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Der Syndikalist, 4. Jg. (1922), Nr. 31,
Die rote Gewerkschaftsinternationale gegen die
Syndikalisten
Das doppelte Spiel, das die Rote Gewerkschafts- Internationale und ihre Agenten
im Auslande spielen, ist charakteristisch. Einerseits spricht man von den
revolutionären Syndikalisten wie von Waffenbrüdern, mit denen man sich zu einer
gemeinsamen Arbeit verständigen kann, andererseits stellt man sie als Feinde des
Proletariats dar, als Gegenrevolutionäre, die man entfernen muß.
In der einen Hand den Ölzweig, in der andern das blutige Schwert... In vielen
Ländern ist die Bewegung der revolutionären Syndikalisten stark genug, um die
dort befindlichen kommunistischen Parteien zu beunruhigen. Man hätte glauben
können, daß die Einheitsfront aller Linksorientierten auf der einen Seite, die
deutliche Erklärung der Roten Gewerkschafts- Internationale (daß die
Syndikalisten ihren brüderlichen Platz in der RGI haben, daß sie ihren
Standpunkt verfechten können, und daß deshalb die Bildung einer
syndikalistischen Internationale ein Verbrechen gegen die Einigkeit des
Proletariats sei...) man hätte glauben können, daß alle diese Zeichen der
Freundschaft und Toleranz einen gemeinsamen Kampf beider Tendenzen, der
zentralistischen und der föderalistischen, bedeutete, ohne die Notwendigkeit,
sich gleichzeitig die Hälse abzuschneiden.
Sehen wir zu, wie in der Praxis die RGI diese Toleranz verwirklicht. In Nr. 12
der „Roten Gewerkschafts- Internationale" vom 15. Januar 1922 findet man einen
Artikel über die Arbeiterbewegung in Mexiko in welchem der Autor von dem Einfluß
der Anarcho- Syndikalisten in der allgemeinen Konföderation (CGT) spricht. Er
ist mit den freundschaftlichen Erklärungen der RGI nicht zufrieden und folgert:
„Ich bin überzeugt, daß bei rühriger Agitation und Propaganda der mexikanischen
Kommunisten die heutigen Führer der CGT (das sind die Anarcho- Syndikalisten)
beseitigt werden können und die Allgemeine Arbeits- Konföderation Mexikos ihren
vollen und aufrichtigen Anschluß an die Rote Gewerkschafts- Internationele
erklären wird." Man lockt also die revolutionären Syndikalisten nach Moskau, um
sie alsdann aus der revolutionären Bewegung Mexikos zu entfernen.
Und erst die Beschimpfungen der Industrial Workers of the World (IWW) Amnerikas
! Wie hat man sie nicht vorher gelobt und mit Artigkeiten überschüttet; sie
wurde als die einzige revolutionäre Organisation der Vereinigten Staaten
hingestellt, gleichzeitig aber versuchte man, auch in ihr die Zellentaktik zu
entfalten. Da jedoch der Delegierte Georg Williams auf dem Kongreß in Moskau
nicht nach seiner Pfreife tanzte, begann das Exekutivkommitee der RGI einen
Veleumdungsfeldzug gegen den Delegierten und die gesamte Organisation.
In dem Berichte über den Kongreß der deutschen Syndikalisten zu Düsseldorf im
Oktober 1921, der in der „Roten Gewerkschafts- Internationale vom 15. November
1921 erschien, spricht man von einem „Amerikaner, der sich zufällig auf einer
Durchreise in Deutschland befand und die brüderlichen Grüße der IWW überbrachte,
sowie die Schaffung einer syndikalistischen Internationale vorschlug!" Dieser
„Amerikaner auf der Durchreise" war aber kein anderer, als unser Kamerad
Williams, der als Beauftragter der IWW sprach... In der Zeitschrift „Der
Klassenkampf" (La Lutte de Classes), ein Organ, das in Paris von einem
kommunistischen Quartett herausgegeben wird, erschien ein Artikel eines dieser
Verleumder des Syndikalismus im allgemeinen und des russischen Syndikalismus im
besonderen ohne einen Kommentar. Nach diesem Artikel ist die IWW nicht mehr eine
syndikalistische Organisation, sondern „eine Sekte von antipolitischen
Propagandisten, die alles verwirft, was gegen ihre Religion verstößt". (Der
Verfasser sagt dies kalten Blutes, obzwar er als Bewunderer des
bolschewistischen Systems weiß, daß die Bolschewisten alles verworfen haben, was
gegen ihre Religion verstieß) Der Verfasser Wm.Z. Foster kommt dann zu folgenden
Ergebnissen: „Die Anhänger der Roten Gewerkschafts- Internationale finden in den
alten Gewerkschaften (er spricht sicherlich von der Gomperschen American
Federation of Labor) nicht nur Duldung in größtem Ausmaße, sondern auch eine
gewisse Gastfreundschaft."
Man ist also fast bei Umarmungen angelangt: die Rote Gewerkschafts-
Internationale mit der „American Federation of Labor". Tschitscherin und der
König von Italien ist nicht weniger komisch, als Losowsky, der Generalsekretär
der RGI, und Gompers, der Präsident der AFL. Der Verfasser beschließt seine
Arbeit mit einem Lobgesang auf Gompers: „Die Hoffnung der revolutionären
Arbeiterschaft liegt zukünftig in den Massenorganisationen, den alten
Gewerkschaften, der organisierten Arbeiterbewegung Amerikas." Der „Klassenkampf"
besitzt noch die Stirn, dieses Geschreibsel mit dem Titel zu versehen: „Wo die
IWW Gompers überschreiten und sich mit Amsterdam wieder vereinen."
H. Brandler, einer der Hohenpriester der Roten Gewerkschafts- Internationale,
ist noch weitgehender. Er spricht bereits in einem Artikel der „Internationale",
Heft Nr. 20), von Syndikalisten, die bewußt oder unbewußt (für seine Zweifel
sind wir ihm sehr verbunden) Werkzeuge der Gegenrevolution der Welt sind. Er
schlägt ihnen vor, selbst eine Internationale zu bilden. „Sollen die
Syndikalisten uns zeigen," sagt er, „daß sie mit ihren Kampfesmethoden, die sie
für revolutionär halten...wenigstens imstande sind, die Offensive des
Kapitalismus niederzuschlagen. Dann werden wir Schulter an Schulter mit ihnen
kämpfen, und wir können uns auch unterstützen, falls es sich als notwendig
erweist, auch wenn wir in verschiedenen Organisationen sind."...
Brandler fürchtet ich jedoch vor seinem eigenen Vorschlag und warnt schon davor,
indem er dies als unrealisierbar hinstellt. Infolgedessen wird die Gründung
einer solchen syndikalistischen Organisation für Brandler eine
gegenrevolutionäre Handlung, ohne daß er erst den Beweis für ihre Unfähigkeit
abwartet. Die Schlußfolgerungen sind also für ihn sehr einfach und
charakteristisch: „Die Stellung, die gegen die Syndikalisten der verschiedenen
Länder einzunehmen ist, muß auf dem 4. Kongreß der Kommunistischen
Internationale geprüft werden. Die Rote Gewerkschafts- Internationale muß sich
auch auf ihrem 2. Kongreß mit dieser Frage beschäftigen. Die kommunistischen
Parteien Frankreichs, Italiens, Spaniens müssen nun den Kampf, der von den
Anarchisten und Syndikalisten gegen den Kommunismus geführt wird, aufnehmen. Das
wird die beste Vorbereitung und Klarstellung dieser Frage für die beiden
Kongresse sein.
Eine nachträgliche Kriegserklärung ! Wir werden uns danach zu richten wissen.
Ist es noch notwendig, von dem Kampfe der Kommunisten gegen die russischen
Syndikalisten zu reden ? Wenn man hofft, in Mexiko die Anarcho- Syndikalisten
los zu werden, dann ist die Sache in Rußland viel einfacher. Man kennt schon in
der ganzen Welt die Leidensgeschichte der Einkerkerungen, der
Todesvollstreckungen und Ausweisungen der Anarchisten und Syndikalisten Rußlands.
Die RGI läßt davon kein Sterbenswörtlein hören, es scheint, als ob dies sie
nichts angeht. Es ist wahr, daß sie herzzerreißende Aufrufe erläßt an das
Proletariat gegen die Missetaten dieser oder jener Regierung, die die
Revolutionäre, Kommunisten, Syndikalisten einkerkert, gegen die Regierungen, die
politische Flüchtlinge ausliefern; den Balken im eigenen Auge will sie aber
nicht bemerken. Noch niemals hat die RGI protestiert gegen die furchtbarsten
Verfolgungen, deren Opfer die Anarchisten, Syndikalisten und andere
Revolutionäre in Rußland sind.
Wir wollen es jedoch zugeben, die Rote Gewerkschafts- Internationale hat an
diesen Dingen Interesse. In Rußland erschien aus der Feder eines gewissen
Jakovleff ein Büchlein über die russischen Anarchisten. Dies Buch ist derart
voll von Lügen und Entstellungen, daß man nach seiner ehrlichen Durchsicht nur
einen einzigen wahren Ausdruck finden kann: „Unwissender Jakovleff, du hast
gelogen." Indessen, die RGI findet auch Gelegenheit, sich für das Schicksal der
Anarchisten und Syndikalisten zu interessieren, und läßt sie in seiner
Zeitschrift Revue passieren. Diese Frage reizt den Redakteur der „Roten
Gewerkschafts- Internationale" derart, daß er zwei Übersetzungen dieser Schrift
ins Deutsche anordnete, die eine in der Nr. 10 des 15. Dezember und eine andere
in Nr. 11 des 31. Dezember 1921. In diesen Ausgaben werden nur einige Abschnitte
des Buches veröffentlicht. Der Verfasser will darstellen, daß es zwischen den
Anarcho- Syndikalisten und den Machnowisten keinen Unterschied gibt, weil der
Redakteur der Anarcho- Syndikalisten der Petrograder Zeitung „Golos Truda"
dieselbe Person war, die 1919 Präsident des revolutionären Kriegsrates Machnos
gewesen ist, nämlich Wollin nur einer dieser drei gewesen ist, die beiden
anderen noch bis auf den heutigen Tag Mitglieder der Organisation „Golos Truda"
sind. Wie uns bekannt ist, war auch Wollin nie Präsident des revolutionären
Kriegsrates Machnos.
Kann man etwa sagen, daß die kommunistische Partei eine Bande von
Expropriateuren ist, weil sie in ihren Reihen Kibaltschisch- Victor Serge- Le
Retif als einen ihrer internationalen Agenten hat, ein früheres Mitglied der
famosen Gruppe „L' Anarchie" ?
Die Rote Gewerkschafts- Internationale hätte ein wenig mehr Zartgefühl und
Ehrlichkeit nötig. Wenn sie nicht den Mut aufbringt, gegen die Verfolgungen der
Anarchisten und Syndikalisten in Rußland durch die kommunistische Partei
Rußlands zu protestieren, dann soll die RGI sich wenigstens in einen Winkel
zurückziehen und nicht Lügen verbreiten.
Der Kampf, den die kommunistische Partei Rußlands und die Zentrale der
russischen Gewerkschaften gegen den Syndikalismus und die Syndikalisten führen,
ist bereits auf das internationale Gebiet übergegangen. Die Toleranzerklärungen
und Freundschaftsbekundigungen sind Schlingen, in die die RGI, d.h. Moskau die
Naiven zu locken versucht.
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