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„Reiner Ausdruck des Klassenkampfes“
Besprechung: Abel Paz: Anarchist mit Don Quichottes Idealen. Innenansichten
aus der Spanischen Revolution. Eine Biographie (1936-1939)
Überblicke und Analysen zum Spanischen Krieg und zur Spanischen Revolution gibt
es viele. Wenige sind jedoch in deutscher Sprache veröffentlicht worden von
unbefangenen Beteiligten, welche dieses Anliegen mit ihren eigenen Erfahrungen
koppeln. Einer davon ist George Orwell gewesen, welcher uns ein beeindruckendes
Panorama über die damalige komplizierte Situation Spaniens bietet. Orwell hat
den Nachteil, dass er zum einen nicht über die ganze Dauer aus eigenem Erleben
berichtet und zum anderen, dass er zum großen Teil aus der Optik einer kleinen,
eher unbedeutenden marxistischen Partei spricht.
Beim Verlag Edition AV ist nun der zweite Teil der Autobiographie des
Spanienkämpfers Abel Paz erschienen, der in hoher Schärfe durchgängig die
Innenansichten der Revolution mit Schwerpunkt auf Katalonien schildert. Der aus
dem südspanischen Almeria stammende Autor siedelte als Junge nach Barcelona um,
besuchte dort eine freie libertäre Schule und trat der anarcho-syndikalistischen
„Confederacion nacional del trabajo“ (CNT)-Gewerkschaft wie auch der „Iberischen
anarchistischen Föderation“ (FAI) bei. Am Beginn der Revolution im Juli 1936 war
er 15 Jahre alt und Mitglied der libertären Jugend. Während der Kämpfe streifte
er durch die Strassen um die Barrikaden herum, nahm an Treffen der
anarcho-syndikalistischen Organisationen als Delegierter teil, beobachtete dabei
kritisch Persönlichkeiten wie Federica Montseny, Diego Abad de Santillan oder
Garcia Oliver („sprach in arrogantem Ton“). Am genauesten und beeindruckendsten
beschreibt er das allmähliche Zurückdrängen revolutionärer Errungenschaften in
Barcelona seitens der Regierung und der kommunistischen Organisationen, die
lange Agonie der Freiheit. Er nimmt sich alle Zeit dafür, da die einzelnen
Schritte und Zäsuren sehr lehrreich sind. Wer dabei bisher nur an die oft
geschilderten „Maiereignisse“ denkt, wo kommunistische Kräfte die von der CNT
gehaltene Telefonzentrale militärisch stürmten, wird bei Paz darüber hinaus in
vielen Details und anderweitig fündig. Auch der Frage, was diese verzwickte
Situation für die allgemeine Stimmung in der Stadt und im einzelnen für die
betroffenen Arbeiter und Libertären bedeutete, geht er anschaulich nach, mit
einer guten Portion realistischer Analyse. Dabei folgt er seinen persönlichen
Erlebnissen, der Berichterstattung und (was einigen Nur-Forschern leider abgeht)
gesundem Menschenverstand. Nähe und Distanz zu den Geschehnissen vereinen sich
bei Paz zu einem facettenreichen Gesamtwerk.
„Niemals standen sich in unserem Krieg zwei Heere gegenüber, sondern stets zwei
Klassen: das Proletariat und die Bourgeoisie“
Immer wieder stellt er heraus, dass die CNT-FAI-Führungsebene sich
verselbständigte gegenüber der Mitgliederbasis. Die Opposition gegenüber der
offiziellen anarcho-syndikalistischen Politik fiel schwach aus, ihre Aktivitäten
wurden verboten und bestraft. Das Zentralorgan der CNT, die „Solidaridad Obrera“
stand ganz im Dienste der CNT-Führung und arbeitete dabei mit unlauteren
Mitteln, wie sie sonst nur von der bürgerlichen Presse bekannt sind.
Propagandistisch deckelte und rechtfertigte sie die repressiven Maßnahmen der
Regierung und wieder eingesetzte Polizei, eine Rede Durrutis wurde entscheidend
verfälscht. Auch „drehte“ sie an den ersten Kämpfen zwischen
Anarcho-Syndikalisten und Kommunisten im März 1937 und den ersten Feuergefechten
zwischen ihnen einen Monat später. Der 1. Mai des Jahres wurde in Barcelona
nicht offiziell gefeiert, um den trügerischen inneren Frieden aufrecht zu
erhalten!
Paz betont ausdrücklich: „Eigentlich waren die Straßen fest in den Händen der
CNT und der FAI (…) Man musste nur noch einen Generalangriff (auf die
Stalinisten und katalanischen Nationalisten, Anm. d. A.) organisierten, es wäre
problemlos machbar gewesen. Aber da zogen die CNT-FAI Komitees die Bremse, da
sie glaubten, es seinen noch nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft worden, um
eine bewaffnete Auseinandersetzung zu vermeiden (…) denn eines war uns allen
klar: hätten wir mit ihnen ‚aufräumen’ wollen, wir hätten sie innerhalb von 24
Stunden erledigen können“. Derweil steckten die Stalinisten und ihre
ausführenden Organe immer mehr Arbeiter in die Gefängnisse. Später wurde
gefoltert und gemordet, u.a. die italienischen Anarchisten Camilo Berneri und
Francesco Barbieri.
Da der Autor auch die Landkollektive besuchte, schildert er uns von dort seine
Eindrücke und lässt uns teilhaben an der Kunst und der Arbeit
selbstorganisierter Landwirtschaft. Auch hier kommen Hintergründe und Analysen
nicht zu kurz. Für die Stadt beschreibt Paz anschaulich die konkrete
Organisation des alltäglichen Lebens, der Produktion und der Komitees, der
Arbeitermilizen, ihre Aufgaben und ihre Zusammenkünfte. Und das im Großen, wie
auch im Detail. Desweiteren behandelt er die starke und reaktionäre Partei der
katalanischen Separatisten, von deren Einfluß in anderen Büchern nicht oft die
Rede ist. Mit dem Protokoll des „Nationalen Plenums der libertären Bewegung“ aus
dem Jahr 1938 legt Paz zudem ein wichtiges Dokument offen, welches authentisch
tiefe Einblicke gewährt. Das Buch zeichnet sich im Anhang durch einen
informativen Fußnotenapparat und eine übersichtliche Chronologie aus, leider
fehlt ein Index.
Schluß
Wer meint, die Geschichte der Spanischen Revolution schon zu kennen, wird hier
dennoch allerlei Informationen und Eindrücke finden, dargeboten als spannende
Autobiographie eines Beteiligten, der schlußfolgert: „Was macht das soziale
Leben in einem kleinen oder großen Ort aus? Es ist das soziale Wohlbefinden:
wenn die Bedürfnisse nach Nahrung, gesundheitlicher Versorgung und Kultur
gleichermaßen gedeckt sind. Aber wenn man der Erfüllung dieser Bedürfnisse noch
die kollektive Partizipation in administrativen und politischen Belangen
hinzufügt, ohne dass ein parasitärer bürokratischer Organismus den im kollektiv
erwirtschafteten Mehrwert absorbiert (wie es bei den in der Sowjetunion
durchgesetzten totalitären Regimen der Fall war), kann man sagen, dass ein
solches System eine hohe Stufe im sozialen Streben nach einer klassenlosen
Gesellschaft erreicht hat, dem Streben des utopischen Sozialismus. Das war bei
uns der Fall. (…) Ich glaube, dass die Befreiung des Menschen in seiner
vollständigen Selbstbeherrschung liegen muss, was seine ständige Verantwortung
in allen die Gesellschaft betreffenden Angelegenheiten impliziert.“
Helge Döhring (Bremen) für www.syndikalismusforschung.info, September 2008
Abel Paz: Anarchist mit Don Quichottes Idealen. Innenansichten aus der
Spanischen Revolution. Eine Biographie (1936-1939), Verlag Edition AV, Lich
2008, 293 Seiten, 16 Euro, ISBN 3-936049-97-8
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