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„Ohne Solidarität kann sowas nicht klappen“
Das folgende Interview mit Christian führten wir nach seinem Prozeß
? Wie hast du die Situation von Feldjägern verfolgt zu werden und die
gewohnte Umgebung aufgeben zu müßen gemeistert
! Im Prinzip mal geht das nur durch Bewußtsein. Du mußt überzeugt sein das es
richtig ist, das zu tun. Du darfst nicht an den Punkt kommen, an dem du dich zu
fragen beginnst, warum du das alles überhaupt machst. Und das hinter dir Leute
stehen, die Solidarität mit Dir üben. Auch zu wissen, daß sich wer um die
juristische Seite kümmert. Ohne Solidarität kann sowas gar nicht klappen und das
bedeutet, daß du auch Leute finden mußt, die solidarisch mit dir sind. Wenn Du
diesen Schritt zum Untertauchen als Totalverweigerer gemacht hast, geht es nicht
mehr so einfach zurück. Das Zurück bedeutet zwischen 2 oder 3 Monaten Arrest bei
der Bundeswehr zu Isolationshaftbedingungen. Also 23 Stunden eingeschlossen. Das
heißt das Du es durchziehen mußt. Wichtig ist beim Rückzug oder Abtauchen, dass
Du in eine Gegend gehst in der Du zurechtkommst, dass Du die Sprache sprichst
und mit anderen Menschen kommunizieren kannst. Es ist wichtig, daß Du mit
Menschen sprechen kannst, vor denen Du dich nicht verstecken mußt und offen
Reden kannst, wo Du dir keine Legende ausdenken mußt. Schön war und geholfen hat
auch auf indirektem Weg Post von den Menschen die einem Nahe stehen zu erhalten
und durch Informationen über die aktuelle Entwicklung auf dem laufenden gehalten
zu werden. Alles in allem habe ich die Situation recht gut gemeistert. Es ist
nicht immer nur leicht gewesen, aber es war in meinem Fall das Beste, was ich
machen konnte.
? Was war das Schwierigste beim Abtauchen
! Das Losgehen und die Zeit unmittelbar davor, als der Termin immer näher
rückte, mir der Kopf sonstwo stand und ich noch wußte, daß ich noch alles
mögliche organisieren muß. Auch so banale Fragen, wie :"Was soll ich einpacken
und mitnehmen für die nächsten 10 Monate." Dann das Finanzielle. Du lebst da, wo
du dann bist als illegalisierte Person. Daß heißt, du kannst nicht einfach so
arbeiten, um deinen Lebensunterhalt zu erwirtschaften. Du brauchst entweder
soviel Geld, daß du 10 Monate damit auskommen kannst oder zumindest genug um die
erste Zeit zu überbrücken, bis du Kontakte und Möglichkeiten findest, um an Geld
zu kommen. Auch die Frage, was du mit der ganzen Zeit und Leere, die du hast und
die sich einstellt, weil du deinen Alltag und gewohnte Umgebung verläßtst,
umgehst.
? Wie hat die ganze Entwicklung dein Leben verändert und hast Du dadurch eine
Veränderung an Dir feststellen können.
! Es hat mich gestõrt und mutiger gemacht. Ich weiß jetzt, daß ich mit so einer
Exil-Situation zurechtkomme. Außerdem habe ich gelernt, daß es egal wo du bist,
immer Leute gibt, die die gleichen Ansichten und Überzeugungen haben, und für
die Solidarität nicht nur ein Wort ist. Dadurch, daß ich mich 10 Monate an einem
anderen Ort aufhalten mußte, habe ich einen etwas tieferen Einblick in das Leben
und die Situation von Leuten in anderen Regionen gewinnen können. Dieser Blick
über meinen vormaligen Tellerrand hat meinen Horizont erheblich erweitert. Ich
kann jetzt auch besser die Lage von Geflüchteten Nachvollziehen, da ich ein
stückweit in einer ähnlichen Situation war. Vorallem zu Beginn, wo ich mich noch
nicht eingelebt hatte und auch noch nicht wußte, auf was ich achten muß und wie
sich die Bullen dort verhalten. Natürlich habe ich mich trotz der Tatsache das
ich illegalisiert leben mußte, gegenüber den allermeisten Geflüchteten in einer
privilegierten Lage befunden, da ich über einen deutschen Paß verfüge, Geld
hatte und ein Bleichgesicht bin.
? Was denkst Du ist wichtig um TKDV´ler zu unterstützen
! Erstmal sollten einigermaßen juristische Grundkenntnisse vorhanden sein.
Kontinuierliche Öffentlichkeitsarbeit wäre gut. Du solltest den TKDVler
persönlich kennen und mit ihm zusammen abklären, was passieren soll, damit die
Unterstützenden ohne rückzufragen agieren können. Dazu gehört gegenseitiges
Vertrauen, auch in Bezug auf das Verhalten gegenüber Bullen, Feldjägern und
anderen Schergen. Gewisse Verhaltensgrundsätze sollten verbindlich sein, wie
z.B. Aussageverweigerung und Verschwiegenheit gegenüber Dritten. Du solltest dir
auch überlegen, was für Folgen die Unterstützung eventuell für dich haben kann.
Aus: Direkte Aktion Nr.138 März/April 2000
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