Das Informationsportal zur Geschichte der syndikalistischen Arbeiterbewegung

 

Institut für Syndikalismusforschung

 

 

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Helge Döhring

 

Eine runde Sache: Die Arbeiterbörse – Netzwerk des Syndikalismus 

Eine soziale Revolution ohne Chaos! Geht nicht? Geht doch! Das meinen zumindest die Syndikalisten. Wenn auch vielen nicht bekannt, so bietet der Syndikalismus eine plausible und durchaus reale Konzeption zur Umgestaltung der Gesellschaft ohne „Übergangsphase“ politischer Herrschaft und ohne Versorgungsengpässe. Einen zentralen Bestandteil bilden dabei die Arbeiterbörsen. Sie sind das unerlässliche Gegenstück zu den Syndikaten. Denn als Organisationsstrukturen der Arbeiterschaft bilden sie gemeinsam das Fundament einer syndikalistischen Wirtschaftsweise. Die syndikalistische Konzeption unterscheidet sich somit wesentlich von allen anderen Vorstellungen gesellschaftlicher Umgestaltung.

In dieser wird davon ausgegangen, dass für die unmittelbare Versorgung der Bevölkerung zwei Faktoren von entscheidender Bedeutung sind: die Produktion und die Konsumption. Dementsprechend organisieren sich SyndikalistInnen so, dass beides von ihnen selbst vor, während und nach der Revolution abgedeckt werden kann.

Der Bereich der Produktion wird dabei von den Syndikaten abgedeckt, in denen sich die ArbeiterInnen auf industrieller Ebene (d.h. nach Branchenzugehörigkeit) organisieren. Diese bilden die kleinsten Einheiten in allen Entscheidungsfragen. Neben dem gewerkschaftlichen Tageskampf arbeiten die Syndikate bestenfalls so, dass sie sich auf den Generalstreik vorbereiten und die nötigen Fähigkeiten entwickeln, damit im Prozess einer sozialen Revolution die Betriebe – nun auf selbstverwalteter Basis – reibungslos weiter arbeiten können. 

Auf geographischer Ebene wiederum bilden die Syndikate lokale Föderationen: die Arbeiterbörsen. Zum einen findet sich hierin eine Ebene, auf der die ArbeiterInnen sich branchenübergreifend koordinieren können, um z.B. die Tageskämpfe nicht isoliert zu führen. Auch sollen durch sie diejenigen, die nicht (direkt) im Produktionsbereich tätig sind (z.B. Hausfrauen/männer, Jugendliche, Rentner usw.), ebenso in den sozialen bzw. wirtschaftlichen Strukturen mitwirken können. Als weitere Organisationsebene können die Börsen somit den gewerkschaftlichen Kampf verstärken, sei es durch die Koordination von Streikaktionen, sei es in Form von Konsumentenstreiks, und nicht zuletzt auch als Bildungs- und Kultureinrichtung. Vor allem aber soll in den Börsen der Konsumbedarf der Kreise, Regionen und Länder ermittelt werden. Sie stellen Statistiken über den Bedarf auf, um die Syndikate während und nach der Revolution über die benötigten Produkte und deren Mengen zu unterrichten, und übernehmen außerdem die Verteilung der Produkte.  

Wahrend die dezentrale, föderalistische Organisierung gewährleisten soll, dass die Arbeiterschaft zu jedem Zeitpunkt die Basis bildet, welche die ökonomische Macht inne hat (im Gegensatz zum Zentralismus), so dient die Doppelstruktur von horizontaler und vertikaler Ebene dazu, die Einheit von Konsumenten und Produzenten zu sichern (im Gegensatz zum Kapitalismus). Die Kopplung von Syndikaten und Arbeiterbörsen stellt deshalb eine Form von dezentraler Planwirtschaft dar. Diese orientiert sich an den tatsächlichen Bedürfnissen der Bevölkerung, wodurch sich unnütze Arbeitsbereiche, wie sie in der bürgerlichen Gesellschaft anfallen, erübrigen.  

Konkretere Beispiele dafür, welche Produktionsbereiche dabei im Einzelnen wie genau organisiert werden könnten, zeigte schon die FAUD 1922 in einem Bericht auf (siehe „Die Arbeiterbörsen des Syndikalismus“). Darin findet sich auch eine Auflistung von Punkten, was damals zum Aufgabengebiet der Arbeiterbörsen gehörte. So z.B.: die „Organisation und Durchführung der Aktionen und Tageskämpfe aller in der Börse zusammengefassten Gewerkschaften“; sowie die „Vorbereitung der notwendigen Maßnahmen, um die zukünftige sozialistische Wirtschaftsorganisation durchführen zu können.“ 

Dass all dies keine unrealistischen Kopfgeburten sind, hat die Geschichte schon einmal gezeigt. Während und nach der Spanischen Revolution 1936 konnte die CNT im hochindustrialisierten Katalonien tatsächlich eine reibungslose Versorgungslage gewährleisten. Durch die bedürfnisorientierte Wirtschaftsweise einer dezentralen Planwirtschaft wurden reichlich Kapazitäten frei für die Rüstungsindustrie gegen den Faschismus, und viele Arbeitskräfte zogen in Milizen von ihren Produktionsstätten an die Front. Die Selbstbestimmung sorgte darüber hinaus für größere Kreativität und Innovation im Produktionsbereich. Zudem funktionierte der Austausch zwischen Industrie und Landwirtschaft. 

Aus: Direkte Aktion Nr. 181 (2007) 

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