überall und zu jeder Zeit zu
fragmentieren. Die zeitweilig dominierenden Fraktionen versuchen dabei die
Verantwortung für besonders »schreckliche Resultate« anderen, zeitweilig
schwächeren Fraktionen, unterzujubeln. Bei diesem Differenzierungsgeschäft
mischen die Antifaschisten und völkischen Antinationalen fleißig mit.
Die proletarischen Revolutionäre führen den globalen Klassenkampf nicht unter
der lächerlichen Parole »Nie wieder Deutschland« gegen »Deutschland«, sondern
weltweit Klasse gegen Klasse, für die Anarchie, für den Kommunismus!
Jan, Kersten, Sven, FAU-IAA, Frankfurt am Main
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