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Besprechung: Torsten Bewernitz: „Die neuen Streiks“, Münster
2008
Im von Torsten Bewernitz herausgegebenen Buch „Die neuen Streiks“ sind insgesamt
10 Beiträge enthalten, welche sich mit dem aktuellen Streikgeschehen vor allem
in Deutschland auseinandersetzen und diese analytisch beleuchten. Zu nennen sind
vor allem der Streik der „Gewerkschaft deutscher Lokomotivführer“ (GDL) 2007,
der Streik bei Opel 2004 und der bei Gate Gourmet 2005/06. In anschließenden
Beiträgen im zweiten Teil des Buches, sowie im mit weiteren markanten
Streikbeispielen illustrierten ersten Beitrag von Bewernitz selbst, „Die Zukunft
des Konzepts Streik“, gibt es dann ein zusammenfassendes Resume und so manch
einen Ausblick auf die Zukunft von Arbeiterkampfmaßnahmen. Eine Stärke im Buch
liegt auch darin, dass Produktionsverhältnisse und Aktivitäten außerhalb der
klassischen Lohnarbeit im engeren Sinne beleuchtet werden. Hervorragend und neue
Einblicke gebend lesen sich diesbezüglich die Beiträge von Folkert Mohrhof: „Das
‚strike-bike’ aus Nordhausen“, Markus Lawrenz: „Arbeitskampf im World Wide Web“,
welches das Internetportal „Chef-Duzen“ vorstellt, und in besonderem Maße
erhellend pointierend Stefan Paulus: „Von der Reproduktion her denken –
Geschlechterverhältnisse, Gebärstreiks, Hausarbeitstreiks und
Identitätsstreiks“. Lohnarbeit wird hier gut übersichtlich zusammengefasst
erklärt nicht nur als eine Sache, die sich im Betrieb abspielt, sondern in hohem
Maße auch im Reproduktionsbereich, besonders private Haushalte betreffend.
Weiterführende Perspektiven zur Selbstorganisation außerhalb der
zentralistischen „Gewerkschaften“, beispielsweise des DGB, werden dagegen wenig
aufgezeigt. Im Gegenzug wird dem Syndikalismus als Alternative dazu
unrichtigerweise nachgesagt, der Streik sei für ihn eine rein ökonomische
Kategorie, um dann im syndikalistischen Sinne sprechend Karl Heinz Roth
vorstellen zu können, welcher in mancher Beziehung jedoch hinter der
syndikalistischen Theoriebildung zurückfällt, oder diese in machen Teilen still
adaptiert, ohne sie als syndikalistisch zu benennen. Eine Beschäftigung mit dem
„Syndikalistischen Frauenbund“ oder den Schriften anarcho-syndikalistischer
Theoretiker, beispielsweise Siegfried Nacht, Fritz Dettmer, Raphael Friedeberg,
Rudolf Rocker, um nur einige zu nennen, hätte völlig ausgereicht, um zu
erkennen, dass der Syndikalismus den Streik umfassend und über manche heutige
Theoretiker hinausgehend zu betrachten vermag. In die selbe Richtung gehend, den
Syndikalismus als unzulänglich vorzustellen, ist die in manchen Buchbeiträgen
nach Maßgabe Karl Heinz Roths durchschimmernde Überzeugung, den DGB
basisdemokratisch beeinflussen oder gar reformieren zu können.
Eine markante Ausnahme dabei bildet der Beitrag von Folkert Mohrhof zu „Strike
Bike“ im Thüringischen Nordhausen 2007, welcher nicht nur die legendär gewordene
Fabrikbesetzung und Fortführung der Produktion von Fahrrädern in Eigenregie der
etwa 200 ArbeiterInnen zum Thema hat, sondern exemplarisch die unlauteren
Machenschaften der IG-Metall der Belegschaft gegenüber veranschaulicht und in
eine generelle Kritik an zentralistischen „Gewerkschaften“ einbindet.
Als Zeitdokumente sind alle Beiträge dieses Buches lesenswert für den aktuellen
Stand der Diskussion um die Zukunft von Streiks und Arbeiterselbstverwaltung.
Die Fallbeispiele sind kompetent dargestellt, und die zusammenfassenden Beiträge
geben reichlich Stoff zum weiterdenken, gerade weil sie von der konkreten
aktuellen Praxis ausgehen, die uns direkt oder indirekt alle betrifft. Zum
Weiterlesen möchte ich dennoch die oben angedeutete syndikalistische
Theoriebildung empfehlen, da diese in sich schlüssig und umfassend ist.
H.D. für www.syndikalismusforschung.info
Torsten Bewernitz: Die neuen Streiks, Münster 2008, Unrast Verlag, 190 Seiten,
14,80 Euro, ISBN-13: 978-3-89771-480-9
Inhalt:
Torsten Bewernitz
Vorwort
Teil I
Das aktuelle Streikgeschehen
Torsten Bewernitz
Die Zukunft des Konzepts Streik
Jochen Gester
Sechs Tage der Selbstermächtigung
Alix Arnold/Christian Frings
Kampfzone Flughafen
Herbert Münchow
Der GDL-Streik
Uwe Krug
Im Zug der Zeit – unabhängig denken, unabhängig handeln
Folkert Mohrhof
Das »Strike-Bike« aus Nordhausen
Teil II
Perspektiven aktueller ArbeiterInnenkämpfe
Mag Wompel
Sabotage – Arbeitskampf mit Strategie und Spaß
Markus Lawrenz
Arbeitskampf im World Wide Web
Hae-Lin Choi
Nicht mehr unsichtbar – No more invisible
Der Streik der Reinigungskräfte in Houston
Stefan Paulus
Von der Reproduktion her denken – Geschlechterverhältnisse,
Gebärstreiks, Hausarbeitstreiks und Identitätsstreiks
Werbetext
"Der Streik kehrt zurück« titelte die anarchosyndikalistische »Direkte Aktion«
bereits 2006. Der einjährige Streik bei dem Flughafen-Caterer ›Gate Gourmet‹,
die Streiks der Bosch-Siemens-Haushaltgerräe in Berlin, bei AEG, der wilde
Streik 2004 bei Opel Bochum und viele andere Beispiele scheinen das zu
bestätigen. Auch nach 2006 hat es das Phänomen Streik mit den Arbeitskämpfen bei
der Telekom und insbesondere mit dem Arbeitskampf der GDL in die Medien
geschafft.
Das Unwort ›Streik‹ ist selbst in konservativen Medien wieder sagbar geworden,
die Methode hat Konjunktur. Die Art und Weise, die Motivation, die Ziele und die
Akteure heutiger Streiks haben sich aber massiv verändert und vielerorts
erscheint Streik zwar als gute Idee, aber immer noch nicht durchführbar.
In einer Mischung aus Einzelbeiträgen und gemeinsamer Reflexion und Diskussion
lassen die AutorInnen die Geschichte des Streiks Revue passieren. Der
Schwerpunkt liegt dabei auf dem aktuellen Streikgeschehen. Darüber hinaus wird
versucht, aus der Veränderung des Streikgeschehens praktische Konsequenzen für
die Zukunft zu ziehen.
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