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Freie Arbeiter Union Deutschlands (FAUD)
(Anarcho-Syndikalisten)
Unser Weg (1932)
Unser Weg
Die kollektiv-kapitalistische Sklaverei.
Das
heutige kapitalistische Wirtschaftssystem kennzeichnet sich durch eine
Entwicklung, die vom Privat- zum Kollektivkapitalismus führte. Mit dem Abschluss
des Weltkrieges setzte diese verschärft ein. Die Konzentration des Kapitals nahm
gewaltige Dimensionen an und äußert sich in den riesigen Trusts und
Industriekartellen, die die heutige kapitalistische Wirtschaftsweise
charakterisieren. Wir befinden uns in dem Zustand, wo das Kapital durch die
Industriekartelle und Trusts zum uneingeschränkten Monopolkapitalismus geworden
ist, der alle kleineren Unternehmungen und wirtschaftlich schwächeren Betriebe
erbarmungslos niedertrampelt. In Form der Quotenwirtschaft verschafft sich
dieser Kapitalismus Einfluss auf den Markt und regelt nach seinem Beheben
Produktion und Bedarf. Der Bedarf hört für diesen Kapitalismus da auf, wo in der
Konsumentenschaft keine Geldmittel zur Abnahme der erzeugten Produkte zur
Verfügung stehen. Dass durch die Rationalisierung die man einführte, um auf dem
Weltmarkt konkurrenzfähig zu bleiben, die Millionenarmee der Erwerbslosen
existiert und zwangsweise als Bedarfselement ausgeschaltet wird, kümmert diesen
Kapitalismus gar nicht. Diese Massen sind in seine "Bedarfswirtschaft" nicht
eingeschlossen. Dass sie in erzwungenen Müßiggang hineingepeitscht werden, zeigt
die Absurdität dieses Wirtschaftslebens. Nur besonderer Gunst ist es
zuzuschreiben, wenn heute noch jemand Arbeit hat oder welche bekommt. Für
Millionen Arbeiter gibt es keine Arbeit mehr im Kapitalismus. Dieser Zustand
drängt zu der großen Entscheidung - entweder Krieg um Absatzmärkte zur
Aufrechterhaltung des Kapitalismus - oder Sozialismus. Die Binnenmärkte der
Länder werden künstlich beengt, und dem Expansionsstreben des internationalen
Kapitals sind durch das Erwachen der primitiveren, technisch rückständigen
Völker Schranken gesetzt. Die Technik und der industrielle Aufbau halten ihren
Einzug in China, Indien, Australien und Rußland. Die Unabhängigmachung dieser
Welten vom europäischen und nordamerikanischen Export-Kapitalismus hält an. Nur
mit Mühe und Not kann man dem immer mehr um sich greifenden Selbstbewußtsein
dieser Völker einen Damm entgegensetzen. Was heute nur noch mit der brutalsten
militärischen Gewalt aufrechtzuerhalten ist, wird morgen in Frage gestellt sein.
Nur kriegerische Versuche und imperialistische Maßnahmen können jetzt für den
Kapitalismus noch etwas retten. Aber er ist schon gewarnt und behindert durch
die Entwicklung der Völker und sieht selbst keinen Ausweg mehr aus seiner Krise.
Er ist unfähig, seine eigenen Gesetze meistern zu können. Wo sollen in
Anbetracht dieser Verhältnisse noch Hoffnungen auf kapitalistische Konjunkturen
bestehen?
Abwälzung der Krisenfolgen auf das Proletariat.
Die heutige Wirtschaftskrise ist eine Weltkrise. Sogar Amerika ist den Schlägen
dieser Krise unterworfen. Nationale Belange spielen bei dem heutigen
Kapitalismus nur noch eine ganz sekundäre Rolle. Die internationale
Verständigung und Verflechtung des Kapitals macht rapide Fortschritte. Nationale
Fragen gibt es nur noch beim Proletariat. Die Kartelle und Trusts greifen
international ineinander über und finden im Proletariat keinen nennenswerten und
ebenbürtigen organisatorischen Widerstand. Alle Probleme sind international
geworden, und nur ein großer Teil der Arbeiter denkt noch national. Das Kapital
organisiert international den Kampf um den Bestand seines Profitsystems. Dieser
Kampf setzt sich über alle sozialen und politischen Errungenschaften hinweg und
kennzeichnet sich durch einen ständigen Druck auf die Lebensexistenz und
Grundlage der Arbeiterschaft. Im Angriff auf die sozialen Einrichtungen, im
Abbau jeder materiellen Fürsorge durch den Staat sieht er das letzte Mittel, die
Krise zu überwinden. Die Löhne werden endlos gedrosselt, die Arbeitsbedingungen
total verschlechtert und der Mensch zur Maschine degradiert. Die Verelendung
breiter Schichten des werktätigen Volkes in Deutschland steigt ins Unendliche.
Verzweiflung erfaßt breite Massen der Werktätigen. Gleichgerichtete
Entwicklungen gehen international, vor sich.
Die Pleite der Demokratie.
Hand in Hand mit dieser ökonomischen Wandlung geht die politische Reaktion. Die
verschärfte Ausbeutung durch den Kapitalismus bedarf einer ihm genehmen
Beherrschungsform. Seinem Wesen und seiner Entwicklung entsprechend muß sie
heute monopolistisch, diktatorisch und faschistisch sein. Die
demokratisch-parlamentarische Regierungsform war notwendig, um zu ihrer Zeit
noch größeren politischen Gefahren zu steuern, die sich hätten aus der
Revolution ergeben können. Sie war gut zu gebrauchen als Blitzableiter für die
revolutionären Energien der Massen, aber heute hat diese Regierungsform für den
Kapitalismus in Deutschland keinen Wert mehr. Er verlangt nach dem Mann mit der
starken Hand, der durch ein Direktorium der Sachwalter der kapitalistischen
Parasiten sein soll. Die Demokratie gibt keine Garantie für diese Politik. Sie
läßt sich zu viel vom Volk mit hineinreden. Die demokratischen Regierungen gaben
sich wohl alle Mühe, das Wohlwollen ihrer Herren Gebieter der Krautjunker und
Schlotbarone, zu erlangen, sie erwiesen sich in jeder Beziehung als getreue
Vasallen der Kapitalisten, aber den Kapitalisten genügt das nicht. Der Kurs muß
noch viel besser werden, er beginnt da, wo man die Einmischung des Staates und
der Öffentlichkeit in die Angelegenheiten des Kapitals vollständig aufhebt.
Nieder mit den Betriebsräten, den von den reformistischen Bürokraten
mitgetragenen Schlichtungsinstanzen und allen gesellschaftlichen
Kontrollmöglichkeiten, Hervorkehrung eines absolutistischen Regierungssystems,
das sind die hervorstechendsten Merkmale des Wollens der Wirtschaftsgewaltigen.
Es handelt sich hierbei um eine internationale Entwicklung. Es ist kein Wunder,
wenn aus diesem Grunde auch die faschistische Bewegung Deutschlands von der
Industrie finanziert wird. In der faschistischen Bewegung schafft sich der
Kapitalismus seine moderne Schutzgarde. Weniger das ist bedeutungsvoll, ob man
Hitler oder sonst wen als kommenden Mann ausersehen hat - Interesse erweckt nur
das Prinzip, das durch die rücksichtslose Ausschaltung und Beseitigung aller
politischen Freiheiten ein geistiges und kulturelles Trümmerfeld errichten will.
Wenn jeder freie Gedanke gedrosselt sein wird, wenn die Friedhofsstille der
Meinungen da ist, dann wird nur die eine existieren, die einzig mögliche und
geltende: die des Kapitals. Es gibt dann nur Befehle, die das Volk von oben
herab entgegenzunehmen hat. Diesen Zustand will der von den enttäuschten und
betrogenen Kleinbürgermassen genährte Faschismus, aus diesem Grunde hat er die
Sympathie und Hilfe des Kapitals. Der Kampf der Arbeiterklasse gegen das Kapital
ist heute der Kampf gegen den Faschismus. Die modernste Form der Reaktion, das
heutige Regierungssystem im "noch" demokratischen Mäntelchen, muß bereits als
ein faschisiertes angesprochen werden. Der Parlamentarismus hat in Deutschland
ausgespielt. Es ist ja auch gar nicht anders denkbar, denn im Kapitalismus
herrscht nicht irgendeine Staatsform, sondern es herrscht zu allen Zeiten das
Kapital, das sich noch jeden Staat dienstbar und gefügig gemacht hat. Die
Notverordnungen, die uns die Brüningregierung seit Ende 1930 beschert hat, sind
Ausdruck des Faschismus. Die letzten und kärglichen Reste der Demokratie: die
Rede und Pressefreiheit, das Recht der Koalition, sind fast außer Kraft gesetzt.
Die Versammlungen der Arbeiterschaft werden durch Waffensuche und Bespitzelung
systematisch beunruhigt, wie in alten Zeiten beaufsichtigen die "Pickelhauben"
die Versammlungen und spähen mit Argusaugen, ob nicht durch irgendein Wort ein
Grund zum Einschreiten und zur Auflösung der Versammlungen zu ergattern ist.
Wilhelm in Doorn fühlt sich ausgestochen, seine liberal-demokratischen
Nachfolger machen ihn unnötig. Auf die durch die Notverordnungen eingeführte
Arbeitsdienstpflicht soll nur andeutungsweise hingewiesen werden; dieser Kurs
zeigt, wohin die Reise geht. Es soll eine absolute politische Entrechtung und
Versklavung des werktätigen Volkes vorgenommen werden. Die Weimarer Verfassung
ist aufgehoben. Es wird mit dem famosen Artikel 48 regiert. Was unterscheidet
die Republik noch vom Faschismus?
Die SPD. - Schrittmacherin der Reaktion.
Die Reaktion auf allen Gebieten des gesellschaftlichen Lebens findet in der
Arbeiterbewegung keinen nennenswerten Widerstand. Durch die sozialdemokratische
Partei wird diesem Versklavungskurs schamlos das Wort geredet. Sie stützt jede,
auch die reaktionärste Reichsregierung und ist für alle politischen und
wirtschaftlichen Geschehnisse voll verantwortlich. Nur auf ihre tätige Mithilfe
ist es zurückzuführen, wenn es allenthalben gelang, diesen Kurs widerstandslos
durchzusetzen. Jede sozialistische Gesinnung mit ihren Konsequenzen ist bei
dieser Partei vor die Hunde gegangen. Man kennt nur noch eine einzige
Rücksichtnahme, von der man alle Entscheidungen abhängig macht: unbedingt und um
jeden Preis den sogenannten politischen Einfluß zu halten die feige Angst um
ihre Tausende von staatlichen Posten hat den Politikern der SPD. allen Verstand
und alles proletarische Fühlen genommen. Übriggeblieben ist nur der Zustand,
dass der kapitalistisch-bürgerliche Staat die Sozialdemokratie, nicht aber sie
den Staat erobert hat. Die sozialdemokratischen Führer erweisen sich als die
diensteifrigsten Lakaien der Herrscher von heute. Wie weit ihr
Verbürgerlichungsprozeß schon vorgeschritten ist, das haben wir an der
Bewilligung der Panzerkreuzer-Bauraten gesehen. Mit dem Maul sind sie für
Völkerversöhnung und -Verständigung, in der Tat aber gute Militaristen, die in
ihrer Endkonsequenz den Stahlhelmern und Hitlerianern in nichts nachstehen.
Diese Panzerkreuzersozialisten haben es bis zum heutigen Tage verstanden,
Millionen Arbeiter zu düpieren. Große Teile der Arbeiterschaft glauben noch
daran, es hier mit einer Arbeiterpartei zu tun zu haben. Das ist nicht der Fall,
die sozialdemokratische Partei ist der linke Flügel des Bürgertums. Sie kann
ihrem ganzen Wesen nach nur Bürger, aber keine Arbeiter organisieren und
gebrauchen. Es ist erfreulich, dass weite Kreise der Arbeiterschaft die
sozialdemokratische Partei in ihrem Tun durchschaut haben und sich jetzt mit
einem Ekelgefühl von ihr abwenden. Ihre Zusammenarbeit mit den Zentrumspfaffen
ist ein Symptom, und die Arbeiter, die die Konsequenzen einer solchen
Zusammenarbeit nicht sehen, sind wirklich zu bedauern. Die pfäffische
Verdummungspolitik hat ihren Schrittmacher in der Sozialdemokratie gefunden.
Arbeiter, seht ihr die Zusammenhänge? Kirche und Staat waren von jeher unsere
Feinde, heute versucht man sie uns als "Helfer" und Freunde" schmackhaft zu
machen!
Für die SPD. gibt es keinen Klassenkampf mehr. Der hat sich überlebt und
überholt, seit man selbst an den Futterkrippen sitzt. Es gibt nur noch die
alleinige Entscheidung aller Dinge durch den Stimmzettel, den man dann und wann
einmal in ein Wahlklosett hineinträgt. Diese Politik hat unser Elend gezeitigt
und hat unsere Versklavung im Gefolge. Dass Klassenfragen Macht- und Kampffragen
sind, ist der Parteibürokratie ein Buch mit sieben Siegeln geworden. So hat sich
denn das von der Sozialdemokratie vertretene Prinzip der Demokratie als
vollständig untauglich für den Befreiungskampf des Proletariats erwiesen. Da, wo
man die Ansätze einer sogenannten demokratischen Staatsform hatte, da fehlten
die Demokraten, die zu ihrem Prinzip gestanden hätten. Uns genügt es, zu wissen
dass die sich so nennenden Demokraten alle demokratischen Grundlagen in
Deutschland aufgehoben haben. Verlangt die Sozialdemokratie, dass wir sie noch
ernst nehmen?
Vollständiges Versagen der zentralistischen Gewerkschaften.
Die Koalitions- und Kompromißpolitik hat man in dieser Form auch auf die
Gewerkschaftsbewegung übertragen. Die Zentralverbände aller Schattierungen
unterstehen dem Einfluß der SPD. Sie gibt den Ton an. Dieser tönerne Koloß,
diese Millionen organisierter Werktätiger haben sich in ihrer Organisation ein
vollständig unbrauchbares Kampfmittel geschaffen, ein behäbiges, schwerfälliges,
reaktionäres, von allen guten Geistern verlassenes Organisationsgefüge. Ihm
fehlt die Lebendigkeit revolutionärer Energie und die notwendige
Klassenkampffreudigkeit. In jedem Betrieb klingt es den neuanfangenden Kollegen
in die Ohren: "Kollege, bist du schon organisiert?!" Daß man daraufhin auch
einmal die Frage stellt und darüber nachdenkt, warum man sich denn eigentlich
organisiert, das bringt die Zentralverbandsstrategen aus dem Häuschen. Es genügt
eben, organisiert zu sein, und das große Heer der Nullen um eine weitere zu
vermehren. Marschiere nur mit, Prolet weshalb, das wissen wir selber nicht. Wenn
wir nur marschieren.
Die großen Zentralverbände sind lediglich Unterstützungseinrichtungen geworden.
Man erzog sich eine Arbeitermentalität, die sich vollständig darin erschöpft,
für den hineingesteckten Beitrag möglichst ebensoviel herauszuholen. Daß die
wenigsten Geldmittel für Streik und Kampf ausgegeben werden, versteht sich von
selbst. Für die Zentralverbandsstrategen gibt es nur noch "wilde Streiks"; bei
diesen sind sie der Gefahr entrückt, sie finanzieren zu müssen. Wo soll man auch
bei größeren Kämpfen die Geldmittel hernehmen, wenn sie in den mannigfaltigsten
kapitalistischen Unternehmungen des Wirtschaftslebens stecken? - Die
Grundaufgaben einer Gewerkschaftsbewegung Kampf um Lohnerhöhungen, Verbesserung
der Arbeitsbedingungen, Abwehr aller Versuche, die Lebensexistenz des Volkes zu
verschlechtern, werden nicht mehr erfüllt. Man konstatiert nur immerwährend neue
und vollzogene Abbaumaßnahmen und findet sich kampflos damit ab. Das
Wirtschaftsinteresse ist dem politischen unterstellt worden, auch für diese
Fragen entscheidet letzten Endes die Sozialdemokratie, die auch hierin auf ihre
politischen Partner der Gegenwart und der Zukunft Rücksicht nehmen muß. Sie will
mit diesen Partnern und industriellen Scharfmachern die Krise überwinden, und
dieser Weg geht über den Abbau aller sozialen und wirtschaftlichen
"Errungenschaften". Wenn die Zentralgewerkschaften keine Kampforganisationen
sind - Arbeiter, was wollt ihr in diesen Verbänden? Es steht ganz außer Zweifel,
daß die Politik der SPD. und der Zentralgewerkschaften erst dem Faschismus und
der Reaktion die Möglichkeit gegeben haben, sich entfalten zu können. Wo die
reaktionären Kräfte keinen ernsten Widerstand finden, da können sie sich am
besten entwickeln.
Die KPD. zeigt keinen Ausweg.
In Opposition zur Sozialdemokratie befindet sich die Kommunistische Partei. Mit
dem Hinweis auf Sowjetrußland will man die Arbeiterschaft erfassen, um auch hier
ein Sowjetdeutschland zu errichten. Wenngleich man seitens der KPD. jeden als
"Konterrevolutionär" und "Feind" der Arbeiterklasse brandmarkt, der es wagt,
nicht in den allgemeinen Chor der Bewunderung einzustimmen, so kann uns das auf
keinen Fall hindern, die Dinge kritisch zu sehen. Rußland baut nach
westeuropäischem Muster den Kapitalismus auf. Die Arbeiterschaft muß begreifen,
daß Industrialisierung noch lange kein Sozialismus zu sein braucht.
Industrialisierung und Technisierung haben erst dann etwas mit Sozialismus zu
tun, wenn sie in den Dienst der gesellschaftlichen Bedürfnisbefriedigung
gestellt werden. Zu diesem Zwecke muß man die Produktion auf die Bedürfnisse der
arbeitenden Konsumenten, das heißt auf die des Volkes einstellen. Daß dem aber
nicht so ist, davon zeugen die vorhandenen Zustände, die sogar einen Mangel an
den elementarsten Lebensbedarfsdingen erkennen lassen. Die Rationierung der
Lebensmittel zum Beispiel redet eine deutliche Sprache und erinnert uns an
Zeiten, die wir noch zu gut im Gedächtnis haben. - Das russische Volk erhungert
sich durch seine Primitivität die Industrialisierung! Das ist verkehrt. Eine
Revolution, die nicht die Fragen der Sicherstellung der primitivsten
Lebensbedürfnisse gelöst hat, ist keine Umwälzung von allzugroßer Bedeutung
gewesen. Wir in Deutschland wollen uns bestens vor diesem russischen "Beispiel"
bedanken.
Die kapitalistische Entwicklung Rußlands ist unzweideutig. Den Kommunismus hat
man begraben und stellt sich auf rein kapitalistische Produktionsverhältnisse
ein, die ganz besonders in der Wirtschaftsführung zum Ausdruck kommen. Der
neueste durch Stalin vertretene Kurs rottet die letzten Reste einer
kommunistischen Wirtschaftsführung aus und überträgt die Leitung der Betriebe
der Einzelinitiative, der autoritären Betriebsführung. Die kollektive Führung
der Wirtschaft durch die Arbeiter selbst wird abgeschafft. Die Räte, als
Ausdruck dieser Kollektivität, werden dem Machtspruch des Betriebsleiters
unterstellt, die Selbstverantwortlichkeit der Arbeiter in ihrem Werk wird völlig
erschüttert. Es ist das gerade Gegenteil von dem, was den Kommunismus und das
kollektivistische Prinzip ausmacht. Daß man zwischen qualifizierten und
nichtqualifizierten Arbeitern unterscheidet, daß nach Leistung und nicht nach
dem Grundsatz voller, ausgleichender sozialistischer Gerechtigkeit bezahlt,
wird, daß überhaupt im Prinzip das Lohnklassensystem anerkannt wird, das zeigt
uns Rußland als ein Land, welches vom Kommunismus weiter denn je entfernt ist.
Daß Rußland keine Arbeitslosigkeit kennt, würde - wenn es der Fall sein sollte -
noch gar nichts besagen; denn es ist ja nicht das Ziel der Arbeiter, nur Arbeit
zu bekommen, sondern Arbeit unter Ausschluß der Lohnsklaverei. Arbeit kann man
unter Umständen schließlich auch in jedem anderen kapitalistischen Lande finden,
damit ist aber noch gar nichts gesagt. Wir haben als Arbeiter nur die
Feststellung zu machen, daß in Rußland weder der Sozialismus noch der
Kommunismus zu Hause ist.
Die Kommunistische Partei lebt und zehrt eigentlich nur von der Verherrlichung
der russischen Zustände. Kritische Meinungen sind verpönt. Dessen ungeachtet
könnten wir durch die Führung der KPD. bestenfalls nur die gleichen Zustände
herbeiführen wie in "Sowjetrussland“. Daran kann uns nichts liegen, wir wollen
weiter und mehr, zumal ja auch die deutschen Verhältnisse industriell viel
entwickelter sind als die russischen. Weshalb aber die russischen Verhältnisse
auf Deutschland Übertragen, wenn wir weitergehen können? In ihrer Endkonsequenz
kann die KPD. nicht mehr schaffen als die SPD. Sie sind beide auf dem Boden
einer Weltanschauung gewachsen und unterscheiden sich nur durch die Wahl ihrer
Mittel, um die Herrschaft zu erringen. Und diese von der KPD. angewandten Mittel
sind manchmal sehr zweideutig; mitunter, wie beim "Roten" Volksentscheid im
August 1931 zur Auflösung des preußischen Landtages, grenzen sie an Perversität
und Charakterlosigkeit. So wie die Sozialdemokraten als
Panzerkreuzersozialisten, so haben wir die Kommunisten als Stahlhelmkommunisten
kennengelernt. Mit solchen reaktionären Mitteln und Methoden haben
klassenbewußte Arbeiter nichts zu tun. Die Klassenfronten sind geschieden, mit
unseren größten Gegnern paktieren wir nicht, das erfordert unser Anstand, unsere
Ehre und unser Klassenbewußtsein. Durch ihre blöde Taktik hat die KPD. der SPD.
neues Wasser auf die Mühle geliefert, indem diese sagen kann, daß die KPD.
gemeinsam mit der Reaktion marschiert. Die Abstimmungsergebnisse haben uns
seinerzeit beim preußischen Volksentscheid mit erfreulicher Deutlichkeit
gezeigt, daß weite Kreise der Massen des Proletariats der KPD. die Gefolgschaft
versagt haben, weil sie mit dieser Einstellung nicht mitgehen konnten. Das ist
ein Gesundungszeichen.
Die Internationale Arbeiter-Assoziation.
Die zweite und dritte Internationale haben Bankrott gemacht. Amsterdam und
Moskau wirtschaften ab. Beide werden der Arbeiterschaft nicht die soziale
Befreiung bringen, sie enden gegebenenfalls bei einer Staatseroberung, die neue
Sklaverei, politische Entrechtung und Ausbeutung im Gefolge hat. Zum
Staatskapitalismus kommt man. Können die Arbeiter daran ein Interesse haben?
Nein! - wird sich jeder vorwärtsstrebende Arbeiter entscheiden. Das berechtigte
Mißtrauen gegenüber den politischen Parteien und ihren Internationalen zwingt zu
einem Anschluß an die vollkommen andersgeartete Internationale
Arbeiter-Assoziation, die IAA., unter deren Banner das Proletariat sich sammeln
muß, um einen wirksamen Kampf zu führen. Die Arbeiterschaft will heraus aus dem
unsäglichen Zwang des Staatsapparates, sie will die Abschaffung aller Ausbeutung
und Entrechtung, sie will den sozialen Aufstieg! Weg mit der gesamten
Lohnsklaverei, auch wenn sie sich in noch so verbrämtem Gewande wieder
einzunisten versucht!
Die IAA. ist die Fortsetzung der im Jahre 1864 von Arbeitern ins Leben gerufenen
ersten Internationale. Im Jahre 1920 neu gegründet, steht sie genau wie ehedem
auf dem fundamentalen Boden der wirtschaftlichen Solidarität der Arbeiter der
Welt. Gegen die Staaten aller Länder propagiert sie die ökonomische Solidarität
der Arbeiter und ist der Meinung, daß die zukünftige Verwaltung der Dinge das
Werk der Arbeiter selbst sein muß unter Ausschluß des Staates. Die befreite und
organisierte Arbeit wird den Staat ersetzen. Die Sektionen der Internationale
und ihre Gewerkschaften werden die notwendige Verwaltungsarbeit übernehmen. Das
war ein gesunder Standpunkt, der den politischen Karrieremachern das Wasser
abgrub. Wenn sich die Arbeiterklasse insgesamt auf diesen Standpunkt
konzentriert hätte, dann stünden wir heute besser da und brauchten uns nicht mit
den Politikanten herumschlagen.
Hunderttausende Arbeiter marschieren bereits wieder unter dem Banner der
wiedergeborenen ersten Internationale. Das spanische Proletariat, in der
syndikalistischen "Confederacion Nacional del Trabajo" organisiert, kämpft gegen
Kapitalismus und Staat und steht in einem ausgesprochenen Gegensatz zur zweiten
und dritten Internationale. Die syndikalistischen Organisationen aller Länder
stehen zur CNT. Sie muß durch das Beispiel ihrer Methoden und Kämpfe in Spanien
die gesamte Arbeiterbewegung neu beleben. Besonders deshalb, weil hier mit allen
revolutionären Mitteln gekämpft wird, die in den Arbeiterorganisationen der
meisten Länder verpönt sind. In Spanien werden noch Generalstreiks geführt, wird
die Sabotage als Kampfmittel in Anwendung gebracht, erlebt die passive Resistenz
eine ihr gebührende Berücksichtigung. An unserer spanischen Organisation werden
sich die spanischen Noskes die Zähne ausbeißen. So leicht wie in Deutschland
wird es der dortigen Sozialdemokratie nicht gemacht werden. - Trotz aller
Schwindeleien und Verleumdungen, die die Kommunistische Internationale über
unsere spanischen Genossen verbreitet hat, kämpfen unsere Genossen und lassen
sich nicht beirren.
In Deutschland ist die Internationale Arbeiter-Assoziation in der Freien
Arbeiter-Union (Anarcho-Syndikalisten), verankert. Deutschland hat einen
schweren und steinigen Boden für unsere Ideen, aber wenn man weiß, daß es keine
andere Möglichkeit gibt, um zur sozialen Freiheit und Beseitigung der
Ausbeutungswirtschaft zu kommen, dann erwächst uns die Aufgabe, Mahner und Rufer
zu sein. Weite Kreise der Arbeiterschaft wenden sich mit Ekel und Abscheu von
den Parteien ab, die sie bisher in einem fort betrogen haben. Verzweiflung und
Indifferenz haben aber keinen Sinn, sie dienen nur dem Klassenfeind. Aus diesem
Grunde rufen wir dich, Arbeiter. Hand- und Kopfarbeiter, denen es um den
Sozialismus ernst ist, die ihr ihn nicht in den veralteten und verstaubten
Parlamentsräumen begraben lassen wollt, ihr seid aufgefordert zum Eintritt in
unsere Reihen. Die anarcho-syndikalistische Bewegung Deutschlands ist das
Sammelbecken aller wirklich um Freiheit kämpfenden Arbeiter. Nur durch sie wird
es möglich sein, Freiheit und Wohlstand für Alle zu schaffen. Sie betritt nicht
die schlüpfrigen Pfade der Parlamentspolitik, und es liegt ihr auch nichts an
Diktaturzuständen, einerlei in welcher Form und Farbe sie sich uns aufdrängen
wollen. Prolet - entscheide dich!
Weg und Ziel der Freien Arbeiter-Union (Anarcho-Syndikalisten).
Die FAUD. (Anarcho-Syndikalisten) ist keine politische Partei. Gegen die
Parteien organisiert und erfaßt sie die Arbeiter in ihrer Eigenschaft als
Produzenten. Durch den revolutionären Wirtschaftskampf kämpft sich auch
gleichzeitig für politische Forderungen und Notwendigkeiten. Sie ist
wirtschaftlich-politisch gegen den Staat, die Regierungen und Parteien
eingestellt und darum wirklich revolutionär.
Die organisatorische Grundlage der FAUD. (A.-S) kann darum nur eine ökonomische
sein. Sie wurzelt in den Industrieföderationen oder Industrieorganisationen der
Fabrik- und Landarbeiterschaft, diese wiederum in den Betrieben und
Betriebsorganisationen der einzelnen Industrien. Dem Anarcho-Syndikalismus
entsprechen diese und keine anderen Organisationsgruppierungen. Der
Anarcho-Syndikalismus lebt durch diese organisatorische Grundlage seine
ökonomischen, politischen und kulturellen Interessen. Die ideologischen
Triebkräfte des Anarchismus sind beim Anarcho-Syndikalismus in den
revolutionären Industrieföderationen verankert. Der Anarcho-Syndikalismus ist
die Einheitsorganisation des Proletariats. Er fundiert in seiner
Organisationsgrundlage - in den Industrieföderationen - die Geisteswelt des
Anarcho-Syndikalismus. Auf dieser Grundlage schweißt er die materiellen und
geistigen Interessen der Arbeiterklasse zusammen. Dies ist unsere
Weltanschauung. Auf dieser Grundlage führt er den Tageskampf und auch den Kampf
um die Zukunft - den freiheitlichen Sozialismus. Als Hilfsmittel, und um seinen
Aufgaben gerecht zu werden, die darin bestehen, die Gesellschaft von Grund auf
umzugestalten und auf der Basis der sozialen Gerechtigkeit zu organisieren,
entwickelt er aus dem Schoße des revolutionären Land- und Industrieproletariats,
aus den Industrieföderationen heraus, seine Arbeitsbörsenorgane, die lediglich
die Vollstrecker des Willens des Proletariats selbst sind. Die Arbeitsbörsen als
lokale Vereinigungen aller Arbeiter sind organisch entwickelt und gebunden durch
und an die einzelnen Industrieföderationen, deren anarcho-syndikalistisches
Wollen sie widerspiegeln.
Die Industrieorganisationen können nicht mit den bloßen Berufsorganisationen
identifiziert und verwechselt werden. Denen gegenüber sind sie fortschrittlich
und durchaus modern den Verhältnissen entsprechend eingestellt. Sie knüpfen an
die Organisationsgruppierungen des heutigen Kapitalismus an, der sich in
Industriekartellen und Industrietrusts zusammengeschlossen hat. Diesem Zustand
entsprechend schafft der Anarcho-Syndikalismus durch die FAUD. (A.-S.)
ebenbürtige Organisationsgruppierungen gegen den Kapitalismus, die die Aussicht
haben, den Kampf gegen den Kapitalismus erfolgreich zu bestehen. Dies ist die
organisatorische Linie, die die FAUD. (A.-S.) propagiert.
Auf dieser organisatorischen Grundlage wollen wir die Arbeiterschaft zum
Klassenkampf herausfordern. Mit den Mitteln der direkten Aktion, das heißt des
Eingreifens in den Gang der Dinge und Entwicklung, ohne an parlamentarische
Gepflogenheiten gebunden zu sein, wollen wir zum Kampf für folgende Tages- und
Zielforderungen aufrufen:
1. Kontrolle der Produktion durch die Arbeiterklasse;
2. Kampf um die Erweiterung der Macht der Betriebs- und Arbeiterräte, um sie zu
Instrumenten der Kontrolle der Produktion und der Organisierung des Widerstandes
der Arbeiterklasse gegen den Kapitalismus und die fortschreitende Faschisierung
zu machen;
3. Organisierung des Kampfes der Arbeiterklasse gegen die Folgen der
Rationalisierung durch Erringung des Sechsstundentages bei vollem Lohnausgleich
und unter gleichzeitigem Einsatz aller Klassenkräfte für die Erhöhung der
Arbeitslöhne - Herstellung der solidarischen, praktischen Einheitsfront zwischen
Arbeitenden und Arbeitslosen ist die Vorbedingung dieser Kämpfe - nicht
politische Schaumschlägerei und Machtpolitik diktaturlüsterner Politikanten,
sondern nur praktische Zusammenarbeit der Gesamtarbeiterklasse ist der Ausweg;
4. Einheitslöhne als etappenweise lokal und industriell zu erkämpfendes Ziel;
5. Organisierung breiter Boykottbewegungen zur Unterstützung der
Wirtschaftskämpfe und Einflußnahme der Arbeiterklasse auf die Preisgestaltung,
um den Wirtschaftsaktionen sozialistischen Wert zu geben;
6. Organisierung von Mieterstreiks unter den Arbeitslosen;
7. Vorbereitung des Generalstreiks zur Überwindung des Kapitalismus und zur
Niederschlagung der Reaktion;
8. Organisation der befreiten Arbeit aus den Betrieben, Werkstätten, Feldern und
Industrien heraus, die in einem freien Rätesystem wurzeln muß.
Die freie, räteorganisierte Gesellschaft ist unser Ziel. Um sie kämpfen wir.
Für die freie Rätegesellschaft in einem freien Räte-Deutschland! Hinein in die
FAUD.
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