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Unserem Rudolf Rocker!

Rudolf Rocker, der Mann mit dem komischen Namen war weder Komiker, noch Motorradfahrer, noch hatte er etwas mit Volksmusik zu tun. Dieser Mann, dessen 50. Todestag wir gedenken, hinterlässt bei Generationen von Menschen einen nachhaltigen Sinn für eine lebenswerte und glückliche Zukunft. Er fasziniert auch Menschen, welche sich absolut nicht autoritätsgläubig wähnen. Keine Sorge, durch Rocker werden wir es auch nicht werden! Seine Autorität ist eine natürliche, die mitunter sehr starke Verehrung seiner ist eine ebensolche. Für ihn wurden sogar in Gefangenen- und Konzentrationslagern unter Todesgefahren heimliche Gedenkfeiern veranstaltet. Wer mal einen seiner Texte gelesen hat, wird sich fortan keines Personenportraits seiner Person mehr genieren. Rudolf Rocker war bis 1958 fast 40 Jahre die wohl bekannteste lebende Persönlichkeit einer weltweiten freiheitlich-emanzipatorischen Bewegung. Der am 25. März 1873 in Mainz geborene Sohn eines Notendruckers kam als Vollwaiser mit 14 Jahren in ein katholisches Erziehungsheim. Die dortige Strenge förderte seinen Hunger nach Freiheit, die Bücher von Bakunin und Most ließen den Volksschüler und Buchbinderlehrling zu einem revolutionären Sozialdemokraten werden, welcher sich schon bald der anarchistisch orientierten „Opposition der jungen“ innerhalb der Partei anschließt. Vor der staatlichen Willkür floh Rocker 1892 nach Frankreich und 1895 nach London, wo er die nächsten 20 Jahre besonders unter den jüdischen TextilarbeiterInnen als charismatische und außerordentlich redebegabte Persönlichkeit anerkannt wurde, welche sich für die Einheit der Arbeiterklasse und gegen antisemitische Tendenzen erfolgreich einsetzte. Er war Mitorganisator des großen Londoner Textilarbeiterstreik von 1912, Redakteur der bedeutendsten Londoner Arbeiterzeitungen und machte sich bald schon in aller Welt einen Namen. Zu Kriegsbeginn im Jahre 1914 kam er, der Kriegsgegner, in ein Internierungslager. Wer nun glaubte, dies würde seine Wirkungskraft zum erliegen bringen, sah sich getäuscht. Seine Reden und sein Einsatz einte die dort Gefangenen unterschiedlichster Richtungen, darunter sogar viele Deutschnationale, welche zum ersten Male in ihrem Leben einen Hauch von Freiheit und Gleichheit spüren konnten. Ihm wurden dort Gedichte geschrieben unter dem Titel „Rudolf Rocker – Führe uns!“. Rockers Redegabe, seine Organisationsgabe und pädagogisches Gespür sprachen sich schon bald über die Grenzen Englands und Deutschlands herum, da in den englischen Lagern Gefangene aus aller Welt einsaßen. Der Autodidakt Rocker sprach stets in möglichst einfachen Worten, seine anspruchsvollen Texte verstehen Arbeiter wie Intellektuelle gleichermaßen, auf Deutsch, Englisch, Französisch und sogar Jiddisch. Mit dem Fall des deutschen Kaiserreiches im Jahre 1918 kehrte Rocker auf Einladung der syndikalistischen Gewerkschaft „Freie Vereinigung deutscher Gewerkschaften (FVdG) nach Deutschland zurück, und baute sie mit auf, u.a. durch die von ihm verfasste Prinzipienerklärung des Syndikalismus. Wo er auftrat, hatte sein Wort Gewicht, als Vortragsreisender und als ständiger Schreiber im Organ der FVDG-Nachfolgeorganisation „Freie Arbeiter-Union Deutschlands“ (FAUD), „Der Syndikalist“. Auch Milly Witkop-Rocker, seine Lebensgefährtin über fünf Jahrzehnte, wirkte ganz in diesem Sinne. Im Jahre 1922 wurde unter Rudolf Rockers maßgeblichen Mitwirkung in Berlin die „Internationale Arbeiter-Assoziation“ (IAA) in der Tradition der Ersten Internationale wiedergegründet. Rocker, welcher auch hier die Prinzipienerklärung verfasste, ist bis 1933 einer von drei Sekretären der weltweit bis zu mehrere Millionen ArbeiterInnen umfassenden IAA. Bei Rocker in Berlin verkehrte die internationale Prominenz des freiheitlichen Sozialismus, darunter Nestor Machno, Buenaventura Durruti oder Francisco Ascaso, für welche Rocker Fluchthilfe organisierte. Doch Deutschland war kein Boden für die Emanzipation der Arbeiterklasse, und im Jahre 1933 mußte Rocker vor den Nazis zunächst in die Schweiz, dann in die USA fliehen. Im Vergleich zum Exil anderer Nazigegner kommt ihm sein Bekanntheitsgrad zu Hilfe, sogar bei Albert Einstein. Rocker blieb im Exil für die durch Diktaturen und Kriege weitgehend versprengte weltweite Bewegung erste Kontaktstelle und Knotenpunkt für die Reorganisation. Vor den Nazis konnte er noch ein Manuskript retten, in welchem er alle seine geschichtsphilosophischen Gedanken zusammenfasste, und welches, in viele Sprachen übersetzt, in Deutschland im Jahre 1949 erstmalig unter dem Titel „Die Entscheidung des Abendlandes“ erschien. Der u.a. mit Emma Goldman, Max Nettlau, Alexander Berkman, Erich Mühsam und anderen weltbekannten AnarchistInnen befreundete Rudolf Rocker starb am 19. September 1958 im Alter von 84 Jahren in Crompond, Westchester County/USA.

H. (FAU-Bremen)



Literatur:

Rudolf Rocker: Aus dem Leben eines deutschen Anarchisten, Frankfurt 1973

Peter Wienand: Der ‚geborene’ Rebell. Leben und Werk Rudolf Rockers, Berliin 1981

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