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„Unserem Genossen Max Nettlau zum 60. Geburtstag

Am 30 April feiert unser alter Kamerad Max Nettlau seinen 60. Geburtstag. Wir wollen diese Gelegenheit nicht vorübergehen lassen, ohne dem lieben Freunde unsere herzlichsten Wünsche auszudrücken. Möge es ihm noch lange Jahre vergönnt sein, für die Sache der Freiheit und der sozialen Gerechtigkeit zu wirken, im Interesse unserer gesamten Bewegung.

Was der stille Gelehrte und Forscher der sozialistischen Bewegung im allgemeinen und ihrem antiautoritären Flügel im besonderen geschenkt hat, wird nie vergessen werden. Sein Schatten gehört der Bewegung aller Länder und fand bisher in der freiheitlichen Presse aller Sprachen einen fruchtbaren Niederschlag. In jener stürmischen Zeit, als Johann Most in seiner ‚Freiheit’ dem anarchistischen Sozialismus ein Kampforgan von seltener Kraft geschaffen hatte, unterstützte Nettlau den alten Kämpen durch eine ganze Reihe glänzender Artikel, die bis zum heutigen Tage noch nichts von ihrer Bedeutung verloren haben.

Durch seine großangelegte Biographie Michael Bakunins, in welcher Nettlau ein ungeheures Material mit Bienenfleiß zusammengetragen, hat er der jungen Generation die machtvolle Persönlichkeit des anarchistischen Denkers und Kämpfers und die Geschichte seiner Zeit erst wieder nahegebracht. Seine prächtige ‚Bibliographie de l’anarchie’ hat uns erst richtig zum Bewußtsein gebracht, über welche Fülle von Literatur der antiautoritäre Sozialismus verfügt.

Gar nicht zu reden von einer stattlichen Reihe hochbedeutender Abhandlungen in den verschiedensten Zeitschriften, wie z.B. seine Aufsätze über die ersten Entwicklungsphasen der Internationale in Spanien und Italien im ‚Archiv für die Geschichte des Sozialismus und der Arbeiterbewegung’, seine Herausgabe der Werke Coeurderoy’s, sein Buch über Errico Malatesta und seine Entwicklungsgeschichte der anarchistischen Ideen, welche in kurzem in zwei Bändchen im Verlag ‚Syndikalist’ erscheinen wird, um hier nur einige seiner Arbeiten anzuführen.

Besonders denjenigen unter uns, die mitten in der praktischen Propaganda stehen, hat Nettlau eine Unmasse Material erschlossen und zugänglich gemacht, dass nur ein so emsiger und gewissenhafter Forscher wie er ausfindig machen konnte. Es gibt wohl kaum einen unter uns, welcher ihm in dieser Hinsicht nicht zum Danke verpflichtet ist.

Wir sind keine Freunde großer Worte, und jeder Personenkultus liegt uns ferne. Aber wenn wir gerade heute die Gelegenheit wahrnehmen, um unserem alten Kameraden den innigsten Dank abzustatten, so wird er unsere Gefühle wohl begreifen und zu würdigen verstehen.

Das beste ist, dass unser Geburtstagskind noch in jeder Hinsicht rüstig ist, und seine schöpferische Tätigkeit noch immer jugendliche Frische zeigt. Deshalb noch einmal: Wir gratulieren und wünschen unserem Kameraden von ganzem Herzen noch lange Jahre fruchtbringender und segensreicher Tätigkeit.“

Aus: „Der Syndikalist“, Nr. 17/1925.

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