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Die weit verbreitete Geschichtslüge, der "Hitler-Stalin"-
Pakt sei überraschend dahergekommen, widerlegt der bereits 1923 erschienene
Artikel in:
"Der Syndikalist", Nr. 32/ 1923
Kommunisten - Fascisten
Die nationale Frage ist zur Frage der Revolution geworden. (Paul Frölich in der
,Roten Fahne', den 3. August 1923)
Die Kommunistische Partei Deutschlands hat sich in letzter Zeit in gerader
Richtung zum Fascismus hin bewegt. Schrittmacherin bei diesem Marsche in das
Lager des Nationalismus ist auch diesmal wieder die Kommunistische
Internationale. Der zweifelhafte Ruhm, das Signal zum Aufmarsch gegeben zu
haben, kommt dem Diplomaten der russischen Bolschewikiregierung, Radek, zu. Die
Bestrebungen in der Kommunistischen Partei, sich mit den nationalistischen
Elementen Deutschlands zu verbinden, um mit ihnen gemeinsam den äußeren Feind
aus dem Lande zu treiben und den Vertrag von Versailles zu zerbrechen, sind
nicht neu. Bei Beginn der deutschen Revolution waren Laufenberg und Welfheim in
Hamburg die Verteidiger dieses Gedankens, die später aus der Kommunistischen
Partei Deutschlands auf Geheiß der Kommunistischen Internationale und
hauptsächlich auf einen Druck Radeks hin, ausgeschlossen wurden. Die
Kommunistische Internationale fand sich damals durch die revolutionäre Situation
in Mitteleuropa noch in die Notwendigkeit versetzt, offen wenigstens Stellung
gegen rein nationalistische Bestrebungen zu nehmen, denn sonst hätte sie einen
Abfall ihrer Anhängerschaft fürchten müssen. Die nationale Staatsidee war aber
schon damals ein wesentlicher Bestandteil der Kommunistischen Internationalen
und so konnte man auch damit rechnen, dass ihre Politik früher oder später in
die Kanäle des Nationalismus führen würde. Das ist jetzt eingetroffen. Wir
wundern uns darüber keineswegs, und doch empfinden wir einen Ekel darüber, dass
gerade Radek jetzt der eifrigste Verteidiger des Bolschewiki-Fascismus ist,
Radek, der am stärksten auf die Entfernung seiner Vorgänger Laufenberg und
Wolfheim drängte.
Die Kommunistische Partei Deutschlands hat einen Fascistenfimmel bekommen.
Dieser Fimmel begann mit einer Rede, die Radek über den völkischen Banditen
Schlageter gehalten hat, in welcher er diesen den ,tapferen Soldaten der
Konterrevolution' nannte und ihn lobte. Es folgte die Veröffentlichung einer
kommunistischen Schlageterschrift, in der unter anderem der kommunistische
Abgeordnete Frölich einen Aufsatz schrieb. Es kam zur Stellungnahme der
Völkischen selbst zu dieser Sache, und schließlich kam man zu einer Fühlungnahme
zwischen Deutsch-Völkischen oder Fascisten und Kommunisten. Nach einem Artikel
von Radek über den Fascismus und die deutsche Sozialdemokratie folgte ein
weiterer Artikel von Radek in der ,Roten Fahne' Nr. 176 über die Aufgaben der
Kommunistischen Partei Deutschlands, und in derselben Nummer veröffentlicht die
,Rote Fahne' einen Artikel von dem Erzreaktionär Graf E. Reventlow über ,ein
Stück Wegs'. Hier wird schon offen
davon gesprochen, dass Kommunisten und Deutsch-Völkische ein Stück Wegs
zusammengehen können. Diese Idee wird von beiden Seiten gehätschelt, so dass es
nicht allzu lange dauern wird, und die heilige Allianz zwischen dem Rechts- und
Linksbolschewismus ist perfekt. Dabei ist zu beachten, dass die Annäherungen
nicht von den Fascisten ausgehen, sondern ausschließlich von der Kommunistischen
Partei. Graf Reventlow bemerkt daher auch in seinem Artikel in der ,Roten
Fahne': ,Auf die Frage, ob meiner Ansicht nach der Kommunismus die nationalen
Interessen Deutschlands gefährde, antwortete ich: dass dies in der Tat bisher
der Fall ist. Auch war seine Stellungnahme - bis zu Radeks Schlageter-Rede
durchweg ausgesprochen vehement antideutsch, antinational. Der Kommunismus kann
sich nicht wundern, wenn seine neuerliche Haltung zunächst starker Skepsis
begegnet.'
Es wird von dem Fascistenführer richtig bemerkt, dass von nun an eine andere
Politik der Kommunisten einsetzt. In welcher Richtung diese Politik sich bewegt
und wie die Zusammenarbeit gedacht ist, geht ebenfalls aus den Reventlowschen
Ausführungen hervor. Er sagt: ,In dem Artikel des ,Reichswart ' hatte ich
rückschauend bedauert, dass 1920 eine Kooperation deutscher und sowjetrussischer
Truppen gegen Polen nicht erfolgt sei, und dass ich mich vergebens für eine
solche eingesetzt hatte. Herr Frölich fragt: ,Glauben sie, dass diese
Gelegenheit für immer vorbei ist ?' Nein, das glaube ich nicht unbedingt. Sie
kann vielleicht in dieser oder jener Form wiederkommen. Ich sehe allerdings
nicht, auf welche Weise Sowjetrussland für die Befreiung Deutschlands aus der
französischen Gewalt in absehbarer Zeit wirksame Hilfe leisten könnte, auch wenn
es wollte.'
Man spielt aber mit dem Gedanken, dass die Truppen der Roten Armee sich mit den
deutsch-völkischen Elementen, mit den Ludendorff und Hindenburg, mit Hitler und
Ehrhard verbinden, um in gegebener Stunde den Kampf gegen Frankreich
aufzunehmen. In diesem Sinne sprach auch Cachin, einer der Führer der
Kommunistischen Partei Frankreichs in der französischen Kammer zu Beginn der
Ruhrbesetzung: ,Die Rote Armee', sagte er, wird die Wacht am Rhein bilden.' Und
um dieselbe Zeit machte Bucharin seine charakteristischen Ausführungen, dass
Sowjetrußland in die Lage kommen könnte, mit einem kapitalistischen Staate
militärische Bündnisse einzugehen, um gegen einen anderen kapitalistischen Staat
Krieg zu führen.
Wenn alle diese Ausführungen zusammengenommen werden, so muß ein Blinder sehen,
wohin der Kurs führt. Das bolschewistische Russland und das kapitalistische
Deutschland sollen sich verbünden, um einen Krieg gegen Frankreich zu führen.
Vom Standpunkt des Nationalismus und der Staatspolitik wäre dagegen nichts
einzuwenden, wenn wir uns aber fragen, was haben die Arbeiter damit zu tun ?,
dann werden wir nur die eindeutige Antwort geben können: gar nichts !
Die Völkischen und die Kommunistische Partei gehen hier ein ,Stück Weg', wie
Radek und Frölich sagen, zusammen. Diese Politik ist aber im höchsten Grade
reaktionär. Die Arbeiter werden zu Werkzeugen einer Staatspolitik benutzt, wie
von der wilhelminischen oder der Zarenregierung. Die Soldaten der Roten Armee
sind zum Militärdienst gezwungen, und die Arbeiter Deutschlands sollen
ebenfalls, nach russischen Muster, wieder in das Joch der allgemeinen
Wehrpflicht, mit anderen Worten in den Militarismus hineingezwungen werden.
Nette Aussichten !
Durch die Politik der Kommunistischen Partei eröffnen sich für das deutsche
Proletariat furchtbare Perspektiven. Der Krieg, den Millionen Proletarier mit
ihrem Leben büßen mussten, der Ströme Blutes kostete, der halb Europa in
Hungersnot und ins Verderben stürzte, der Krieg, den das gesamte Proletariat aus
tiefstem Herzen verflucht, soll wieder aufleben. Und gerade die Kommunistische
Partei, die geboren ist in einer Zeit, als das Proletariat durch sie nach
Beendigung des Weltkrieges die Herbeiführung eines Gesellschaftszustandes
erhoffte, in dem es keine Kriege mehr geben würde, gerade diese Partei musste es
sein, die sich mit den früheren Kriegshetzern verbündet, um einen neuen Krieg
herbeizuführen. Das ist das Niederdrückendste für das deutsche Proletariat !
Der Fascismus ist der ärgste Feind der proletarischen Arbeiterbewegung. Der
Fascismus, der in Deutschland unter dem Namen der deutsch-völkischen Bewegung
auftritt, soll von allen revolutionären Arbeiterorganisationen bekämpft werden.
Die kommunistische Partei selbst gibt vor, den Fascismus zu
bekämpfen, und sie wollte zu diesem Zwecke sogar eine Einheitsfront des
revolutionären Proletariats bilden. Wie kann aber die Kommunistische Partei den
Fascismus bekämpfen, wenn sie mit ihm ein ,Stück Weg' geht und gemeinsam mit ihm
den ,äußeren Feind' schlagen will. In nicht ferner Zukunft werden wir eine
Einheitsfront der Deutsch-Völkischen und der Kommunisten haben und das
revolutionäre Proletariat wird gezwungen sein, gegen beide anzukämpfen. Die
Reaktion heißt in Italien Fascismus, in Russland Bolschewismus und in
Deutschland wird sie dargestellt durch die Deutsch-Völkischen und die
Kommunisten zugleich. Zu bedauern sind dabei nur die Arbeiter, die guten
Glaubens in der kommunistischen Partei sind, und durch sie die Befreiung vom
Joche des Kapitalismus erhoffen.
Die Aufgabe der syndikalistischen Genossen ist es, die Klassengenossen der
kommunistischen Partei aufzuklären über den wahren Charakter dieser Partei,
ihnen vor Augen zu halten, dass die Partei die Geschäfte der Gegenrevolution
besorgt und die Arbeiter zu einem noch größeren Elend führen wird, als die
Sozialdemokratie es getan hat. Wenn man in Zukunft von Arbeiterverrätern
spricht, dann darf man nicht vergessen, dass die kommunistische Partei den
größten Verrat an dem revolutionären Proletariat verübt hat, und sie deshalb zu
den gefährlichsten Verrätern gehören.
Die kommunistische Partei ist heute national eingestellt. Das geht am
deutlichsten aus den Worten Frölichs hervor: ,Die nationale Frage ist zur Frage
der Revolution geworden.' Dieser Satz bedeutet nichts anderes, als dass die
Befreiung der Nation durch eine Revolution erfolgen soll. Die Revolution soll
also als Mittel zum Nationalismus betrachtet werden. Dasselbe wollen auch die
Völkischen. Auch sie verwerfen den Parlamentarismus und die gesetzlichen Mittel
und wollen ihr Ziel durch den Kampf bewaffneter Scharen gegen die bestehenden
Staatsautoritäten erreichen, wie es Mussolini in Italien tat. Hierin sind sich
Kommunisten und Fascisten einig.
Beide verstehen unter Revolution nichts anderes, als den gewaltsamen Sturz der
bestehenden Autoritäten, damit sie die Autorität ihrer eigenen Parteien an deren
Stelle setzen, die aber noch autokratischer das Staatszepter führen werden.
Diese Art ,Revolution' hat aber nicht das geringste gemein mit der
Auffassung von der sozialen Revolution, wie sie von dem Proletariat seit den
letzten 60 Jahren erstrebt wurde. Die soziale Revolution hat nichts zu tun mit
der nationalen Frage. Die Kommunisten aber wollen nicht die soziale Revolution,
sondern einfach die politische. Mit anderen Worten eine Revolution, die ihrer
Partei die Macht sichern soll. Wenn durch eine Revolution die nationale Frage
gelöst werden soll, dann ist diese Revolution nicht die Revolution des
revolutionären Proletariats.
Die Wege scheiden sich: Auf der einen Seite stehen Völkische und Kommunisten,
die durch die Revolution die nationale Frage lösen, das heißt den Vertrag zu
Versailles zerreißen wollen, um Deutschland wieder zu einer starken Großmacht zu
machen. Auf der anderen Seite stehen die revolutionären Syndikalisten und
Anarchisten, die jede Regierung und Autorität beseitigen, das Privateigentum und
die Lohnknechtschaft abschaffen wollen, um die soziale Gleichheit einzuführen.
Die ersteren wollen, nachdem sie die heutigen Autoritäten gestürzt haben, den
Krieg gegen Frankreich führen, die letzteren wollen jede Nationalgrenze
aufheben. Sollte Frankreich dann durch seine Truppen ganz Deutschland besetzen,
so wird das der Anfang zum Ende des französischen Militarismus sein, wie auch
der deutsche Militarismus gerade durch seine unersättliche Gier nach
Beherrschung der ganzen Welt seinen Sturz vorbereitete, und wie auch vor mehr
als 100 Jahren Napoleon aus
denselben Ursachen zu Fall kam. Die einen wollen die Wiederaufrichtung des
Militarismus in neuer Form, die anderen kämpfen für die Beseitigung jedes
Militarismus. Kurz, auf der einen Seite steht die Reaktion, die
trügerischerweise unter dem Namen Revolution auftritt und die Arbeiterschaft
betören will, auf der andern Seite steht die soziale Revolution. Mögen die
Arbeiter wählen !"
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