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Helge Döhring

Der Reichssolidaritätsfond (RSF)

Die Solidaritätsregelung der FAUD

Die Streikunterstützung wurde zunächst nicht zentral geregelt, sondern in den Ortsbörsen, dann regional und schließlich bei weiterem Bedarf in den Industrieföderationen und letztlich in der Gesamtorganisation. Ob es zu Solidaritätsstreiks kommen sollte oder die Kollegen weiterverdienen wollten, um ihre im Streik stehenden Kollegen finanziell besser unterstützen zu können, oblag in einer föderalistischen Organisation jeweils der Basis. (1)

Aufgrund des zweigliedrigen Aufbaus der FAUD nach Industrieföderationen einerseits und den Börsenstrukturen andererseits kam es bei der Frage der Solidaritätsleistungen immer wieder zu Kompetenzstreitigkeiten zwischen diesen beiden organisatorischen Richtungen.

Die Streikresolution der FAUD enthielt folgende Regelungen: „(...) Jeder Ortsverein hat, soweit er einer Industrie-Föderation nicht angeschlossen ist, wenn er in einem Angriffs- oder Abwehrstreik eintritt oder ausgesperrt wird, dieses der Geschäftskommission sofort zu melden und einen von dieser ausgegebenen Fragebogen beantwortet einzusenden. Ortsvereine, die einer Industrie-Föderation angehören, verkehren in dieser Frage nur mit ihrer Geschäftsleitung nach den für die zuständige Föderation in dieser Angelegenheit geltenden Konferenzbeschlüssen. Im Bedarfsfall handeln auf Antrag die Geschäftsleitungen der Föderationen mit der Geschäftskommission gemeinsam.

Die Ausübung der Solidarität geschieht durch die Arbeitsbörsen, oder, wo solche nicht bestehen, durch die Agitationskommissionen.

Ist die Leistungsfähigkeit dieser erschöpft, so hat die Geschäftsleitung der Föderation der im Streik befindlichen Organisation in Verbindungen mit der Geschäftskommission zur Solidarität aufzurufen, und die Gelder an die vorgenannte Stelle abzuführen.

Bei Streiks von Ortsgruppen, die einer Föderation angehören, sind von allen dieser Föderationen angeschlossenen Organisationen die Solidaritätsgelder an die eigene Geschäftsleitung zu senden. Alle Solidaritätsgelder für andere im Streik befindliche Industriegruppen oder für Vereinigungen aller Berufe sind an die Geschäftskommission zu senden. (...) Grundsätzlich soll eine Karenzzeit von mindestens drei Tagen festgelegt werden, bevor die finanzielle Unterstützung der Streikenden in Kraft tritt. (D.h. der vierte Streiktag gilt als erster Unterstützungstag) Zwei Wochen hat die im Kampf stehende Ortsgruppe für die finanzielle Unterstützung ihrer streikenden Mitglieder selbst zu sorgen. Von dieser Bestimmung kann nur dann abgegangen werden, wenn die betreffende Ortsgruppe kurz vorher ihre Gelder für Kampfzwecke solidarisch zur Verfügung gestellt hat und deshalb ihre Verpflichtungen nicht erfüllen kann. Sind von der Allgemeinheit der am Streik Beteiligten weiter gehende Fristen als drei Tage festgesetzt, so haben sich unsere Organisationen danach zu richten. Streikunterstützung aus Organisationsmitteln darf nur an Mitglieder gezahlt werden, welche der Organisation mindestens drei Monate (13 Wochen) angehören und ihre Verpflichtungen erfüllt haben. An ausgesperrte Mitglieder wird die Unterstützung nur bis zu dem Tage gezahlt, an dem die amtliche Erwerbslosenunterstützung in Kraft tritt. Bei Massen- und Generalstreiks aus wirtschaftlichen oder politischen Gründen wird Unterstützung nicht gezahlt. (...) Sind vorstehende Bedingungen erfüllt und ist der Ortsverein oder seine Föderation nicht mehr in der Lage, den Kampf durchzuführen, indem alle Hilfsmittel erschöpft sind, so sind alle der FAUD angeschlossenen übrigen Organisationen verpflichtet, zur Unterstützung des Kampfes durch die Geschäftskommission beizutragen. (...) Die Geschäftskommission ist nur Vermittlerin und hat gegebenenfalls durch Aufruf oder Klarlegung der Sachlage die der FAUD angeschlossenen Organisationen zu Betätigung der Solidarität aufzurufen. Alle hierzu bestimmten Gelder sind dann an den Kassierer der Geschäftskommission zu senden und von diesem an die benötigte Ortsgruppe oder Föderationsleitung abzuführen. (...) Ortsvereine und Föderationen. Welche sich an der Unterstützung der Kämpfe trotz finanzieller Möglichkeit ihrerseits nicht beteiligen, haben kein Recht, die Solidarität anderer Organisationen in Anspruch zu nehmen, und können evtl. durch Kongreßbeschluß aus der FAUD ausgeschlossen werden.“ (2) Die zu unterstützenden Mitglieder sind ihrerseits verpflichtet, über den Verlauf des Arbeitskampfes Bericht zu erstatten.

Angestoßen durch die Spaltung der Bauarbeiterföderation aufgrund dieser Angelegenheit, wurde fortan eine einheitliche Lösung der Solidaritätsregelungen angestrebt. In Folge der Verschiebung des organisatorischen Schwergewichtes auf die Börsen nahmen diese die Ausübung der Solidarität für sich in Anspruch mit der Begründung, es handele sich hierbei um eine Sache der Konsumption, während die Industrieföderationen, um ihre Autonomie und Existenz fürchtend, in weiten Teilen der FAUD den Börsen zunehmend untergeordnet wurden. Um hierbei keine der Strukturen zu benachteiligen, wurde auf Beschluß des 18. Kongresses der FAUD vom Mai 1930 ein Entwurf zu einem Reichssolidaritätsfond angefertigt, der besagte, daß die Aufgaben weder den Industrieföderationen, noch den Börsen zufallen, sondern von der Geschäftskommission übernommen werden sollten. Die zentrale Regelung barg den Vorteil der Gleichbehandlung aller Ortsvereine, was die Abgabenhöhe, als auch den Anspruch von Bezügen bei Arbeitskämpfen, Aussperrungen etc. betraf; gleichzeitig bedeutete eine strikte Gleichbehandlung aber auch die Gefahr, nicht den Leistungs- (zahlungs) möglichkeiten und den Unterstützungsbedürfnissen der jeweiligen Region oder dem jeweiligen Industriebereich gerecht flexibel-föderalistisch handeln zu können. Weder fänden dabei die unterschiedlichen Lohnverhältnisse, noch die davon abhängigen Lebensbedingungen Beachtung. Die Gegner sprachen sich für die nötige Eigenverantwortung sowohl der Solidarität gebenden- und nehmenden bei Arbeitskämpfen/ Streiks u.a. aus, da die gegenseitige Hilfe das Herzstück des Anarcho-Syndikalismus bedeute, die Befürworter des RSF bezeichneten dagegen den bloßen Appell an den Willen und die Solidarität eher als individualistisch, denn als anarcho-syndikalistisch. Die Geschäftskommission sei lediglich ausführendes Organ und kassiere schließlich schon die anderen Beiträge.

Die Gegner bezeichneten den RSF als „Verlegenheitsprodukt“, als einen Entwurf zu einer „Zentralstreikkasse“, was die Anarcho-Syndikalisten grundsätzlich ablehnen sollten. Der Geschäftskommission werde mit einem RSF ein Mittel in die Hand gegeben, ihren Einfluß innerhalb der FAUD in einem Übermaße zu steigern. (4)

Der RSF wurde Ende 1931 reichsweit zur Abstimmung gestellt und in Provinzialarbeitsbörsen (PAB) geordnet abgestimmt. Jede der zwölf PABs entschied sich mehrheitlich gegen die Einrichtung eines RSF. Von den insgesamt 6.634 FAUD- Mitgliedern stimmten nur 1281 für und 4293 gegen einen RSF, bei 959 Enthaltungen.(5)

Anmerkungen:

(1) Vgl.: „Der Syndikalist“, 3. Jg. (1921), Nr. 5.

(2) „Der Syndikalist“, 7. Jg. (1925), Nr. 21.

(3) Der Antrag lautete folgendermaßen: „Die Reichskonferenz der Bauarbeiter schlägt dem Kongreß der FAUD (A.S.) vor für die Regelung der Solidarität innerhalb der Gesamtbewegung die Bildung eines Reichssolidaritätsfonds ins Auge zu fassen, wie er bereits in den syndikalistischen Organisationen anderer Länder besteht. Der Plan ist der FAUD (A.-S.) zur Urabstimmung vorzulegen. Die Entscheidung der gesamten Mitgliedschaft der FAUD (A.-S.) ist für alle Teile bindend. Die Zugehörigkeit zur FAUD (A.-S.) wird von der Befolgung der Beschlüsse abhängig gemacht.“, Protokoll vom 18. Kongress der FAUD (1930), S. 81.

(4) Vgl.: „Der Syndikalist, 12. Jg. (1930), Nr. 43.

(5) Vgl.: BAK, R 58/ 321, S. 20 – 24.

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