Das Informationsportal zur Geschichte der syndikalistischen Arbeiterbewegung

 

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Sklavenleben

Das Maifeld, welches sich ausbreitet im Rhein- und Moseltale, eine Landgegend mit schönen Fluren und Wäldern, das „besungen und besagt“ wird, war die Stätte meiner Jugendzeit. Wohl spendet das Maifeld durch seine Bodenbeschaffenheit reichlich Nahrungsmittel, aber der Hunger wütet dort wie überall, in den Hütten der Armen herrscht Elend und Not. Ein Teil der Arbeiter findet seine Beschäftigung in der Schiefergrube. Dort arbeitet er im Bauche der Erde, er sprengt, spaltet den Schieferfelsen und schafft ihn an das Licht der Erde. Schon viel ist geschrieben worden über den Bergmann, der Kohle schafft, aber sehr wenig erfährt die Öffentlichkeit von der Fron des Schieferarbeiters, der doch mit den primitivsten Produktionsmitteln schafft, auch nicht die hygienischen Einrichtungen genießt, wie z.B. der Bergmann. Vieles könnte die Schreibtafel dem Schulkinde erzählen über das Werden ihres „Seins“, wenn der Lehrer dem Kinde sein selbst Erlebtes, sein selbst Geschöpftes geben konnte, anstatt dem Kinde etwas einzupropfen, was andere ihm eingepropft haben. Sind doch, wie überall auf dem Lande, der Lehrer und der Obergunner (?) im Namen Jesu die beiden Götter, vor denen alles im Staub versinkt. So war mein Schulmeister sadistisch veranlagt, fand seine Befriedigung, wenn er uns bis zum Bluten verprügeln konnte, die Kirche tat alles Denkbare, um willige Knechte des „Herrn“ zu züchten, so war der Hunger, die Kälte, der sadistische Schulmeister, der Pfaffe, der Feldgendarm, der hinter uns herspähte, wenn wir die Äpfel und Birnen „sozialisierten“, die Henker meiner Jugend, die alle Mittel anwandten, um das Sklaventum zu fördern. Wenn man in der Lage ist, über dieses alles nachzudenken, so können wir verstehen, warum der Arbeiter so knechtseelig vor seinem Herrn auf dem Bauche rutscht.

Wenn ich jetzt von dem anderen Teil Arbeiter – Arbeiterinnen schreibe, die in mir so manche Jugenderinnerungen auftauchen lassen, so erachte ich es als meine Pflicht, das Bestialische, unter dem sie ihr Leben fristeten, zu brandmarken. Es sind dies Knechte und Mägde. Jedes Jahr fanden auf dem Maifeld, in den Orten Polch, Münstermaifeld u.a. Gesindemärkte statt; dort boten sich Knechte und Mägde zum öffentlichen Verkauf an. Es kamen die Grundbesitzer von fern und nah und schätzten Alter, Stärke und Fähigkeit ab. War dies befriedigend für sie, so wurde der Verkauf getätigt. Knecht oder Magd bekam einen Taler Handgeld, und sie waren für ein Jahr verkauft, mussten von morgens 4 Uhr bis abends 10 Uhr Frondienste leisten.

So liegt noch eine ungeheure Arbeit vor uns, auch diese Sklaven der Freiheit entgegenzuführen. Jene Landarbeiter, die das menschenunwürdige nicht mehr mitmachen wollen, aber selbst kein Land besitzen, um wirtschaften zu können, drängen in die Stadt und versinken ins Industrieproletariat. Dieselbe Fron, nur moderner. Im Werk bezwingt er Eisen und Stahl, schafft ohne Rast, denn der Antreiber steht hinter ihm. Ein Schrei ertönt, er windet sich im Schmerz. Das glühende Eisen, der zum Gießen fertige Stahl, hat seinen Körper bedeckt. Ungeheure Brandwunden, letzten Endes der Tod. Das ist das Sklavenlos, was man fälschlich Leben nennt. Wenden wir unsere ganze Kraft an, um dieser Tyrannei ein Ende zu machen. Rüsten wir uns mit den Waffen des freien Sozialismus! Unser Kampf wird sein: gegen Herrschsucht und Habgier, auf dass es Frühling werde für die Menschen!

H. Schmitz (Senior)

Aus. „Die Schöpfung“, 2. Jg., Nr. 2 (13.07.1922)

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