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Im Nebel der Niederlage
„Mit 20 Jahren ist man zwangsläufig Poet, außer man ist schon tot geboren
worden“
Besprechung: Abel Paz: Im Nebel der Niederlage
Beim Verlag Edition AV ist jüngst der dritte Teil der Biographie des
Spanienkämpfers Abel Paz erschienen. Offen kämpfte das spanische Proletariat
gegen die Faschisten, denn es erhob sich würdevoll und ließ sich nicht
beschwichtigen gegen diesen Todfeind. Daraus entstand das beeindruckendste
Kapitel der bekannten Menschheitsgeschichte: Die spanische Revolution von 1936.
Der Autor Abel Paz nahm als Jugendlicher in Barcelona an ihr teil und erzählte
in seinen ersten beiden Bänden vor den anschaulich dargestellten Hintergründen
sein Wirken in dieser Zeit.
Flucht
Anfang 1939 mußten die Kämpfer jedoch ihre Sachen packen, und vor den
vorrückenden Faschisten weichen, wollten sie nicht gleich in den Untergrund
gehen oder sich ihnen ausliefern. So strömten hunderttausende Spanier an die
französische Grenze. Dort erwartete sie zumeist die Internierung in Lager unter
menschenunwürdigen Bedingungen, Nahrungsmangel, desolaten hygienischen
Verhältnissen und mangelnden Perspektiven. Kaum jemand hatte ein Interesse an
ihnen, den einzigen, die gegen den Faschismus in Europa wirklich aufgestanden
sind und gekämpft hatten! Abel Paz landete nicht sofort in einem
Internierungslager, sondern versuchte, sich zusammen mit Freunden in Frankreich
anderweitig durchzuschlagen, von Ort zu Ort mit je unterschiedlichen
Bedingungen, jedoch nur kurzen Aufenthalten. Dann ging es weiter zum nächsten
Unterschlupf. Wurde er von der französischen Polizei gefangen, gelang ihm die
Flucht.
Die Internierungslager
So ging es, dank vielfacher gelebter Solidarität von Genossen und anderen
Menschen, einige Monate, bis er schließlich doch in mehrere Internierungslager
gesteckt wurde: „Glücklicherweise war die Solidarität kein Mythos, sondern
greifbare Wirklichkeit. (…) Wir lebten alle noch mit den Werten, die wir im
Schützengraben und auf den Barrikaden verteidigt hatten, als wir für eine
bessere Welt kämpften.“ Nicht außer Acht lässt Paz dabei die Arbeitseinsätze,
die Ausbeutung der spanischen Flüchtlinge durch Kapitalinteressen und das
schlechte Betragen der französischen Staatsorgane. Zu jeder Zeit setzten sich
die Gefangenen zur Wehr, denn Widerstand fängt im Kleinen an und ist immer
möglich, angefangen bei gegenseitiger Hilfe. Hierauf liegt die Hauptbetonung des
Buches, bewiesen gerade in solchen besonders schweren Zeiten. Die Lager
beispielsweise seien nämlich, abgesehen von den horrenden Bedingungen, auch
Zentren des solidarischen „menschlichen Zusammenlebens, des Lernens, der
Erfahrung, des sozialen Zusammenlebens ohne Autorität und ohne Strafgesetze
[gewesen] (…) Die Gemeinschaftserfahrung der französischen Konzentrationslager
liefert den Anthropologen Fakten zur Untersuchung von Gesellschaften ohne
Autorität und Staat“, so empfand es der Autor. In seinen Schilderungen lässt er
nie die politischen Dimensionen außer acht. So beschreibt er auch die
politischen Kräfteverhältnisse, beispielsweise in den Internierungslagern
Argelés-sur-Mer und Barcarés. Die Anarcho-Syndikalisten versuchten,
Exilorganisationen aus der einstigen CNT aufzubauen, sich unter den widrigen
Bedingungen und illegal zu reorganisieren. Mit den moskauhörigen kommunistischen
Organisationen hatten sie „noch eine Rechnung offen“. Warum, das beschreibt Paz
auch in diesem dritten Band seiner Biographie anschaulich.
Erneute Flucht
Als Internierte dennoch mit wenig Perspektive versehen, marschierten schließlich
1940 deutsche Soldaten in Frankreich ein, im Schlepptau die Nazibehörden, welche
versuchten, die anarchistischen Spanienkämpfer aufzuspüren, um sie an Franco
auszuliefern. Die Kommunisten dagegen hofften, wegen des Hitler-Stalin-Paktes,
heile aus der Sache herauszukommen und machten bei den Nazis lieb Kind – ein
Trugschluß, wie sich herausstellte. Die Nordhälfte Frankreichs wurde besetzt,
und so flüchtete auch Abel Paz gen Süden von Station zu Station. Mitstreiter
wurden verhaftet und ermordet, andere Bekannte traf er in diesen Wirren erst
wieder. Er selber sollte schon nach Spanien ausgewiesen werden, als ihm noch die
Flucht gelang. Abel Paz war jung, hatte dennoch reichlich Erfahrung während der
spanischen Revolution gesammelt, sah wie viele andere in dieser bedrückenden
Situation kaum einen Ausweg und war zudem nicht gewillt, den ganzen Dreck
einfach zu schlucken: „Entweder wir ergaben uns den Deutschen, oder wir kämpften
in einer Guerilla gegen sie, oder wir gingen in Windeseile nach Spanien zurück.
Uns erwartete auf alle Fälle der Kampf.“
So sammelten sich im Jahre 1942 einige junge Genossen, um wieder nach Spanien
zurückzugehen und den Kampf gegen die Franco-Faschisten erneut aufzunehmen.
Sein feuriges Herz hat Abel Paz nie verloren, außer als internierter
Zwangsarbeiter - an eine junge Dame, ein Zusammensein, das indes nicht lange
halten sollte.
Helge Döhring (Bremen)
Abel Paz: "Im Nebel der Niederlage (1939-1942)", Lich 2009.
Verlag Edition AV. ISBN 978-3-86841-016-7, 242 S., 16 Euro
Aus: Gegenwind, Nr. 252/September 2009
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