„Die Schöpfung“
Untertitel: Sozialrevolutionäres Organ
für das sozialistische Neuland
Herausgeber: Freie Arbeiter-Union
(Syndikalisten) Rheinland-Westfalen
Erscheinungsort: Düsseldorf
Erscheinungszeitraum: 01. Juli 1921 - 18.
Oktober 1923
Erscheinungsrhythmus: Von August bis
Oktober 1921 täglich, danach wöchentlich
Seitenzahl: 4
Verlag: Adlerstrasse 84, Düsseldorf
Druck: Johann Dobler, Karlstrasse 16,
Düsseldorf
Redaktion: Heinrich Drewes („Titanus“),
Adlerstrasse 84, Düsseldorf, Fritz Köster („Cyclop“)
Preßkommission: Fritz Beyermann
Beiträge von: Wilhelm Berg, Heinrich
Bergmann, Kurt Franke (Teuchern), Wilhelm Hagemann, Max Hölz, Fritz Kater,
Gustav Kindel, Eugen Klein, Alfred Köhler, Alfred Metz, Friedrich Minck,
Richard Nolden, Fritz Oerter, Alois Paul („Espero“, 1932 aus der FAUD raus),
Anton Rosinke, Josef Rösler, Leo Tolstoi, u.a.
Rubriken: „Aus unserer Bewegung“,
„Vereinskalender“, „Wirtschaft und Politik“, „Gewerkschaftliches“,
„Versammlungen und Veranstaltungen“, „Bergarbeiterfragen“, „Frauenfragen“,
„Internationales“, „Soziale Streiflichter“, „Siedlungswesen“, „Aus der
Jugendbewegung“, u.a.
Inhalt u.a.: „Die Siedlungsfrage“, „Für
die Errichtung der ‚freien’ Schule“, „Der Fetisch der Republik“, „Die
Kommunistische Partei auf dem Pfade des Nationalismus“, „Die Unschuld Saccos
und Vanzettis festgestellt“, „Ein Blick nach Sowjet-Rußland“, „Die 1.
Reichsarbeiter-Börsenkonferenz der FAUD“, „Auf die Schanzen, Bergarbeiter!“,
„Die moderne Zwingburg des Kapitalismus“, „Die Diktatur der Gewerkschaften
als verhängnisvolle Folge der Arbeitsgemeinschaft“, „Schlichtungsordnung und
gewerkschaftlicher Terror“, „Die Sozialisierung von unten“, „Die
Prostitution des Allg. Deutschen Gewerkschaftsbundes“, „Syndikalismus und
Kirche“, „Der 14. Kongress der FAUD“, „Käthe Kollwitz“, „Der Kampf um die
Ruhr“, „Der Fluch des Nationentums“, Verantwortlichkeit und direkte Aktion
im Klassenkampf“, „Produktions- u. Konsumtionsgemeinschaft Freie Menschen“,
„Probleme der sozialen Revolution“, „Konferenz der der Agitationskommission
Rheinland angeschlossenen Ortsgruppen“, „Krieg oder Sozialismus? Volk
wähle!“, „Sowjetstern und Hakenkreuz“, „Wir Syndikalisten und die
Rheinlandfrage“, u.a.
Beilage: „Unterhaltungsbeilage“
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Geschichte:
Die „Schöpfung“ wurde gegründet, weil nicht alle
Nachrichten aus dem Rheinland mehr in der Berliner Wochenzeitung „Der
Syndikalist“ platzfinden konnten. Denn das Rheinland war nach dem Ersten
Weltkrieg neben Berlin zu einem weiteren Zentrum des Anarcho-Syndikalismus
aufgestiegen mit Zehntausenden von Mitgliedern. Notgedrungen mussten Artikel
schon in örtlichen kommunistischen Zeitungen („Freiheit“) gedruckt werden:
„Leider haben wir kein anderes revolutionäres Organ für die Arbeiterschaft
in unserem Bezirk. Sonst hätten wir die ‚Freiheit’ längst gesperrt. Wenn wir
ein syndikalistisches Ersatzorgan hätten, würden wir sofort dieses
Schmierblatt hinwerfen. (…) Der Syndikalismus wird am schärfsten bekämpft
von der KPD. Wir haben gegen die Schreibweise der ‚Freiheit’ die schärfste
Stellung genommen. Wir haben uns in Düsseldorf dahin geeinigt, politische
Fragen möglichst von einem Gewerkschaftskongreß auszuscheiden.“ Aus der in
Duisburg erscheinenden „Freiheit“ wurde zitiert: „In wenigen Wochen werden
die syndikalistischen Querköpfe sich beschränkt sehen auf sich und einen
kleinen Klub.“
Da dies für die Syndikalisten kein haltbarer Zustand war, wurde die Gründung
einer anarcho-syndikalistischen Zeitung für Rheinland-Westfalen geplant. Wie
wichtig dies war, lässt sich daran erkennen, dass die „Schöpfung“ im August
1921 als Tageszeitung startete und als solche bis zum Oktober desselben
Jahres bestehen blieb. Bis heute blieb sie die einzige
anarcho-syndikalistische Tageszeitung in Deutschland! Danach erschien sie
weiter als Wochenzeitung. Die Zeitung kündigte sich im „Syndikalist“ an mit
den Worten: „Die Schöpfung, sozialrevolutionäre Zeitung für das
sozialistische Neuland. Einem tiefgewurzelten Drange Rechnung tragend,
beabsichtigen die Syndikalisten des rheinischen Industriebezirkes, eine
Tageszeitung zu gründen, die den am Kopf stehenden Namen tragen soll. Die
Gründung des Organs ergibt sich mit Notwendigkeit aus den immer chaotischer
werdenden Zuständen, die nach einer Klärung förmlich schreien. Die gesamte
Presse der politischen Parteien und der Gewerkschaften hat ihre Unfähigkeit
bewiesen, sozialistische Aufklärungs- und Erziehungsarbeit zu leisten. Ihre
Politik führt mit verderblicher Sicherheit die Reaktion zum Siege, denn sie
vermögen den Sinn der Revolution nicht zu erkennen, weil sie es nicht
wollen. Hinzu kommt, daß die angeführten Organisationen, um ihre eigene
Schwäche und Unfruchtbarkeit zu verbergen, ihre Angriffe gegen den
Syndikalismus richten, die dieser entweder überhaupt nicht oder nur in sehr
unvollkommener Weise erwidern kann. Die ganze Zerrissenheit der
Arbeiterschaft ist in den parteipolitischen Strömungen begründet, und der
Fraktionsgeist ist wie ein zersetzendes Gift bis in die feinsten Kanäle des
Volkskörpers eingedrungen. Nur eine von jeder Parteischablone befreite
Presse ist imstande, diesen zersetzenden Erscheinungen entscheidenden
Widerstand entgegenzustellen und die Gewähr für eine sozialistische
Erkenntnis zu bieten. Von diesen Grundgedanken geleitet, glauben die
Syndikalisten, durch die Schaffung ‚Die Schöpfung’ ein unbezweifelbares
Kulturwerk an der Arbeiterschaft zu leisten, für das alle diejenigen ein
Interesse haben dürften, die über den Parteibann hinaus sich einen Sinn für
freies Menschtum bewahrt haben. Die Zeitung erscheint vom 1. Juli ab dreimal
wöchentlich für die ersten Wochen und kostet für diese Erscheinungsweise 5
Mark im Monat. Nach Druck der ersten Nummern werden für das tägliche
Erscheinen sofort die nötigen Schritte eingeleitet und die veränderten
Bedingungen bekanntgegeben. Geschäfts- und Schriftleitung der ‚Schöpfung’
befinden sich in Düsseldorf, Immermannstraße 48, im Hof, Fernsprecher 6404.
Verlag der Schöpfung“.
Die Zeitung verstand sich dabei durchaus als eine Art Avantgarde unter der
syndikalistischen Presse, wie es am Rande des 13. FAUD-Kongresses zu
Ausdruck kam: „Auch unsere Berliner Geschäftskommission wird in Verfolg des
Beschlusses gezwungen werden, sich für die Schaffung syndikalistischer
Tageszeitungen einzusetzen, damit unsere Angehörigen nicht weiter dem
Einfluß der Parteipresse ausgeliefert werden. Die ‚Schöpfung’ ist
Bahnbrecher für diese Idee und Tatsache in Deutschland geworden. Tief und
brennend ist das Verlangen, sie auszubauen, redaktionell sowohl wie
technisch, damit sie ihre Aufgabe, Wegweiserin für zukünftiges
syndikalistisches Pressewesen zu sein, erfüllen kann.“
In einem Rückblick der Redaktion unter dem Titel
„Ein Jahr Schöpfung“ hieß es: „(…) Ein Jahr, was will das besagen in dem
ewigen Kreislauf der Dinge, und ein Organ mehr oder weniger, was spielt das
in der Fülle der Gesamterscheinungen für eine Rolle. Und doch verknüpft sich
mit der Schöpfung ein Stück Geschichte der syndikalistisch-anarchistischen
Bewegung. Es war der erste Versuch in Deutschland, unserer Bewegung eine
Tageszeitung zu schaffen, deren Ausgestaltung zwar mit mancherlei Schwächen
behaftet war, die aber trotz alledem als ein hervorragendes Werbemittel für
die Entwicklung unserer Ideenwelt angesehen werden mußte. Wenn der Wurf
nicht zum ersten Male gelang, so tut das der Wichtigkeit der Idee und der
Notwendigkeit ihrer Durchführung keinen Abbruch. Nachdem in
Rheinland-Westfalen der Boden für die Gründung einer
syndikalistisch-anarchistischen Tageszeitung streckenweise sehr stark
vorbereitet worden war, zwang der von unten auf einsetzende Druck ihre
Verwirklichung uns sozusagen von selbst auf. So erblickte denn am 1. Juli
1921, nach umfangreichen Vorbereitungen und vielen Sitzungen und Beratungen,
die Nummer 1 der Schöpfung das Licht der Welt. Die Würdigung alles dessen,
was, mit unserm Organ verbunden, hinter uns liegt, wird vielleicht einmal
einer späteren Zeit vorbehalten bleiben müssen.
Bekanntlich hat die Schöpfung keineswegs restlose Anerkennung in unserer
Bewegung gefunden und erfreut sich ihrer auch heute noch nicht. Das wollen
wir an dieser Stelle ohne Bitterkeit, aber doch den Tatsachen gemäß,
aussprechen. Es ist ihr so gegangen, wie allen Neuen, das in keineswegs
vollkommener Gestalt Geltung zu erlangen versucht. Wäre der Baum gleich auf
den ersten Hieb gefallen, so hätte sich der ursprüngliche Pessimismus
wahrscheinlich in Optimismus verwandelt, und das Werk der
rheinisch-westfälischen Kameraden wäre vermutlich ebenso gelobt worden, wie
es vielfach getadelt wurde. Unbeeinflußt aber ob der Parteien Gunst oder Haß
soll sich die Schöpfung trotz alledem durchsetzen. Das wird sicher der
Auffassung des größten Teiles der Leser entsprechen. Allen Föderationen, die
mit Energie das Werk aufbauen halfen, und sie ist zum Teil stark darin zum
Ausdruck gekommen, sei am ersten Jahrestage noch einmal die Anerkennung
darüber ausgesprochen. Wenn der Gedanke der Tageszeitung nicht durchgehalten
werden konnte, vielmehr nur vom August bis November 1921, so lag das an den
großen Schwierigkeiten, die gerade für ein syndikalistisch-anarchistisches
Tagesorgan sich einstellten. Diese sachlich zu würdigen und sie nutzbringend
zu verwerten, soll einmal einer besonderen Betrachtung vorbehalten bleiben.
Deshalb sind die Bemühungen der Ortsgruppe um so höher zu bewerten. Dass der
Gedanke der Tageszeitung nicht fallen gelassen ist, beweisen die Wünsche
zahlreicher Kameraden, sie als solche wieder zu besitzen. Hoffen wir, dass
sich dieser Wunsch, wenn auch nicht sofort, so doch mit der Zeit
verwirklichen läßt, dergestalt etwa, dass zunächst eine
zweimalige-wöchentliche Herausgabe ermöglicht würde. So trete denn die
Schöpfung in den zweiten Jahrgang ein mit dem Leitgedanken, praktisch
verwirklicht: „Die Befreiung der Arbeiterschaft kann nur das Werk der
Arbeiterklasse selbst sein“.
Von Verbot zu
Verbot
Vom 16. Januar bis zum 15. März 1923 unterlag
die „Schöpfung“ einem Verbot, ausgesprochen vom „Oberpräsident der
Rheinprovinz“, mit der Begründung, in einer Ausgabe vom Dezember 1922 den
Reichspräsidenten beleidigt zu haben.
Das verstieß gegen § 8 Ziffer 1 des Gesetzes zum Schutze der Republik vom
21. Juli 1922. Ähnliche Paragraphen der „Majestätsbeleidigung“ haben eine
lange Tradition bis heute. Nur dass die inkriminierten Textpassagen aus der
„Schöpfung“ damals tatsächlich keinerlei Anlaß boten. Die Redaktion sah das
Verbot demnach auch als unhaltbar an und legte Widerspruch ein, den sie
offensiv vertrat: „An den Oberpräsidenten der Rheinprovinz Koblenz a. Rh.
Gegen das Verbot der Schöpfung wird hiermit Beschwerde eingelegt. Der
fragliche Artikel enthält weder eine Beschimpfung noch eine Beleidigung des
Reichspräsidenten, sondern eine Wahrheit. Und eine Wahrheit kann niemals
eine Beschimpfung sein. Schriftleitung der Schöpfung [Heinrich] Drewes.“
Und obwohl die Beschwerde gegen die Verfügung „keine aufschiebende Wirkung“
hatte, wurden auch für den Verbotszeitraum weiterhin Ausgaben der
„Schöpfung“ herausgegeben, eine mit einem Spottgedicht auf den
Polizeioberpräsidenten Fuchs versehen: „Zum Verbot der Schöpfung
Der bange Fuchs!
Du bild’st dir ein,
so listig wie ein Fuchs zu sein,
doch deine Dummheit
war furchtbar, riesengroß!
Weil unsere Unbeugsamkeit
erniedrigt Dich zum Trauerkloß.
Nicht weil das Vaterland
beschimpft oder bedroht,
schrieb Deine ‚kühne’ Hand
der ‚Schöpfung’ ihr Verbot.
Nein! Was das belangt,
so kennen wir die Gründe:
Weil es den Herren ‚Füchsen’ bangt
um ihre fetten Pfründe.“
Die
Beschwerde wurde indes vom „Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik“
abgelehnt. Die beanstandeten Zeilen bezogen sich auf eine weiter vorliegende
Kritik in der ‚Schöpfung’, Nr. 13 vom 22. September 1922 am
Reichspräsidenten Friedrich Ebert (SPD). Dort stand zu lesen: „Darin, daß
der sozialdemokratische Biedermeier Ebert bei jeder Volksempörung - und jede
Volksempörung ist ihrer Natur nach berechtigt, denn sonst wäre sie nicht -
den Ausnahmezustand verhängt, Todesurteile vollstrecken lässt, den Hunger
des Volkes mit Pulver und Blei stillt und selbst ein Schlemmerdasein führt,
das mit seinen berüchtigt gewordnen Bierabenden eine Gemeinheit schlimmster
Art ist, die die im Hunger verkommenden Massen geradezu aufreizen müssen?“
Diese „Beschimpfungen“ würden mit der Dezemberausgabe aufrecht erhalten
werden, so der „Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik“ in einer eigens
für die ‚Schöpfung’ anberaumten Sitzung vom 15. Februar 1923, an welcher ein
Senatspräsident, zwei Reichsgerichtsräte ein Staatsminister A.D., ein
Geheimer Hofrat, ein Verbandsgeschäftsführer und -vorsitzender und andere
Rechtsgelehrte teilnahmen: „Denn es wird darin mit aller Schärfe zum
Ausdruck gebracht, dass der Reichspräsident unter gröblicher Verletzung des
von ihm gemäß Art. 42 RB. geleitsteten Amtseids schnöden Gewinnes wegen
Regierungsmaßnahmen treffe, die seiner besseren Einsicht zuwiderliefen, und
die ihm deshalb der allgemeinen Verachtung preisgäben.“ Dafür anstößig sei
der Absatz in der ‚Schöpfung’: „Gegen den proletarischen Emporkömmling,
nenne er sich, wie er wolle, betätige er sich in der Schreibstube und
schmiere Zeilen zusammen oder bekleide er auch das höchste Staatsamt, der
nichts weiter kenne, als seine früheren Klassengenossen zu verleugnen, zu
piesacken und zu tyrannisieren, nachdem er erst auf ihren Schulten empor
geklettert ist (…) Das ist so ziemlich das Widerlichste, was es für uns gibt
auf der Welt.“ Wahre Worte der ‚Schöpfung’, an welcher „alle juristische
Weisheit des Staatsgerichtshofes“ abpralle. Und die Schöpfung kommentierte
dieses dortselbst dokumentierte Schriftstück des Staatsgerichtshofes: „Wir
behaupten: ein Proletarier, der es ehrlich mit dem Ringen seiner
Klassengenossen meint, kann niemals Präsident eines bürgerlichen
Staatswesens sein oder sonst ein Staatsamt bekleiden. Tut er es aber, dann
ist er eben nicht ehrlich gewesen. Ein anderes gibt es nicht. Darin liegt
die zwingenden Gewalt grundsätzlicher Verneinung des bürgerlichen Staats-
und Klassenwesens, die unüberbrückbare Kluft zwischen proletarischer und
bürgerlicher Weltanschauung.“ Bürgerliche Staatsweisheit sei „Unsinn!
Quatsch! Blödsinn! Grausamkeit! Verbrechen!“, und die „Schöpfung“ übertrug
ihre Kritik am Reichspräsidenten auf die gesamte Sozialdemokratie, welche
sich in der Rolle gefalle, „halb Narr, halb Bedienter des Bürgertums“ zu
sein. Das Schreiben des Staatsgerichtshofes kommentierte die „Schöpfung“
abschließend mit den Worten: „Für Geiste, Vernunft und Sachlichkeit haben
wir stets hohe Anerkennung. Da die ‚Gründe’ des Staatsgerichtshofes dieses
vermissen lassen, haben wir für sein Produkt die Bewertung, wie er für das
unsrige. Möge das Proletariat nur dafür sorgen, dass es die Zwingburgen des
Bürgertums, als da sind, das Militär, die Justiz, die Polizei, die
Verwaltungsmaschinerie, bei kommenden Umwälzungen gründlich zerstört. Dann
wird es weder die ‚republikanische Staatsform’, noch die Ehre des Herrn
Ebert zu retten geben, dafür aber das Volk mit Glück und Wohlstand, Friede
und Freude gesegnet werden. Schriftleitung der Schöpfung“
Und so erschien die „Schöpfung“ auch weiterhin
jede Woche, unterbrochen nur von einem Druckerstreik und schließlich arg
bedrängt durch die aufkommende Inflation des Jahres 1923, welche auf
wirtschaftlicher Ebene durchsetzte, was die Staatsmacht nicht schaffte: Die
Einstellung der „Schöpfung“: „Wichtige Mitteilung des Verlags Unsrem Organ
droht eine neue schwere Krisis. Nachdem durch die Unterstützungsaktionen der
einzelnen Ortsgruppen die wochenlang schleichende Gefahr fast überwunden
war, und der Verlag glaubte, schon aufatmen zu können, machte der Drucker
der Schöpfung uns die Mitteilung, dass er nur die vorliegende und die
nächste Nummer noch drucken könne. Sein Papiervorrat ist aufgebraucht
worden, und zum Kauf weiterer Papiermengen fehlen ihm die nötigen Barmittel.
Er stellte deshalb an den Verlag das Ansinnen, selbst für den Einkauf von
Papier besorgt zu sein, und machte zu dem Zwecke Zahlenangaben, die geradezu
ins Phantastische gehen. Für etwa 2.000 Kilogramm Papier, das bei der
gegenwärtigen Auflage der Schöpfung nur für etwa 6 Nummern reicht, wurde ein
Papierpreis von etwa 130 Milliarden Mark errechnet. Diese Summe müsste von
den Organisationen dem Verlag zur Verfügung gestellt werden, um das
Weitererscheinen des Organs sicherzustellen. Die Ortsgruppen ersehen daraus,
um was es geht. Der Verlag und die Preßkommission haben zu dieser erneuten
schwierigen Situation Stellung genommen, sind jedoch ebenfalls gebunden an
die Übermacht der widrigen Verhältnisse. Die Anknüpfung anderweiter
Geschäftsverbindungen hängt auch wieder nur von den genügenden Mengen
Barmitteln ab, da kein Drucker ohne diese heute Druckaufträge annimmt und
auch, namentlich bei dem gegenwärtigen Umfang unseres Organs immer von der
Beschaffung des Papiers oder der Bereitstellung der Mittel dazu abhängig
macht. Wir geben schon heute den Organisationen Kenntnis von dieser
Situation, damit sie Stellung dazu nehmen können. Eine erweiterte
Preßkommission ist ins Auge gefasst worden. An der Sachlage wird sie jedoch
ebenfalls nichts ändern können, da dieses, wie genügend dargelegt, nur eine
Geldfrage ist. Der finanzielle Stand der Schöpfung ist nach wie vor günstig.
Durch ihre geschickte Preispolitik, die bis jetzt nur bei einer einzigen
Ortsgruppe Anstoß erregte, insofern, als diese eine unseres Erachtens
unrichtige Preisvergleichung anderer Organe unserer Richtung heranzog, war
sie fast über den Berg hinweg und konnte mit größerer Sicherheit der
mächtigen Inflationswelle gebieten. Wenn nunmehr infolge der angegebenen
Sachlage eine zeitweilige Einstellung des Druckes der Schöpfung unvermeidbar
sein sollte, dann wissen die Organisationen, woran es liegt. Wir bemerken
noch, dass infolge eines Mißverständnisses eines Setzers bei einem kleinen
Teile der Auflage der vorigen Nummer (11) der Preis der Nr. 10 ungeändert
blieb mit 125.000 M. Die Nr. 11 kostete 250.000 M, was wir bei der Zahlung
zu berücksichtigen bitten. Die vorliegende Nummer kostet 800.000 M, was
immer im Vergleich zu anderen Zeitungen noch kein übermäßiger Preis ist, da
heute fast keine Zeitung (auch vierseitige) mehr unter 1 Million Mark zu
haben ist. Verlag und Preßkommission der Schöpfung.
Wenngleich nach der Inflationszeit des Herbstes
1923 keine weiteren Ausgaben der „Schöpfung“ mehr erfolgen sollten, so
liefen die Projektvorbereitungen noch im Februar 1924 weiter: „An alle
Anarcho-Syndikalisten Deutschlands! Kameraden! Durch die im Herbst vorigen
Jahres eingetretene Geldinflation mußte die ‚Schöpfung’ ihr Erscheinen
einstellen. Heute ist es unbedingt notwendig, dieselbe wieder ins Leben zu
rufen. Die riesenhaften wirtschaftlichen Kämpfe, sowie die eigenartige
Struktur der Rheinlande fordern gebieterisch das Erscheinen eines Organs des
revolutionären Anarcho-Syndikalismus in Rheinland-Westfalen. Alle
Ortsgruppen, die bisher Abonnenten waren, werden gebeten, soweit sie noch
Beträge dem Verlag schulden, dieselben umgehend zu begleichen. Des weiteren
bitten wir, dem Verlag im Solidaritätswege die Möglichkeit des
Wiedererscheinens zu erleichtern durch Überweisung von Geldern in Form als
Pressefonds oder Vorschüssen, die zurückgezahlt werden sollen. Die
bisherigen Post- sowie Einzelbezieher werden ersucht, Bestellungen unter
genauer Angabe der Adresse wie der Zahl der Exemplare an den Verlag zu
richten. Besonders ist darauf zu achten, dass nur soviel Exemplare bestellt
werden, wie auch bezahlt werden können. Sobald die notwendigen Mittel
aufgebracht sind, wird eine erweiterte Pressekommissionssitzung einberufen,
der die bereits getätigte Schlußabrechnung vorgelegt wird. Alle Gelder sind
durch das Postscheckamt Essen Nr. 19429 zu überweisen unter genauer Angabe
zu welchem Zweck, (Vorschuß oder Pressefonds) Adresse: Verlag ‚Die
Schöpfung’, Düsseldorf, Beuth- und Schirmerstrasse. Ecke. Die eingelaufenen
Gelder werden in der Presse veröffentlicht. Die Pressekommission, I.A.:
Fritz Beyermann, Obmann.“
Standorte: IISG-Amsterdam, ISB-Bochum, SUUB-Bremen, CIRA-Lausanne
Wert für
Syndikalismusforschung: Sehr wichtiges Organ! Sollte bei
Studien parallel zum „Syndikalist“ durchgeschaut werden, da auch
überregionales Aufnahme fand. Für die Regionalforschung unverzichtbar.
„Die Schöpfung“, Nr. 1/Juni 1922.
„Die Schöpfung“, Nr. 12 (20.09.1923).
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