„Die proletarische Front“
Untertitel: Kampforgan der Schwarzen
Schar
Herausgeber: Schwarze Scharen, Fred
Schröder, Möncheberg 8 ½, Kassel
Erscheinungsort: Kassel
Erscheinungszeitraum: Nr. 9: April 1931
Auflage: 500
Redaktion: Willi Paul
Inhalt: „Der Brüningfaschismus will die
Arbeiterbewegung erdrosseln“, u.a.
Wert für die Syndikalismusforschung:
Regionalforschung/Schwarze Scharen/Presse- und Zensurgeschichte
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Geschichte: Im
Allgemeinen beschrieben die Kasseler Aktiven ihre Situation so: „Unsere
antifaschistische Schwarze Schar, welche eine aktive revolutionäre Tätigkeit
an den Tag legt, ist seit ihrem Bestehen einer Kette ununterbrochener
Justiz- und Polizeischikanen ausgesetzt. Der Vertrieb unseres Kampforgans
‚Die proletarische Front’ ist dadurch, dass man uns die öffentliche
Verkaufserlaubnis verweigerte, unter den schwierigsten Umständen
durchzuführen. Verhaftungen von Genossen während des Verkaufs und
Beschlagnahmungsversuche von Zeitungen, Verhängung von Geldstrafen werden
von Severings Polizeiorganen vorgenommen. Die Justizmaschinerie arbeitet mit
Volldampf gegen uns.“
Die Kasseler Anarcho-Syndikalisten waren publizistisch sehr rege. Sie
schrieben verhältnismäßig viele Berichte im „Syndikalist“ und brachten
selber zwei Zeitschriften heraus. Zum einen die unregelmäßig erscheinende
„Die proletarische Front - Kampforgan der Schwarzen Schar“ mit einer Auflage
von mehreren Hundert Exemplaren in den Jahren 1930 bis 1933. Sie wurde auch
über die Kasseler Grenzen hinaus in der Gegend um Suhl verteilt.
Sie erreichte eine Auflage von 500 Exemplaren in mindestens sieben Ausgaben.
Verantwortlich dafür war der Tischler Willi Paul, unterstützt von Hermann
Hannibal.
Die Polizei sammelte die einzelnen Ausgaben, und nach Aussagen eines
Kasseler Staatsanwaltes handele es sich bei dieser Zeitung um „eine
hetzerische und von Beleidigungen gegen die Republik und ihre Beamten
wimmelnde Schrift.“ Deshalb beantragte dieser gegen den ermittelten
Verantwortlichen Willi Paul sechs Monate und gegen den Kolporteur Hannibal
drei Monate Gefängnisstrafe. Das Kasseler Schöffengericht, welches die stets
wiederkehrenden Aktiven mittlerweile mit Handschlag begrüßt haben dürfte,
ließ eine Verurteilung Hannibals fallen und legte Mai lediglich eine
Geldstrafe auf, „an Stelle einer an sich verwirkten Gefängnisstrafe“. Denn
die Formulierung „Republik der Bonzen und Geldsäcke“ stelle laut Gericht
keine Beleidigung dar. Übrig blieb gegen den sich offensiv mit
anarchistischen Grundsätzen verteidigenden Willi Paul die Aufforderung zum
Steuerstreik statt des Vergehens gegen das „Republikschutzgesetz“, und die
Anarcho-Syndikalisten kommentierten abschließend: „Sieh mal einer an!“
Dennoch kam es zu nachträglichen Prozessen in derselben Sache gegen Willi
Paul wegen Herstellens der Zeitung. Er wurde zu einer Gefängnisstrafe von
zwei Wochen verurteilt.
Die „proletarische Front“ sprach sich ansonsten besonders gegen die
Regierung Brüning aus und gegen die Notverordnungen: „Der Brüningfaschismus
will die Arbeiterbewegung erdrosseln.“
Bericht im „Syndikalist“: „In der Nummer 23 des ‚Syndikalist’ berichteten
wir von einem Prozeß gegen unsere Kasseler Genossen, der mit einem
Gefängnisurteil gegen den Genossen Mai wegen Aufforderung zum Steuerstreik
endete. Inzwischen standen wieder die Genossen Paul und Hannibal vor dem
Schöffengericht, um sich wegen Vergehens gegen das Republikschutzgesetz und
ebenfalls wegen Aufforderung zum Steuerstreik durch Redaktion und
Verbreitung der ‚Proletarischen Front’ zu verantworten. Genosse Paul
verteidigte sich in längeren Ausführungen und begründete durch Hinweis auf
unsere Theoretiker die anarchistische Beurteilung des Staates. Der
Staatsanwalt bezeichnete die ‚Proletarische Front’ als eine hetzerische und
von Beleidigungen gegen die Republik und ihre Beamten wimmelnde Schrift. Er
beantragte gegen Paul eine Gefängnisstrafe von 6 Monaten und eine Geldstrafe
von 50 Mark, gegen Hannibal wegen Vertrieb der Zeitung 5 Monate Gefängnis.
Das Gericht konnte sich aber doch wohl nicht auf die Haltlosigkeit dieser
Anklagen einlassen und verurteilte den Genossen Paul zu einer Geldstrafe von
140 Mark, an Stelle einer an sich verwirkten Gefängnisstrafe von 4 Monaten’.
Interessant war es, dass das Gericht in der Urteilsbegründung ausführte, die
Bezeichnung ‚Republik der Bonzen und Geldsäcke’ sei keine Beleidigung. Wie
gesagt, das ist die Meinung eines Kasseler Gerichts. Sieh mal einer an!“ |