|   
Home   
Suche 
auf Syfo
/Search Syfo Pages   
Other Languages/ 
Otras Lenguas   
Kontakt   
Impressum |  |   
Helge Döhring
 Theodor Plieviers Beziehung zum 
Anarcho-Syndikalismus
 
 Theodor Plievier (1892-1955) war Anfang der 20- er Jahre Mitglied der 
Agitationskommission Sachsen der FAUD, und referierte im April 1922 in Chemnitz 
vor 22 Delegierten aus 13 Ortsgruppen der FAUD (darunter Max Büttner, Berthold 
Cahn und Oskar Kohl) über die Funktion der Agitationskommission. (Vgl.: „Der 
Syndikalist“, Nr. 20/1922) Von der Hamburger Polizei wurde er 1921 als 
„Syndikalistenführer“ eingestuft. Auch nahm er an einem Reichskongress der FAUD 
in den frühen 20-er Jahren teil und bot sich für die „Presskommission“ des 
„Syndikalist“ an. Zwar wurde er abgelehnt, doch lieferte er sowohl 
wirtschaftspolitische als auch kulturelle Beiträge im „Syndikalist“. Gegen das 
Konkurrenzprinzip weltweiter kapitalistischer Wirtschaftsweise setzte er die 
internationale Solidarität der Arbeiterklasse. Um Löhne zu drücken und Streiks 
abzuwürgen, verlagerten viele Firmen ihre Produktion in Länder mit günstigeren 
Arbeitskräften oder drohten dies an. Dieses sollte der Arbeiterschaft bewusst 
werden. Dann können sie durch einen internationalen Verbund eine Ordnung 
schaffen, „die aus den Wurzeln der Arbeit heraus an die Lösung der großen und 
größten Fragen der Menschheit“ herangehen könne. (Vgl.: „Der Syndikalist“, Nr. 
21/1921) Dies sei mit den Zentralverbänden des ADGB jedoch nicht zu machen, denn 
trotzdem diese etwa 10 Millionen Mitglieder vereine, und damit alle 
Möglichkeiten zur Befreiung der Arbeiterschaft habe, handele es sich bei diesen 
„Arbeitermassen“ lediglich um „zehn Millionen Nullen mit einer Handvoll Verräter 
an der Spitze.“ („Der Syndikalist“, Nr. 9/1922)
 
 Plieviers Ansichten zur Befreiung der Arbeiterklasse
 
 Die Arbeiterschaft müsse sich dessen bewusst werden, dass sie ihr Leben selber 
bestimmt, und sich daher von „Führern, Ministern und anderen Sachverwaltern“ 
selber befreien muß. Dies müsse bald geschehen, um den Untergang der 
Zivilisation und Kultur „in Blut und Schmutz und Schande“ zu verhindern. („Der 
Syndikalist“, Nr. 9/1922) Als ein Kampfmittel betrachtete er die Sabotage, auf 
welche er im „Syndikalist“ einen lobpreisenden Kommentar schrieb. Die Sabotage 
sei „die Kampffanfare, die Kampfansage an die Welt der Herren, der Ausbeuter und 
Unterdrücker. Sabotage en masse ist der Anfang vom Ende, ist Aufbruch der 
Knechte. Sabotage ist das Feuerwerk, in dem Weltuntergang und Anfang lodert. Die 
aus dem Weh, dem Wissen und Wollen der Arbeiterschaft herausgeborene Sabotage 
der kapitalistischen Ordnung trägt in sich Werden und Zukunft; sie ist Form, 
gewordener Vernichtungs- und Schöpfungswille, ist Tat und Zukunftsmusik.“( „Der 
Syndikalist“, Nr. 9/1922)
 
 Spanien-Solidarität
 
 Er schrieb im „Syndikalist“ (Leit-) Artikel über die revolutionäre 
Arbeiterbewegung in Spanien, wandte sich vehement gegen die Auslieferung der 
spanischen Syndikalisten Louis Nicolao Fort und Lucia Joaquina Concepcion und 
spendete für den Spanien Solidaritätsfond der FAUD. (Vgl.: „Der Syndikalist“, 
Nr. 2/1922) Vergeblich versuchte die FAUD mit Kundgebungen und Bündnisangeboten 
an Parteien und ADGB-Gewerkschaften, diese Auslieferung aus Deutschland nach 
Spanien zu verhindern: „Die eigene Kraft und die Bewusstheit der Arbeiterschaft, 
die Einsetzung der direkten Aktion der Schaffenden hätte auch die Genossen Fort 
und Lucia Concepcion vor dem entsetzlichen Schicksal bewahrt, dass ihrer in 
Spanien wartet. Aber weit entfernt davon, diese Frage internationaler 
Solidarität selbst in die Hand zu nehmen, haben die Arbeiter Deutschlands sie 
ihren Führern, den Berufspolitikern und Staatsmännern überlassen.“ („Der 
Syndikalist“, 4. Jg. (1922), Nr. 9) Für die festeren gewerkschaftlichen 
Strukturen der FAUD sah er sich als Schriftsteller weniger geeignet, weshalb er 
sich letztlich dort nicht weiter engagierte, jedoch in freundschaftlichem 
Kontakt stand.
 
 „Hunger“
 
 Zu einer Zusammenarbeit Plieviers mit Käthe Kollwitz kam es anlässlich eines 
Flugblattes mit dem Titel „Hunger“, welches u.a. von diesen im Jahre 1922 
herausgegeben wurde. Der Erlös aus dem Verkauf sollte hungernden Kindern in 
Russland zugute kommen. Dem „Syndikalist“ war es zwei Meldungen von Fritz Oerter 
wert. (Vgl.: „Der Syndikalist“, Nr. 29/1922) Dieser berichtete von 
Veranstaltungen Plieviers zum Thema am 23. und 24. August in Fürth und Nürnberg: 
„Er (Plievier) predigte (!) die uralte Religion der Allverbundenheit (...) Nur 
die Hingebung des Einen an alle Anderen, die nach keiner Gegenleistung verlangt, 
nur die Liebe in ihrer weittragensten Bedeutung kann die Menschheit vor neuen 
Kriegen und vor dem Verhungern erretten. In diesem Geiste bewegten sich die 
Ausführungen, die Theodor Plievier in seinen Reden machte und sie lösten nicht 
nur großes Interesse und Beifall, sondern auch bei vielen eine tiefe 
Ergriffenheit aus. („Der Syndikalist“, Nr. 36/1922) Nicht nur Plievier 
propagierte den Generalstreik. Auch Oerter schloß seinen Bericht über die 
Plievier-Veranstaltung mit den Worten: „Wenn die Arbeiter sich jetzt davor 
fürchten, einige Tage zu hungern, werden sie vielleicht später um so länger und 
fürchterlicher Hungern müssen. Wer den Generalstreik nicht will, wird die 
Generalaussperrung und die allgemeine Arbeitslosigkeit haben. Man bedenke wohl, 
dass es jetzt aufs Ganze geht! Hunger tut weh, aber das Verhungern bedeutet den 
Tod. Auf zum Kampf und zur Abwehr!“ („Der Syndikalist“, Nr. 36/1922) Die 
syndikalistische Frauenzeitschrift „Schaffende Frau“ brachte ebenso das Motiv 
„Hunger“ auf der Titelseite der Ausgabe Nr. 36 (1922) und machte das Thema 
Hunger zum Schwerpunkt.
 
 Vortragsreisender
 
 Plievier wandte sich in den folgenden Jahren gegen den Organisationsgedanken, 
was auch die FAUD registrierte. Generell steuerte sie, beispielsweise Helmut 
Rüdiger auf dem 15. Kongress der FAUD im Jahre 1925 solchen Tendenzen, besonders 
in der anarcho-syndikalistischen Jugendbewegung entgegen, doch erreichten 
Plieviers Worte anscheinend eine ganze Anzahl von Jugendgruppen, welche sich 
somit nicht an anarcho-syndikalistische Prinzipien oder Organisationen binden 
wollten. Plieviers Werke wurden dennoch im „Syndikalist“ wohlwollend besprochen 
(Max Hilse 1930 über „Des Kaisers Kulis“ und Karl Dingler 1932 über „Der Kaiser 
ging, die Generäle blieben“), und weiterhin erschienen Artikel von ihm. Dann 
fragte Mitte 1932 ein offener Brief im „Syndikalist“, warum Plievier für die 
Reichstagswahlen und eine Einheitsfront von SPD und KPD einträte, woraufhin 
dieser daselbst zwei Wochen später versicherte, dass er nach wie vor zu seinen 
anarchistischen Idealen stehe. (Vgl. „Der Syndikalist“ Nr. 27 und 29/1932). Als 
diese Mißverständnisse ausgeräumt waren, laß Plievier Ende des Jahres in vielen 
Städten auf Veranstaltungen der FAUD und Gilde freiheitlicher Bücherfreunde (GFB). 
Er freundete sich mit dem Göppinger Anarcho-Syndikalisten Karl Dingler an und 
noch am 21. Februar 1933 veranstaltete die GfB Freital einen Plievier-Abend mit 
Vorlesungen und Gesang. (Vgl.: „Der Arbeitslose“, Nr. 5/Mitte März 1933)
 
 Nach 1933
 
 In der Nacht des Reichstagsbrandes wurde Plievier verhaftet, obwohl er nach 
Aussage der Syndikalisten „politisch in den letzten 10 Jahren überhaupt nicht 
tätig gewesen“ war. Vielmehr sei er offenbar wegen seiner schriftstellerischen 
Tätigkeiten verhaftet worden. Dagegen protestierten die Anarcho-Syndikalisten 
öffentlich in „Der Arbeitslose“ mit den Worten „Fort mit der faschistischen 
Barbarei, die solche Methoden einführt!“ (Vgl.: „Der Arbeitslose“, Nr. 5/Mitte 
März 1933) Nach dem Exil kehrte er in die Sowjetische Zone zurück, von dort 
jedoch schon 1948 in den Westen, wo er in Sorge vor dem kommunistischen 
Geheimdienst, der ihn entführen könnte, mehrfach den Aufenthaltsort wechselte, 
unterstützt von Karl Dingler, welcher mit ihm gut besuchte Veranstaltungen 
organisierte. Schließlich lebte er bei Konstanz und zog ins Tessin, wo er 1955 
an einem Herzinfarkt starb. Er hielt sporadischen Briefwechsel zu 
Anarcho-Syndikalisten, darunter Rudolf Rocker, welcher in den USA lebte. Dieser 
schrieb einen Nachruf auf Plievier, wo er zum Ausdruck bringt, dass Plievier 
stets bei seinen anarchistischen Idealen geblieben sei und sich niemals hatte 
zum Kommunisten bekehren lassen. Plieviers Freund und Biograph Harry Wilde 
bestätigte dies: „Wer Plievier kannte und kennt, muß wissen, dass er sich 
niemals in den Reihen einer ausgesprochen totalitär ausgerichteten Partei würde 
wohlfühlen können. So war der Bruch mit dem dortigen Regime nur eine Frage der 
Zeit.“
 
 
 
 Theodor Plivier
 
 Sabotage
 
 Ein Wort, geladen mit wilden Energien, das schwanger ist von Explosionen, 
zusammenklappenden Eisenbahnbrücken und berstenden Hochöfen. Ein Funken der 
Urkraft ist beschlossen in diesem Begriff; er magnetisiert Millionen Hirne, 
wirft einen Strudel explosiven Tatwillen in die Massen und lähmt das Leben; er 
lähmt die Kraft der Lokomotiven, der Ozeandampfer und die der sausenden 
Riesendynamos, die die Städte und Länder mit Kraft speisen und weißen flirrenden 
Licht.
 
 Sabotage ist das letzte verzweifelte Mittel einer an den Rand des Nichts 
gedrängten Arbeiterschaft; sie taucht die großen Stadte in Finsternis und macht 
Enfernungen wieder zu Entfernungen.
 
 Sabotage reduziert unsere Zivilisation bis zum Anfang, bis zum Urbeginn zurück, 
bis auf das Nichts.
 
 Sabotage ist der Zündpunkt der Revolution, die Alarmtrommel für die 
Geknechteten; sie ist der Tigersprung der Enterbten und Unterdrückten, ist die 
Pranke der Arbeit an der Kehle des Kapitals.
 
 Mögen sie schmähen, die Reichen und Mächtigen dieser Erde. Das Recht ist nicht 
bei ihnen. Arbeit hat die Länder fruchtbar, Ströme und Meer schiffbar gemacht; 
Arbeit hat Straßen, Schienenwege und drahtlose Telegraphiestationen gebaut und 
Arbeiter geben Funktürmen, Lokomotiven und Dampfpflügen Leben, Bewegung und 
Triebkraft.
 
 Arbeiter sind die Erdenker, Erbauer und Träger der Zivilisation; in den Fäusten 
der Arbeiter liegt die Macht dieser Zivilisation, die sie geschaffen, zu 
zertrümmern. Und wer will ihnen wehren, solches zu tun, wenn alle Maschinen, 
alle Räder und Turbinen, die sie treiben, nicht genügen, wenn aller Reichtum, 
den sie schaffen, von einer Gesellschaft von Prassern und Hetären in 
wahnsinnigen Wirbeln der Verschwendung aufgebrannt wird; sie selbst aber im 
Dunkel hocken und nicht Brot genug haben, um ihren Hunger zu stillen und keine 
Kleidung, damit sie ihre Blöße decken.
 
 Hedoniker, Damen und Dirnen baden in den Fluten weißen elektrischen Lichtes; 
durch ihre schlanken Finger rinnen die Arbeitsfrüchte von Generationen, 
verrinnen in Staub, in Schmutz und Vergessen. Und die Mütter der Erde bleichen 
im Schatten, mit leeren Brüsten, gebeugt, an den Boden gedrückt, tragen sie eine 
Welt von Überfluß, Wahnsinn und Verschwendung.
 
 Sabotage ist die Kampffanfare, die Kampfansage an die Welt der Herren, der 
Ausbeuter und Unterdrücker.
 
 Sabotage en masse ist der Anfang vom Ende, ist Aufbruch der Knechte.
 
 Sabotage ist das Feuerwerk, in dem Weltuntergang und Anfang lodert. Die aus dem 
Weh, dem Wissen und Wollen der Arbeiterschaft herausgeborene Sabotage der 
kapitalistischen Ordnung, trägt in sich Werden und Zukunft; sie ist Form, 
gewordener Vernichtungs- und Schöpfungswille, ist Tat und Zukunftsmusik.
 
 Aus: „Der Syndikalist“, 4. Jg. (1922), Nr. 9
 |  | Seit_2007   Since 2007   |