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Ernst Friedrich
Helge Döhring: Das Verhältnis von Ernst Friedrich zu FAUD und SAJD
Ernst
Friedrich (1894-1967) war Anarchist und Pazifist. Er verfasste mit „Krieg dem
Krieg“ (1924) eine der beeindruckendsten Darstellungen zum Ersten Weltkrieg.
Friedrich baute Anfang der 20-er Jahre eine anarchistische Jugendbewegung mit
auf. Friedrich (Kochhannstrasse 10, I) referierte in Berlin in einer
syndikalistischen „Jugendversammlung“ im September 1919 zum Thema „Durch
Gewaltlosigkeit zum Sozialismus“. Auf einer Erich Mühsam-Feier im Berliner
Blüther Saal im selben Jahr trug er Gedichte des Gefangenen anarchistischen
Dichters vor. Die Erlöse sollten zugunsten der politischen Gefangenen verwendet
werden. Weitere Vorträger waren: Walter Petry, Hans Rosenberg und Albert
Ulbrich. Die Veranstaltung war jedoch nur mäßig besucht. Zum Bruch kam es auf
dem FAUD- Kongress Ende 1919 bei der Behandlung der Jugendfrage. Ernst
Friedrich, delegiert von der „Föderation der revolutionären Jugend“ (Berlin),
auf dem Kongress jedoch lediglich mit Gaststatus versehen, forderte mehr Raum
und Geltung als ihm der Kongress zugestehen wollte. Er sei mit einem Referat,
das er über die von ihm mitinitiierte Jugendbewegung halten wollte „abgewürgt“
worden. Diese habe immerhin schon in 40 Städten eigene Gruppen aufgebaut. Mit
den Ausführungen Rudolf Rockers zur Jugendfrage erklärte er sich jedoch
einverstanden. Die einzige Differenz liege im Vorhaben der FAUD, überall
Jugendgruppen errichten zu wollen, da man eine Jugendbewegung nicht
„dekretieren“ könne. Sie verstünden sich als Revolutionäre, weshalb er es als
Pflicht der FAUD ansehe, diese Jugendbewegung zu unterstützen. Andererseits
wandte er sich mit folgenden Worten gegen jede Einflussnahme: „Ihr wisst ja gar
nicht, was jung sein heißt. Jede Jugendbewegung geht zugrunde, wenn sie in die
Klauen der Alten gerät (…) Die Berliner Genossen sind aber gegen uns, weil wir
ihnen zu antiautoritär sind und nicht immer hören wollen, dass wir erst das
aufnehmen müssten, was Ihr in langer Lebenserfahrung gelernt haben wollt.“ Die
Unreife steht bei diesen Widersprüchen ins Gesicht geschrieben: Unterstützung
moralisch einfordern ohne Einvernehmen mit dem Gegenüber. Als Versammlungsleiter
Carl Haffner von der FAUD-Geschäftskommission feststellte, dass Friedrich „mit
seinem Referat nicht abgewürgt wurde, sondern dass die Geschäftslage es nicht
erlaubte, den Vortrag anzuhören.“ und hinzufügte: „Ich bitte, sich zu fügen.“,
antwortete Friedrich: „Ich füge mich überhaupt nicht, ich bin nicht Sklave, ich
bin Anarchist!“ Zwar war die Redezeit abgelaufen, doch wurde sie per Beschluß
extra für Friedrich verlängert, da es auch um einen Streitpunkt in der Frage der
Finanzierung der „Freien Jugend“, einer von Friedrich geleiteten Jugendzeitung
ging. Friedrich warf der FAUD an diesem Beispiel Bevormundung der Jugendbewegung
vor, da sie für ihre finanzielle Unterstützung der Zeitung einen Finanzbericht
verlangte. „Da haben wir keine große Buchführung gehabt“, so Friedrich. Als
Begründung führte er Haftzeiten an, die er gehabt habe, sowie eine recht
unverständliche Begründung, welche eher auf ein Organisationschaos Friedrichs
schließen lässt, als auf verantwortungsvolle Arbeit und Rechenschaft. Franz
Barwich als Redner der FAUD erörterte dann noch einmal die Modalitäten, dass mit
Ernst Friedrich vereinbart worden sei, dass die FAUD „Einblick in die Abrechnung
der Zeitung und in den Aufbau der Jugendorganisation“ bekomme. Schenkt man den
weiteren Ausführungen Barwichs laut Kongressprotokoll glauben, dann passierte
folgendes: „Dabei haben wir festgestellt, dass in der Jugendgruppe nicht viele
wirklich Jugendliche waren, sondern 20-30 Personen, die nicht mehr zur Jugend zu
rechnen und vielfach älter als Friedrich sind. Friedrich lehne eine Abrechnung
ab. Friedrich sagte uns, er habe keine Buchführung, Buchführung wäre ihm zuwider
und er lehne eine Abrechnung ab. Auf Grund der kümmerlichen Belege und
Unterlagen haben wir folgendes festgestellt: Insgesamt hatte die Zeitung etwa
2.200 Mk. Kosten verursacht. 1.300 Mk. hatte das Gewerkschaftskartell zugegeben.
Irgendwelche Einnahmen aus den sechs erschienenen Nummern waren nicht
festzustellen. Dagegen war Friedrich mit ungefähr 3.000 Mk. Schulden belastet.
Seit März lebt er aus den Geldern der Zeitung und zusammengepumpten Geldern.
(Friedrich widerspricht erregt.) Friedrich meinte, wenn wir Abrechnung
verlangen, dann wäre das kein Idealismus und Syndikalismus. Ich erklärte ihm: Du
kannst nicht leben aus der Zeitung und aus unseren Gewerkschaftsbeiträgen, Du
musst dir eine Beschäftigung suchen, die Dich ernährt, und daneben die Zeitung
als Idealist leiten. (Sehr richtig!) Die Gesamtsumme von 4 – 5.000 Mk. ist nicht
nur benutzt worden zur Bestreitung der Zeitungskosten, sondern auch zur
Bestreitung des Familienunterhalts von Friedrich. (…) Wenn wir Gelder für eine
Sache geben, müssen wir auch darüber wachen, dass sie nur für die Sache verwandt
werden. (Sehr richtig!) Ich habe ihm gesagt, weil er uns vorwarf, wir
unterstützten seine revolutionären Abende nicht genügend, für solche Abende
müsste er in der Allgemeinheit Propaganda machen. Wir können unseren Genossen
nicht zumuten, alle paar Tage ihr Geld dafür herzugeben. Wir haben Friedrich
auch unsere sämtlichen Mitarbeiter zur Verfügung gestellt. Wir haben ihm unser
gesamtes Adressenmaterial gegeben und daraufhin konnte er erst im ganzen Reiche
agitieren und für die Zeitung den Untergrund schaffen. Die Zeitung hat sich
nicht zu einem Jugendorgan, sondern zu einem Organ für Erwachsene
herausgebildet, das den Eindruck eines Reklameblattes macht. Über ethische,
kulturelle Jugendfragen ist wenig darin enthalten. (Friedrich: Schreibt ihr sie
doch!) Friedrich hat unsere Unterstützung abgelehnt, wir haben nicht weiter
mitarbeiten können. Sie werden mir zugeben, dass Friedrich nach seinem heutigen
Auftreten zur Beeinflussung der Jugend in gutem Sinne noch weniger geeignet ist
als wir Gewerkschafter. Ich behaupte, der ist nicht die geeignete Person, um der
Jugend als Vorbild zu dienen (Sehr richtig!) Darum müssen wir erklären, dass wir
mit der von Friedrich verkörperten Bewegung, die ein fast rein persönliches
Unternehmen ist, uns nicht verkuppeln dürfen. Wir müssen deshalb aus uns heraus
eine Jugendbewegung schaffen.“
Friedrich, der offenbar seine Felle davonschwimmen sah, schlug vor, die Frage
der FAUD-Resolution, überall eine FAUD-Jugend zu gründen, noch einmal gemeinsam
mit der „Föderation der revolutionären Jugend“ zu beraten. Das Schlusswort
erhielt gleich darauf Rudolf Rocker, der erklärte: „Eines möchte ich Friedrich
sagen: Anarchie ist nicht Chaos. Anarchie ist Ordnung, Ordnung auch in der
Geschäftsführung. (Sehr richtig!) Es gibt keine anarchistische Zeitung, die
nicht genaue Abrechnung führt. Unsere G.-K. hat nicht das Recht, einen Pfennig
auszugeben, über den sie nicht Abrechnung leisten kann. Das war auch so bei der
Escoela moderna von Ferrer. Ich würde Friedrichs Antrag dann nicht zustimmen
können, bevor die Frage der Abrechnung geklärt ist. Wenn ich als Privatmann eine
Zeitung allein finanziere, dann bin ich niemand Rechenschaft schuldig. Wende ich
mich aber an eine Bewegung um Unterstützung, dann muß ich auch über die
Verwendung der Gelder Rechenschaft ablegen. Deshalb können wir jetzt nicht auf
den Antrag Friedrichs eingehen.“ Daraufhin wurde die Resolution von Rudolf
Rocker vom Kongress angenommen: „Jeder Ortsverein ist verpflichtet, überall
besondere Jugendorganisationen ins Leben zu rufen, um eine Erziehung der Jugend
im Sinne des Syndikalismus und des freiheitlichen Sozialismus anzubahnen. Die
lokalen Arbeiterbörsen verpflichten sich, die nötigen Mittel und Wege zu
ergreifen, um diese Arbeit gemeinschaftlich zu gestalten, damit auf diese Weise
das Fundament für eine spätere erweiterte Tätigkeit angebahnt werden kann, die
in der Entwicklung einer entsprechenden Jugendlektüre, einer Erziehungsliteratur
für die Eltern und in der eventuellen Gründung freier Schulen, wo die lokalen
Möglichkeiten dazu gegeben sind, ihren Ausdruck finden soll.“ Im Gegensatz zur
syndikalistisch-anarchistischen Jugend erklärte die Geschäftskommission der FAUD,
an keinen Konferenzen mehr teilzunehmen, an denen Ernst Friedrich zugegen sei.
Die Jugend wollte Friedrich nach ihrer ersten Reichkonferenz im Mai 1921 noch
Möglichkeiten geben, auf der folgenden Reichsjugendkonferenz zu den
Anschuldigungen der Geschäftskommission Stellung zu nehmen. Fortan spricht
Friedrich als „Hetzer“ gegen die SAJD. („Der Syndikalist“, Nr. 8/1926). Der
FAUD-Funktionär Helmut Rüdiger betonte auf dem 15. Kongress der FAUD 1925, dass
die FAUD in der Jugendarbeit keinen Druck auf die SAJD ausüben solle, denn
„damit würden wir die Jugendgenossen nur ins Lager der Organisationsgegner, der
Kreise um Ernst Friedrich treiben, deren Agitation wir bisher abwehren konnten.“
Einfluß übte Friedrich auch mit seiner Wochenzeitung „Die schwarze Fahne“
(1925-1929) aus. Bis Mitte der 20-er Jahre klärte sich die Lage bei der SAJD:
Die Anhänger Ernst Friedrichs traten aus. Friedrich eröffnete in Berlin im Jahre
1925 das erste Anti-Kriegs-Museum, wurde von SA-Leuten verprügelt, der
„Syndikalist“ berichtete Ende 1932 von einem Überfall auf das Anti-Kriegs
Museum-, und Friedrich musste 1933 nach einigen Monaten Haft fliehen, während
die Nazis das Museum besetzten und schlossen. Nach dem Krieg wurde Friedrich
Mitglied der kommunistischen Partei Frankreichs.
Siehe auch
http://www.anti-kriegs-museum.de
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