„Der arme Teufel“
Erscheinungsort: Münster bei Dieburg
(Hessen)
Erscheinungszeitraum: 1931, Nr. 6 am 30.
September 1931
Erscheinungsrhythmus:
monatlich
Redaktion: Peter Schneider, Münster
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Geschichte: In einem internen
FAUD-Rundschreiben aus dem Jahre 1931 wurde berichtet: „Ich war gestern in
Münster b[ei]. Darmstadt, und zwar hatten wir dort eine Anzahl Interessenten
eingeladen. Meistens jüngere Leute, bis auf zwei ältere, die im deutschen
Baugewerksbund organisiert waren. Die Aussprache war sehr lebhaft. Als
Erfolg hatten wir 4 Neueintritte und zwei Übertritte aus dem Baugewerksbund.
(…) Wir sind mit unserem Aktiv den ganzen Tag unterwegs; Sonntags wird
geschlafen für die ganze Woche. Uns allen täte es leid, wenn wir wieder
arbeiten müßten. Wir hätten dann wirklich keine Möglichkeit, unsere Arbeiten
in der Organisation zu erledigen. Schon allein die beiden Ortszeitungen
nehmen eine Menge Zeit in Anspruch. Auch das Schreiben der Artikel, das
Abziehen usw. Wir müßten zwei Schreibmaschinen sowie einen Greif-Roto haben,
damit wir hier mehr Zeit ersparen könnten. Sind unsere Zeitungen aber
verkauft, so macht es einem verdammt Spaß. Der ‚Arme Teufel’ macht der
Polizei schwer zu schaffen.
Die letzte Nummer wollte man beschlagnahmen. Mit drei Gendarmen kamen sie
dem Genossen Schneider auf die Bude gerückt. Aber zu spät - sie waren alle
unter den Leuten. In einer knappen Stunde waren die 200 Exemplare abgesetzt.
Die Zeitung sollte beschlagnahmt werden, weil ihr Inhalt dazu angetan ist,
‚Die Menschen gegen die bestehende Gesellschaft aufzuwiegeln‘, ferner, weil
‚schwere Beleidigungen der katholischen Kirche‘ darin enthalten seien.
Ein längerer Bericht findet sich im „Syndikalist“ vom 17. Oktober 1931:
„Eine wichtige Entscheidung fällte das Amtsgericht Dieburg (Hessen) am 14.
Oktober 1931. Angeklagt war der Genosse Peter Schneider. Münster wegen
Vergehens gegen § 10 Abs. 2 der Notverordnung vom 28. März 1931, welche
besagt, dass Flugblätter politischen Inhalts mindestens 24 Stunden vor ihrer
Ausgabe der zuständigen Polizeibehörde vorzulegen sind. Genosse Schneider
zeichnet nämlich als Verantwortlicher für die in Münster erscheinende
syndikalistische Dorfzeitung ‚Der arme Teufel’, die monatlich zur Ausgabe
gelangt. Da das Blatt mit Jahrgang versehen und laufend nummeriert ist, so
ist es nicht als Flugblatt, sondern als periodische Druckschrift anzusehen,
welche vor ihrem Erscheinen den zuständigen Behörden nicht vorgelegt zu
werden braucht. Das Kreisamt Dieburg war anderer Auffassung. Es betrachtete
den ‚Armen Teufel’ als zensurpflichtiges Flugblatt und ließ die Nummer 6 der
Ausgabe vom 30. September polizeilich beschlagnahmen. Gegen den
verantwortlichen Schriftleiter wurde Strafantrag gestellt. Am 14. Oktober
stand die Anklage vor dem Amtsgericht in Dieburg zur Verhandlung. Genosse
Schneider gab zu, den ‚Armen Teufel’ gedruckt und verbreitet zu haben. Er
bestritt jedoch entschieden, dass das Blatt als Flugblatt zu bezeichnen sei.
Es sei vielmehr eine Zeitung, die periodisch erscheine, und die nur gegen
Entgelt an Interessenten abgegeben werde. Der § 10 Abs. 2 der Notverordnung
vom 28. März 1931 komme daher nicht in Betracht. Der Anklagevertreter war
jedoch der Meinung, dass solche Druckschriften als Flugblätter und nicht als
Zeitungen zu werten seien und machte den Versuch, seine Behauptung zu
begründen. Er beantragte gegen den verantwortlichen Herausgeber sechs Monate
Gefängnis. In seiner Verteidigungsrede zerpflückte der Genosse Schneider die
Argumentation des Amtsanwaltes und beantragte Freispruch. Das Gericht schloß
sich den Ausführungen des Angeklagten an und sprach ihn auf Kosten der
Staatskasse frei. Periodisch erscheinende Dorf-, Betriebs- und
Erwerbslosenzeitungen usw., auch wenn sie auf dem Wege der handmäßigen
Vervielfältigung hergestellt werden, brauchen vor ihrer Ausgabe nicht der
zuständigen Polizeibehörde vorgelegt zu werden. Sie fallen lediglich unter
das Pressegesetz. Unsere Genossen mögen sich gegebenenfalls auf obiges
Urteil berufen! FAUD, Münster“
Anmerkung: Es ist auch möglich, dass es sich hierbei um „Der arme
Conrad“ handelt, und dem „Syndikalist“ ein Übermittlungsfehler unterlaufen
ist.
Wert für
Syndikalismusforschung: Regional- und Zensurgeschichte
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