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Der Syndikalist, Nr. 30, 05.Juli1919
Die kommunistische Partei und die Syndikalisten
In der letzten Zeit wurde unter den Berliner Funktionären der K.P.D. ein mit
Maschinenschrift vervielfältigter Zettel verbreitet, der zur systematischen
Bekämpfung des Syndikalismus den Agitatoren der K.P.D. folgende Thesen
übermittelte:
‚Kommunismus und Syndikalismus
Die Kommunisten und Syndikalisten sind beide Gegner des Privateigentums an den
Produktionsmitteln und des Klassenstaates. Gleichwohl aber sind ihre Ziele und
ihre Taktik derart verschieden, dass niemand Kommunist und Syndikalist zugleich
sein kann.
Die Kommunisten führen durch ihre Partei den Kampf um die politische Macht. Sie
wollen, dass das Proletariat die politische Gewalt dem Bürgertum entreißt und
selbst in die Hand nimmt. Die Syndikalisten lehnen es ab, einen Kampf um die
politische Macht zu führen. Politik zu treiben erscheint ihnen überflüssig und
zwecklos, ja sogar schädlich.
Die Kommunisten wollen die Überleitung der Produktionsmittel aus der Hand der
Kapitalisten in die der Allgemeinheit durch die Betriebs- und Arbeiterräte. Die
Syndikalisten lehnen dieses Rätesystem ab; genau wie die sogenannten „freien
Gewerkschaften“ halten sie an überlieferten Anschauungen fest und wollen ihre
syndikalistischen Gewerkschaften zu den künftigen Trägern der Produktion machen.
Die Kommunisten erstreben, dass die Allgemeinheit künftig die Warenerzeugung und
Warenverteilung nach den von ihr selbst festzustellenden Bedürfnissen regelt.
Die Syndikalisten lehnen es ab, eine zentrale Regelung der Produktion
anzuerkennen, sie wollen ihre nur föderativ verbundenen Gewerkschaften zu
örtlichen Produktionsgesellschaften umgestalten, diese sollen dann den
Warenaustausch unter sich vornehmen.
Die Kommunisten gewöhnen das Proletariat daran, sein ureigenstes Machtmittel,
den Massenstreik einheitlich und planmäßig, also mit um so gewaltigeren
Wirkungen zu gebrauchen. Die Syndikalisten lehnen einen solchen planmäßigen
Massenstreik ab, sie legen es vielmehr jeder ihrer Gruppen nahe, jederzeit nach
eigenem Gutdünken ohne Rücksicht auf die jeweiligen Verhältnisse in anderen
Orten, Streiks zu inszenieren.
Also: Die Kommunisten erstreben eine planmäßige sozialistische
Bedarfswirtschaft; die Syndikalisten zielen auf kleinbürgerliche
Produktionsgenossenschaften hin. Die Kommunisten erziehen das Proletariat zum
gemeinsamen, einheitlichen Kampfe, die Syndikalisten verzetteln und
verschleudern die Kraft der Arbeiterschaft und schaffen dadurch dem Bürgertum
und den Noskegarden die Möglichkeit, jeden einzelnen Streik niederzuschlagen.
Daher weg mit dem kräftezersplitternden Syndikalismus. Es lebe der die Kräfte
des Proletariats zusammenfassende Kommunismus !’
Hier unsere Antwort:
Die K.P.D. und die Syndikalisten sind theoretische Gegner des Privateigentums an
den Produktionsmitteln und des Klassenstaates. Die Syndikalisten sind
freiheitliche Kommunisten, die Partei-Kommunisten sind Staatskommunisten. Die
Ziele sind verschieden, die Tatktik der Partei-Kommunisten ist im wesentlichen
den Syndikalisten gestohlen. Die Partei-Kommunisten haben keine eigenen
wirtschaftlichen Kampfmittel, die politischen haben sie der bürgerlichen
Revolutionsepoche entnommen. Die K.P.D. ist keine Klassenorganisation, sondern
eine Organisation von Gesinnungsverwandten. Der Syndikalismus ist die
Klassenorganisation des Proletariats.
Die Partei-Kommunisten führen den Kampf um die politische Macht. Sie wollen,
dass die Kommunisten die politische Gewalt dem Bürgertum entreißen und selbst in
die Hand nehmen.
Die Syndikalisten führen den Kampf um die Beseitigung jeder politischen Macht,
um die Eroberung der wirtschaftlichen Macht. Jeder wirtschaftliche Kampf ist
gleichzeitig ein politischer Kampf.
Der politische Kmapf der Partei-Kommunisten wird geführt mit bürgerlichen
Kampfmitteln und hat bürgerliche Ziele: Durch Eroberung der Waffengewalt und der
Gesetzgebungsmaschinerie kann nicht der Sozialismus, sondern nur der
Staatskapitalismus geboren werden
Die Partei-Kommunisten predigten ursprünglich nur den einen Grundsatz: Alle
Macht den Arbeiter- und Soldatenräten! Die Gewerkschaften erklärten sie für
überflüssig in einer sozialistischen Gesellschaftsordnung. Dabei blieben aber
die bekannten Agitatoren der K.P.D. Angestellte der Zentralverbände. Später
predigte die K.P.D. die Eroberung der Zentralverbände durch Besetzung der
Angestelltenfunktionen. Gleichzeitig ging sie zur Gründung von
Betriebsorganisationen über. Und in Rheinland-Westfalen versucht sie durch
selbstherrlich-diktatorische Maßnahmen die syndikalistischen Organisationen in
ihrem Aufstieg zu hemmen, indem sie plötzlich – aber nur für die Bergarbeiter -
als Ziel ausspricht: Eroberung der Bergwerke durch die Bergarbeiter-Union und
durch diese Einführung der sozialistischen Produktionsweise.
Die Syndikalisten sind Vertreter der Idee, dass die Gewerkschaften die Keimzelle
der sozialistischen Gesellschaftsordnung werden müssen. Diese Idee ist
geschichtlich begründet. Nie hat ein höherer Stand der Kultur und des
allgemeinen Wohlstandes geherrscht als zur Zeit der Gilden und
Markgenossenschaften. Erst das Emporkommen des Staates hat diese Blütezeit
europäischer Kultur vernichtet.
Die Syndikalisten sind Anhänger des reinen Rätegedankens, eines Rätesystems,
aufgebaut auf sozialrevolutionären Gewerkschaften. Sie sind Feinde eines
Rätesystems, das in parteipolitischen Zänkereien ihre besten Kräfte verzettelt,
das durch Unfähigkeit und Unduldsamkeit jede schöpferische Initiative der
Gewerkschaften, Genossenschaften und Bünde unmöglich macht, das alles auch das
Geistesleben, nach einer Parteischablone zentralisieren und diktieren will.
Die Syndikalisten sind die alleinigen und konsequenten Feinde der
Zentralverbände mit ihrer Tarifvertragspolitik, ihren Arbeitsgemeinschaften und
ihrem Gewerkschaftsbund mit den von der Volkspartei und der Kirche gestützten
Vereinen. Die Partei-Kommunisten dagegen sind in der Mehrheit noch immer
Mitglieder dieser reaktionären, den Sozialismus verhindernden, die Ausbeutung
und die Beherrschung der arbeitenden Massen stützenden Gewerkschaftsrichtung.
3.Die Partei-Kommunisten erstreben die Regierungsgewalt, um durch Dekrete die
Warenerzeugung und Warenverteilung zu regeln.
Die Syndikalisten wissen, dass keine Regierung die intimsten Verhältnisse in
einer Industrie so gut kennen kann, als die darin beschäftigten Kopf- und
Handarbeiter. Die Gewerkschaftsbüros werden sich also am Tage nach der sozialen
Revolution in statistische Büros verwandeln. Die Arbeiterräte werden die
Bedürfnisse der Gemeinden und der Allgemeinheit berechnen, die Bestände der in
den verschiedenen Industrien vorhandenen Rohstoffe aufnehmen, um so zu einer
geregelten Bedarfswirtschaft überzugehen. Da die Gewerkschaften nicht nur
örtlich begrenzt, sondern über da ganze Land föderiert sind, da sie örtlich im
Kartell allgemein, über das Land in Industrieföderationen, alle
Industrieföderationen des Landes wieder zu einem allgemeinen
Gewerkschaftsbündnis zusammengeschlossen sind, so ergibt sich schon aus diesem
Aufbau die beste Regelung einer wahrhaft sozialistischen Produktions- und
Verteilungsweise.
Die Partei-Kommunisten haben durch Aufrufe zu rein örtlich begrenzten Massen-
und „General“streiks die Kräfte des Proletariats stark in Anspruch genommen. Von
einer einheitlichen und planmäßigen Anwendung des Massenstreiks kann in
Deutschland noch nicht gesprochen werden, da so wenig die Partei-Kommunisten als
auch die Syndikalisten in allen Orten Deutschlands die Massen gewonnen haben.
Die Syndikalisten sind seit langen Jahren die Propagandisten der Idee des
sozialen Generalstreiks, den die „Kommunisten“ noch vor wenigen Jahren nach
„wissenschaftlicher“ Methode als Generalblödsinn bezeichneten. Die Syndikalisten
lassen allen ihren Ortsgruppen vollständiges Selbstbestimmungsrecht über
Eintritt und Beendigung von Streiks. Sie sind der Ansicht, dass umfassende
Massenstreiks sich nicht von einer Zentrale aus diktieren lassen, sondern aus
den wirtschaftlichen, politischen und psychologischen Verhältnissen und aus dem
Willen der Massen selbst herauswachsen müssen.
Also:
Die Partei-Kommunisten erstreben den Staatssozialismus, die Syndikalisten
arbeiten seit langen Jahren an der Überwindung des Kapitalismus und des Staates
und wurden dabei von den „Kommunisten“, den ehemaligen Sozialdemokraten, nicht
nur nicht unterstützt, sondern stark bekämpft.
Die Partei-Kommunisten drängen die Massen mit Kraftausdrücken und starken Gesten
zu unüberlegten Handlungen, zu deren Folgen sie zu feige sind, sich zu bekennen.
Sie haben wiederholt bewusst gelogen, indem sie ihre Handlungen den
Syndikalisten in die Schuhe schoben. Sie haben es an der geistigen Durchbildung
der ihnen angeschlossenen Arbeiter völlig fehlen lassen.
Die Syndikalisten arbeiten systematisch an der Erkenntnis und an der
Willensbildung der ihnen angeschlossnen Arbeiter. Sie verwerfen jede Art
Militarismus, jeden Mord. Die Syndikalisten sind die Propagandisten ethischer
Kampfmittel: Streiks, passive Restístenz.
Die Partei-Kommunisten lügen, wenn sie sagen, dass die Syndikalisten dem
Bürgertum und den Noskegarden die Möglichkeit geben, die örtlichen Streiks
niederzuschlagen. Die „Parteigenossen“ der K.P.D., ihre Gewerkschaftsbeamten
sind die Organisatoren der Noskegarden und der Bürgerwehren. Auf Befehl der
Gewerkschaftsbeamten sind allerorts die streikenden Arbeiter von den
Freiwilligentruppen niedergeschlagen, in „Schutz“haft gesteckt und zu schweren
Gefängnis- und Zuchthausstrafen verurteilt worden. Noske, Severing, Hoersing,
Winnig sind geschworene Marxisten, Gesinnungsgenossen der Partei-Kommunisten.
Die drei sozialdemokratischen Parteien waren die Organisatoren und Leiter aller
bisherigen örtlichen Streiks.
Darum:
Weg mit allen politischen Parteien, die das Proletariat zersplittern und seine
Kräfte nutzlos verschwenden!
Es lebe die Klassen- und Einheitsorganisation aller produktiv tätigen Kopf- und
Handarbeiter: Der Syndikalismus !“
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