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„Die Schöpfung“

 

Untertitel: Sozialrevolutionäres Organ für das sozialistische Neuland

 

Herausgeber: Freie Arbeiter-Union (Syndikalisten) Rheinland-Westfalen

 

Erscheinungsort: Düsseldorf

 

Erscheinungszeitraum: 01. Juli 1921 - 18. Oktober 1923

 

Erscheinungsrhythmus: Von August bis Oktober 1921 täglich, danach wöchentlich

 

Seitenzahl: 4

 

Verlag: Adlerstrasse 84, Düsseldorf

 

Druck: Johann Dobler, Karlstrasse 16, Düsseldorf

 

Redaktion: Heinrich Drewes („Titanus“), Adlerstrasse 84, Düsseldorf, Fritz Köster („Cyclop“)

 

Preßkommission: Fritz Beyermann

 

Beiträge von: Wilhelm Berg, Heinrich Bergmann, Kurt Franke (Teuchern), Wilhelm Hagemann, Max Hölz, Fritz Kater, Gustav Kindel, Eugen Klein, Alfred Köhler, Alfred Metz, Friedrich Minck, Richard Nolden, Fritz Oerter, Alois Paul („Espero“, 1932 aus der FAUD raus),[1] Anton Rosinke, Josef Rösler, Leo Tolstoi, u.a. 

 

Rubriken: „Aus unserer Bewegung“, „Vereinskalender“, „Wirtschaft und Politik“, „Gewerkschaftliches“, „Versammlungen und Veranstaltungen“, „Bergarbeiterfragen“, „Frauenfragen“, „Internationales“, „Soziale Streiflichter“, „Siedlungswesen“, „Aus der Jugendbewegung“, u.a.

 

Inhalt u.a.: „Die Siedlungsfrage“, „Für die Errichtung der ‚freien’ Schule“, „Der Fetisch der Republik“, „Die Kommunistische Partei auf dem Pfade des Nationalismus“, „Die Unschuld Saccos und Vanzettis festgestellt“, „Ein Blick nach Sowjet-Rußland“, „Die 1. Reichsarbeiter-Börsenkonferenz der FAUD“, „Auf die Schanzen, Bergarbeiter!“, „Die moderne Zwingburg des Kapitalismus“, „Die Diktatur der Gewerkschaften als verhängnisvolle Folge der Arbeitsgemeinschaft“, „Schlichtungsordnung und gewerkschaftlicher Terror“, „Die Sozialisierung von unten“, „Die Prostitution des Allg. Deutschen Gewerkschaftsbundes“, „Syndikalismus und Kirche“, „Der 14. Kongress der FAUD“, „Käthe Kollwitz“, „Der Kampf um die Ruhr“, „Der Fluch des Nationentums“, Verantwortlichkeit und direkte Aktion im Klassenkampf“, „Produktions- u. Konsumtionsgemeinschaft Freie Menschen“, „Probleme der sozialen Revolution“, „Konferenz der der Agitationskommission Rheinland angeschlossenen Ortsgruppen“, „Krieg oder Sozialismus? Volk wähle!“, „Sowjetstern und Hakenkreuz“, „Wir Syndikalisten und die Rheinlandfrage“, u.a.

 

Beilage: „Unterhaltungsbeilage“

 

 

Geschichte:

 

Die „Schöpfung“ wurde gegründet, weil nicht alle Nachrichten aus dem Rheinland mehr in der Berliner Wochenzeitung „Der Syndikalist“ platzfinden konnten. Denn das Rheinland war nach dem Ersten Weltkrieg neben Berlin zu einem weiteren Zentrum des Anarcho-Syndikalismus aufgestiegen mit Zehntausenden von Mitgliedern. Notgedrungen mussten Artikel schon in örtlichen kommunistischen Zeitungen („Freiheit“) gedruckt werden: „Leider haben wir kein anderes revolutionäres Organ für die Arbeiterschaft in unserem Bezirk. Sonst hätten wir die ‚Freiheit’ längst gesperrt. Wenn wir ein syndikalistisches Ersatzorgan hätten, würden wir sofort dieses Schmierblatt hinwerfen. (…) Der Syndikalismus wird am schärfsten bekämpft von der KPD. Wir haben gegen die Schreibweise der ‚Freiheit’ die schärfste Stellung genommen. Wir haben uns in Düsseldorf dahin geeinigt, politische Fragen möglichst von einem Gewerkschaftskongreß auszuscheiden.“ Aus der in Duisburg erscheinenden „Freiheit“ wurde zitiert: „In wenigen Wochen werden die syndikalistischen Querköpfe sich beschränkt sehen auf sich und einen kleinen Klub.“[2] Da dies für die Syndikalisten kein haltbarer Zustand war, wurde die Gründung einer anarcho-syndikalistischen Zeitung für Rheinland-Westfalen geplant. Wie wichtig dies war, lässt sich daran erkennen, dass die „Schöpfung“ im August 1921 als Tageszeitung startete und als solche bis zum Oktober desselben Jahres bestehen blieb. Bis heute blieb sie die einzige anarcho-syndikalistische Tageszeitung in Deutschland! Danach erschien sie weiter als Wochenzeitung. Die Zeitung kündigte sich im „Syndikalist“ an mit den Worten: „Die Schöpfung, sozialrevolutionäre Zeitung für das sozialistische Neuland. Einem tiefgewurzelten Drange Rechnung tragend, beabsichtigen die Syndikalisten des rheinischen Industriebezirkes, eine Tageszeitung zu gründen, die den am Kopf stehenden Namen tragen soll. Die Gründung des Organs ergibt sich mit Notwendigkeit aus den immer chaotischer werdenden Zuständen, die nach einer Klärung förmlich schreien. Die gesamte Presse der politischen Parteien und der Gewerkschaften hat ihre Unfähigkeit bewiesen, sozialistische Aufklärungs- und Erziehungsarbeit zu leisten. Ihre Politik führt mit verderblicher Sicherheit die Reaktion zum Siege, denn sie vermögen den Sinn der Revolution nicht zu erkennen, weil sie es nicht wollen. Hinzu kommt, daß die angeführten Organisationen, um ihre eigene Schwäche und Unfruchtbarkeit zu verbergen, ihre Angriffe gegen den Syndikalismus richten, die dieser entweder überhaupt nicht oder nur in sehr unvollkommener Weise erwidern kann. Die ganze Zerrissenheit der Arbeiterschaft ist in den parteipolitischen Strömungen begründet, und der Fraktionsgeist ist wie ein zersetzendes Gift bis in die feinsten Kanäle des Volkskörpers eingedrungen. Nur eine von jeder Parteischablone befreite Presse ist imstande, diesen zersetzenden Erscheinungen entscheidenden Widerstand entgegenzustellen und die Gewähr für eine sozialistische Erkenntnis zu bieten. Von diesen Grundgedanken geleitet, glauben die Syndikalisten, durch die Schaffung ‚Die Schöpfung’ ein unbezweifelbares Kulturwerk an der Arbeiterschaft zu leisten, für das alle diejenigen ein Interesse haben dürften, die über den Parteibann hinaus sich einen Sinn für freies Menschtum bewahrt haben. Die Zeitung erscheint vom 1. Juli ab dreimal wöchentlich für die ersten Wochen und kostet für diese Erscheinungsweise 5 Mark im Monat. Nach Druck der ersten Nummern werden für das tägliche Erscheinen sofort die nötigen Schritte eingeleitet und die veränderten Bedingungen bekanntgegeben. Geschäfts- und Schriftleitung der ‚Schöpfung’ befinden sich in Düsseldorf, Immermannstraße 48, im Hof, Fernsprecher 6404. Verlag der Schöpfung“.[3] Die Zeitung verstand sich dabei durchaus als eine Art Avantgarde unter der syndikalistischen Presse, wie es am Rande des 13. FAUD-Kongresses zu Ausdruck kam: „Auch unsere Berliner Geschäftskommission wird in Verfolg des Beschlusses gezwungen werden, sich für die Schaffung syndikalistischer Tageszeitungen einzusetzen, damit unsere Angehörigen nicht weiter dem Einfluß der Parteipresse ausgeliefert werden. Die ‚Schöpfung’ ist Bahnbrecher für diese Idee und Tatsache in Deutschland geworden. Tief und brennend ist das Verlangen, sie auszubauen, redaktionell sowohl wie technisch, damit sie ihre Aufgabe, Wegweiserin für zukünftiges syndikalistisches Pressewesen zu sein, erfüllen kann.“[4]

 

In einem Rückblick der Redaktion unter dem Titel „Ein Jahr Schöpfung“ hieß es: „(…) Ein Jahr, was will das besagen in dem ewigen Kreislauf der Dinge, und ein Organ mehr oder weniger, was spielt das in der Fülle der Gesamterscheinungen für eine Rolle. Und doch verknüpft sich mit der Schöpfung ein Stück Geschichte der syndikalistisch-anarchistischen Bewegung. Es war der erste Versuch in Deutschland, unserer Bewegung eine Tageszeitung zu schaffen, deren Ausgestaltung zwar mit mancherlei Schwächen behaftet war, die aber trotz alledem als ein hervorragendes Werbemittel für die Entwicklung unserer Ideenwelt angesehen werden mußte. Wenn der Wurf nicht zum ersten Male gelang, so tut das der Wichtigkeit der Idee und der Notwendigkeit ihrer Durchführung keinen Abbruch. Nachdem in Rheinland-Westfalen der Boden für die Gründung einer syndikalistisch-anarchistischen Tageszeitung streckenweise sehr stark vorbereitet worden war, zwang der von unten auf einsetzende Druck ihre Verwirklichung uns sozusagen von selbst auf. So erblickte denn am 1. Juli 1921, nach umfangreichen Vorbereitungen und vielen Sitzungen und Beratungen, die Nummer 1 der Schöpfung das Licht der Welt. Die Würdigung alles dessen, was, mit unserm Organ verbunden, hinter uns liegt, wird vielleicht einmal einer späteren Zeit vorbehalten bleiben müssen.[5] Bekanntlich hat die Schöpfung keineswegs restlose Anerkennung in unserer Bewegung gefunden und erfreut sich ihrer auch heute noch nicht. Das wollen wir an dieser Stelle ohne Bitterkeit, aber doch den Tatsachen gemäß, aussprechen. Es ist ihr so gegangen, wie allen Neuen, das in keineswegs vollkommener Gestalt Geltung zu erlangen versucht. Wäre der Baum gleich auf den ersten Hieb gefallen, so hätte sich der ursprüngliche Pessimismus wahrscheinlich in Optimismus verwandelt, und das Werk der rheinisch-westfälischen Kameraden wäre vermutlich ebenso gelobt worden, wie es vielfach getadelt wurde. Unbeeinflußt aber ob der Parteien Gunst oder Haß soll sich die Schöpfung trotz alledem durchsetzen. Das wird sicher der Auffassung des größten Teiles der Leser entsprechen. Allen Föderationen, die mit Energie das Werk aufbauen halfen, und sie ist zum Teil stark darin zum Ausdruck gekommen, sei am ersten Jahrestage noch einmal die Anerkennung darüber ausgesprochen. Wenn der Gedanke der Tageszeitung nicht durchgehalten werden konnte, vielmehr nur vom August bis November 1921, so lag das an den großen Schwierigkeiten, die gerade für ein syndikalistisch-anarchistisches Tagesorgan sich einstellten. Diese sachlich zu würdigen und sie nutzbringend zu verwerten, soll einmal einer besonderen Betrachtung vorbehalten bleiben. Deshalb sind die Bemühungen der Ortsgruppe um so höher zu bewerten. Dass der Gedanke der Tageszeitung nicht fallen gelassen ist, beweisen die Wünsche zahlreicher Kameraden, sie als solche wieder zu besitzen. Hoffen wir, dass sich dieser Wunsch, wenn auch nicht sofort, so doch mit der Zeit verwirklichen läßt, dergestalt etwa, dass zunächst eine zweimalige-wöchentliche Herausgabe ermöglicht würde. So trete denn die Schöpfung in den zweiten Jahrgang ein mit dem Leitgedanken, praktisch verwirklicht: „Die Befreiung der Arbeiterschaft kann nur das Werk der Arbeiterklasse selbst sein“.[6]

 

Von Verbot zu Verbot

 

Vom 16. Januar bis zum 15. März 1923 unterlag die „Schöpfung“ einem Verbot, ausgesprochen vom „Oberpräsident der Rheinprovinz“, mit der Begründung, in einer Ausgabe vom Dezember 1922 den Reichspräsidenten beleidigt zu haben.[7] Das verstieß gegen § 8 Ziffer 1 des Gesetzes zum Schutze der Republik vom 21. Juli 1922. Ähnliche Paragraphen der „Majestätsbeleidigung“ haben eine lange Tradition bis heute. Nur dass die inkriminierten Textpassagen aus der „Schöpfung“ damals tatsächlich keinerlei Anlaß boten. Die Redaktion sah das Verbot demnach auch als unhaltbar an und legte Widerspruch ein, den sie offensiv vertrat: „An den Oberpräsidenten der Rheinprovinz  Koblenz a. Rh. Gegen das Verbot der Schöpfung wird hiermit Beschwerde eingelegt. Der fragliche Artikel enthält weder eine Beschimpfung noch eine Beleidigung des Reichspräsidenten, sondern eine Wahrheit. Und eine Wahrheit kann niemals eine Beschimpfung sein. Schriftleitung der Schöpfung [Heinrich] Drewes.“[8] Und obwohl die Beschwerde gegen die Verfügung „keine aufschiebende Wirkung“ hatte, wurden auch für den Verbotszeitraum weiterhin Ausgaben der „Schöpfung“ herausgegeben, eine mit einem Spottgedicht auf den Polizeioberpräsidenten Fuchs versehen: „Zum Verbot der Schöpfung

 

Der bange Fuchs!

 

Du bild’st dir ein,

so listig wie ein Fuchs zu sein,

doch deine Dummheit

war furchtbar, riesengroß!

Weil unsere Unbeugsamkeit

erniedrigt Dich zum Trauerkloß.

Nicht weil das Vaterland

beschimpft oder bedroht,

schrieb Deine ‚kühne’ Hand

der ‚Schöpfung’ ihr Verbot.

Nein! Was das belangt,

so kennen wir die Gründe:

Weil es den Herren ‚Füchsen’ bangt

um ihre fetten Pfründe.“[9]

 

Die Beschwerde wurde indes vom „Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik“ abgelehnt. Die beanstandeten Zeilen bezogen sich auf eine weiter vorliegende Kritik in der ‚Schöpfung’, Nr. 13 vom 22. September 1922 am Reichspräsidenten Friedrich Ebert (SPD). Dort stand zu lesen: „Darin, daß der sozialdemokratische Biedermeier Ebert bei jeder Volksempörung - und jede Volksempörung ist ihrer Natur nach berechtigt, denn sonst wäre sie nicht - den Ausnahmezustand verhängt, Todesurteile vollstrecken lässt, den Hunger des Volkes mit Pulver und Blei stillt und selbst ein Schlemmerdasein führt, das mit seinen berüchtigt gewordnen Bierabenden eine Gemeinheit schlimmster Art ist, die die im Hunger verkommenden Massen geradezu aufreizen müssen?“ Diese „Beschimpfungen“ würden mit der Dezemberausgabe aufrecht erhalten werden, so der „Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik“ in einer eigens für die ‚Schöpfung’ anberaumten Sitzung vom 15. Februar 1923, an welcher ein Senatspräsident, zwei Reichsgerichtsräte ein Staatsminister A.D., ein Geheimer Hofrat, ein Verbandsgeschäftsführer und -vorsitzender und andere Rechtsgelehrte teilnahmen: „Denn es wird darin mit aller Schärfe zum Ausdruck gebracht, dass der Reichspräsident unter gröblicher Verletzung des von ihm gemäß Art. 42 RB. geleitsteten Amtseids schnöden Gewinnes wegen Regierungsmaßnahmen treffe, die seiner besseren Einsicht zuwiderliefen, und die ihm deshalb der allgemeinen Verachtung preisgäben.“ Dafür anstößig sei der Absatz in der ‚Schöpfung’: „Gegen den proletarischen Emporkömmling, nenne er sich, wie er wolle, betätige er sich in der Schreibstube und schmiere Zeilen zusammen oder bekleide er auch das höchste Staatsamt, der nichts weiter kenne, als seine früheren Klassengenossen zu verleugnen, zu piesacken und zu tyrannisieren, nachdem er erst auf ihren Schulten empor geklettert ist (…) Das ist so ziemlich das Widerlichste, was es für uns gibt auf der Welt.“ Wahre Worte der ‚Schöpfung’, an welcher „alle juristische Weisheit des Staatsgerichtshofes“ abpralle. Und die Schöpfung kommentierte dieses dortselbst dokumentierte Schriftstück des Staatsgerichtshofes: „Wir behaupten: ein Proletarier, der es ehrlich mit dem Ringen seiner Klassengenossen meint, kann niemals Präsident eines bürgerlichen Staatswesens sein oder sonst ein Staatsamt bekleiden. Tut er es aber, dann ist er eben nicht ehrlich gewesen. Ein anderes gibt es nicht. Darin liegt die zwingenden Gewalt grundsätzlicher Verneinung des bürgerlichen Staats- und Klassenwesens, die unüberbrückbare Kluft zwischen proletarischer und bürgerlicher Weltanschauung.“ Bürgerliche Staatsweisheit sei „Unsinn! Quatsch! Blödsinn! Grausamkeit! Verbrechen!“, und die „Schöpfung“ übertrug ihre Kritik am Reichspräsidenten auf die gesamte Sozialdemokratie, welche sich in der Rolle gefalle, „halb Narr, halb Bedienter des Bürgertums“ zu sein. Das Schreiben des Staatsgerichtshofes kommentierte die „Schöpfung“ abschließend mit den Worten: „Für Geiste, Vernunft und Sachlichkeit haben wir stets hohe Anerkennung. Da die ‚Gründe’ des Staatsgerichtshofes dieses vermissen lassen, haben wir für sein Produkt die Bewertung, wie er für das unsrige. Möge das Proletariat nur dafür sorgen, dass es die Zwingburgen des Bürgertums, als da sind, das Militär, die Justiz, die Polizei, die Verwaltungsmaschinerie, bei kommenden Umwälzungen gründlich zerstört. Dann wird es weder die ‚republikanische Staatsform’, noch die Ehre des Herrn Ebert zu retten geben, dafür aber das Volk mit Glück und Wohlstand, Friede und Freude gesegnet werden. Schriftleitung der Schöpfung“[10]

 

Und so erschien die „Schöpfung“ auch weiterhin jede Woche, unterbrochen nur von einem Druckerstreik und schließlich arg bedrängt durch die aufkommende Inflation des Jahres 1923, welche auf wirtschaftlicher Ebene durchsetzte, was die Staatsmacht nicht schaffte: Die Einstellung der „Schöpfung“: „Wichtige Mitteilung des Verlags  Unsrem Organ droht eine neue schwere Krisis. Nachdem durch die Unterstützungsaktionen der einzelnen Ortsgruppen die wochenlang schleichende Gefahr fast überwunden war, und der Verlag glaubte, schon aufatmen zu können, machte der Drucker der Schöpfung uns die Mitteilung, dass er nur die vorliegende und die nächste Nummer noch drucken könne. Sein Papiervorrat ist aufgebraucht worden, und zum Kauf weiterer Papiermengen fehlen ihm die nötigen Barmittel. Er stellte deshalb an den Verlag das Ansinnen, selbst für den Einkauf von Papier besorgt zu sein, und machte zu dem Zwecke Zahlenangaben, die geradezu ins Phantastische gehen. Für etwa 2.000 Kilogramm Papier, das bei der gegenwärtigen Auflage der Schöpfung nur für etwa 6 Nummern reicht, wurde ein Papierpreis von etwa 130 Milliarden Mark errechnet. Diese Summe müsste von den Organisationen dem Verlag zur Verfügung gestellt werden, um das Weitererscheinen des Organs sicherzustellen. Die Ortsgruppen ersehen daraus, um was es geht. Der Verlag und die Preßkommission haben zu dieser erneuten schwierigen Situation Stellung genommen, sind jedoch ebenfalls gebunden an die Übermacht der widrigen Verhältnisse. Die Anknüpfung anderweiter Geschäftsverbindungen hängt auch wieder nur von den genügenden Mengen Barmitteln ab, da kein Drucker ohne diese heute Druckaufträge annimmt und auch, namentlich bei dem gegenwärtigen Umfang unseres Organs immer von der Beschaffung des Papiers oder der Bereitstellung der Mittel dazu abhängig macht. Wir geben schon heute den Organisationen Kenntnis von dieser Situation, damit sie Stellung dazu nehmen können. Eine erweiterte Preßkommission ist ins Auge gefasst worden. An der Sachlage wird sie jedoch ebenfalls nichts ändern können, da dieses, wie genügend dargelegt, nur eine Geldfrage ist. Der finanzielle Stand der Schöpfung ist nach wie vor günstig. Durch ihre geschickte Preispolitik, die bis jetzt nur bei einer einzigen Ortsgruppe Anstoß erregte, insofern, als diese eine unseres Erachtens unrichtige Preisvergleichung anderer Organe unserer Richtung heranzog, war sie fast über den Berg hinweg und konnte mit größerer Sicherheit der mächtigen Inflationswelle gebieten. Wenn nunmehr infolge der angegebenen Sachlage eine zeitweilige Einstellung des Druckes der Schöpfung unvermeidbar sein sollte, dann wissen die Organisationen, woran es liegt. Wir bemerken noch, dass infolge eines Mißverständnisses eines Setzers bei einem kleinen Teile der Auflage der vorigen Nummer (11) der Preis der Nr. 10 ungeändert blieb mit 125.000 M. Die Nr. 11 kostete 250.000 M, was wir bei der Zahlung zu berücksichtigen bitten. Die vorliegende Nummer kostet 800.000 M, was immer im Vergleich zu anderen Zeitungen noch kein übermäßiger Preis ist, da heute fast keine Zeitung (auch vierseitige) mehr unter 1 Million Mark zu haben ist. Verlag und Preßkommission der Schöpfung.[11]

 

Wenngleich nach der Inflationszeit des Herbstes 1923 keine weiteren Ausgaben der „Schöpfung“ mehr erfolgen sollten, so liefen die Projektvorbereitungen noch im Februar 1924 weiter: „An alle Anarcho-Syndikalisten Deutschlands! Kameraden! Durch die im Herbst vorigen Jahres eingetretene Geldinflation mußte die ‚Schöpfung’ ihr Erscheinen einstellen. Heute ist es unbedingt notwendig, dieselbe wieder ins Leben zu rufen. Die riesenhaften wirtschaftlichen Kämpfe, sowie die eigenartige Struktur der Rheinlande fordern gebieterisch das Erscheinen eines Organs des revolutionären Anarcho-Syndikalismus in Rheinland-Westfalen. Alle Ortsgruppen, die bisher Abonnenten waren, werden gebeten, soweit sie noch Beträge dem Verlag schulden, dieselben umgehend zu begleichen. Des weiteren bitten wir, dem Verlag im Solidaritätswege die Möglichkeit des Wiedererscheinens zu erleichtern durch Überweisung von Geldern in Form als Pressefonds oder Vorschüssen, die zurückgezahlt werden sollen. Die bisherigen Post- sowie Einzelbezieher werden ersucht, Bestellungen unter genauer Angabe der Adresse wie der Zahl der Exemplare an den Verlag zu richten. Besonders ist darauf zu achten, dass nur soviel Exemplare bestellt werden, wie auch bezahlt werden können. Sobald die notwendigen Mittel aufgebracht sind, wird eine erweiterte Pressekommissionssitzung einberufen, der die bereits getätigte Schlußabrechnung vorgelegt wird. Alle Gelder sind durch das Postscheckamt Essen Nr. 19429 zu überweisen unter genauer Angabe zu welchem Zweck, (Vorschuß oder Pressefonds) Adresse: Verlag ‚Die Schöpfung’, Düsseldorf, Beuth- und Schirmerstrasse. Ecke. Die eingelaufenen Gelder werden in der Presse veröffentlicht. Die Pressekommission, I.A.: Fritz Beyermann, Obmann.“[12]

Standorte: IISG-Amsterdam, ISB-Bochum, SUUB-Bremen, CIRA-Lausanne

Wert für Syndikalismusforschung:  Sehr wichtiges Organ! Sollte bei Studien parallel zum „Syndikalist“ durchgeschaut werden, da auch überregionales Aufnahme fand. Für die Regionalforschung unverzichtbar.


 

[1] Vgl.: „Der Syndikalist“, Nr. 14/1932.

[2] Zitate nach: Protokoll über die Verhandlungen vom 12. Kongress…, S. 38 f.

[3] „Der Syndikalist“, Nr. 25/1921.

[4] „Die Schöpfung“, Nr. 83/Oktober 1921.

[5] In der Tat war „Die Schöpfung“ ein sehr beeindruckendes Organ der Bewegung!

[6] „Die Schöpfung“, Nr. 1/Juni 1922.

[7] Artikel in „Die Schöpfung“ Nr. 23 vom 07. Dezember 1922.

[8] „Die Schöpfung“, Nr. 30/01. Februar 1923.

[9] „Die Schöpfung“, Nr. 33/15. Februar 1923.

[10] Alle Zitate aus: „Die Schöpfung“, Nr. 35/01. März 1923.

[11] „Die Schöpfung“, Nr. 12 (20.09.1923).

[12] „Der Syndikalist“, Nr. 6/1924.

 

Aus: Helge Döhring: Die Presse der syndikalistischen Arbeiterbewegung in Deutschland 1918 bis 1933, Edition Syfo No.1 (2010), 2. Auflage 2012

   

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