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Geschichte der syndikalistischen
Arbeiterbewegung in Deutschland - Ein virtuelles Museum - Teil 2
Die Gründung der FAUD
(Syndikalisten) auf dem 12. Kongreß der Freien Vereinigung Deutscher
Gewerkschaften.
Die Demokratisierung des politischen
Lebens, die schon vor der Revolution eingesetzt hatte, hob den Gegensatz
zwischen Führern und Geführten, den der Syndikalismus durch sein
föderalistisches Organisationsprinzip ausschalten wollte, keineswegs auf.
Diese Tatsache bildete einen wesentlichen Faktor in der Entwicklung der
deutschen syndikalistischen Arbeiterbewegung.
Die sozialdemokratische Partei, die nach der Revolution durch die Teilnahme
an einer Koalitionsregierung die Verpflichtung zum Wiederaufbau des Staates
mit übernommen hatte, musste infolgedessen, um ihr eigenes Werk nicht zu
gefährden, ihre revolutionäre Aktion zurückstellen. Das Erlebnis der
Revolution und der nahezu völlige Zusammenbruch des Wirtschaftslebens hatten
aber andererseits die revolutionären Tendenzen in der Arbeiterschaft
verstärkt. Das musste den Gegensatz zwischen der Leitung der Partei sowohl
wie auch der der Freien Gewerkschaften und den Arbeitern selbst vergrößern.
Der gegenseitige Kampf führte zunächst zur Spaltung der politischen Partei,
die die Trennung der Gewerkschaftsbewegung zur Folge hatte. Die Kritik der
Opposition innerhalb der Freien Gewerkschaften richtete sich, wie schon im
letzten Kapitel erwähnt, gegen die reaktionäre Haltung der Generalkommission
während des Krieges und nach der Revolution, in welcher Zeit diese mit den
Arbeitgebern Arbeitsgemeinschaften durch Abschluß langandauernder
Tarifverträge eingegangen war. Daraus macht man ihr den Vorwurf, den
Klassenkampfcharakter der Gewerkschaften verleugnet zu haben, deren Aufgabe
es nicht allein sei, den Arbeitern höhere Löhne und bessere
Arbeitsbedingungen zu verschaffen, sondern auch ihre Mitglieder dahin zu
erziehen, dass sie in kommender Zeit die Funktion der Unternehmer in einer
künftigen sozialistischen Gesellschaft auszufüllen imstande sind. Diese
Aufgabe zu erfüllen, waren die zentralen Gewerkschaften außerstand; denn
ihre Teilnahme an der Regierungsgewalt auf dem Umwege über die Partei führte
sie zu einer zwangsläufigen Ablehnung jeder revolutionären Aktion.
Auch gegen die Organisationsform der Freien Gewerkschaften erhoben sich
Widersprüche. Aus dieser Bewegung heraus erwuchs die Entwicklung vom alten
Berufsverband zum Industrieverband, der alle Arbeiter ohne Rücksicht auf
ihren Beruf innerhalb einer Industrie vereinigen sollte.
Die Unzufriedenheit mit der Organisationsform und der Taktik der Freien
Gewerkschaften erreichte naturgemäß in jenen Gegenden Deutschlands ihren
Höhepunkt, in denen die Ansammlung von Arbeitermassen am stärksten war. In
den Hauptindustriezentren im Rheinland, in Hamburg und in Berlin gab die
zentralgewerkschaftliche Opposition zuerst ihrem Unmut Ausdruck, indem sie
die Freien Gewerkschaften verließ.
So traten am 15. und 16. September 1919 auf der von der Freien Vereinigung
in Düsseldorf einberufenen Verschmelzungskonferenz der linksrheinischen
Gewerkschafts- Gruppen Rheinlands und Westfalens vier Zentralverbände
geschlossen zur lokalistisch- syndikalistischen Bewegung über. Es waren
dieses die A.A.U.- Essen, die A.A.U.- Düsseldorf, die Bergarbeiter Union und
der allgemeine Arbeiter- Verband, die sich auf dieser Konferenz zur „Freie
Arbeiter Union“ zusammenschlossen. Die versammelten 105 Delegierten
arbeiteten „Richtlinien“ aus, die auf den Beschlüssen des 7. und 9.
Kongresses der Freien Vereinigung von 1906 und 1910 basierten.
Neben der syndikalistischen Opposition innerhalb der Freien Gewerkschaften
hatte auch die Freie Vereinigung unter den veränderten politischen
Verhältnissen an Bedeutung gewonnen. Ihr Mitgliedsbestand für 1918 wurde auf
ungefähr 60.000 geschätzt. Das bedeutete gegenüber dem Vorkriegsstand von
7.000 Mitgliedern einen gewaltigen Aufschwung.
Diese Zahl sollte sich aber noch nahezu verdoppeln in der Zeit bis zum 12.
Kongreß der Feien Vereinigung der vom 27. bis 30. Dezember 1919 in Berlin
tagte, auf welchem 109 Delegierte 111.675 Mitglieder vertraten. Dieser
Kongreß, der zum ersten Male seit dem Ausbruch des Krieges die Anhänger der
syndikalistischen Bewegung aus ganz Deutschland versammelte, sollte für die
Fortentwicklung des Syndikalismus von hervorragender Bedeutung sein.
Zunächst wurde die bisherige Bezeichnung der „Freien Vereinigung deutscher
Gewerkschaften“ umgewandelt in „Freie Arbeiter- Union Deutschlands
(Syndikalisten)“. Dann schuf sich die FAUD ein vollständiges Programm, das
sich aus zwei Teilen zusammensetzte: Die Programm- Grundlage der FAUD. (S.),
die dem organisatorischen Aufbau Richtlinien gab, und „Die
Prinzipienerklärung des Syndikalismus“, die die theoretischen Anschauungen
der revolutionären syndikalistischen Arbeiterbewegung festlegte. |
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Logo der Freien Arbeiter Union
Deutschlands (FAUD)
Mitgliedsbuch der FAUD.
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Wir bedauern mitteilen zu
müssen, dass das an dieser Stelle mögliche Foto von Rudolf Rocker "Interniert
- Gruppenbild mit Mitgefangenen" der Öffentlichkeit, sowie
der Forschung aufgrund urheberrechtlicher Ansprüche seitens eines Herrn Heiner
Becker vorenthalten bleiben muß.
Rudolf Rocker (Bildmitte) im
Internierungslager in England
Ihre Aufrufe unterzeichnete die
Geschäftskommission hiermit
Daueranzeige im Syndikalist
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Viele Begreifen es bis heute nicht...
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Fritz Oerter - Redakteur des "Syndikalist".
Für weitere Informationen Bild anklicken.
Organ der FAUD-Hafenarbeiterföderation Bremen
Theodor Plivier, Schriftsteller
im Umfeld der FAUD. Für weitere
Informationen Bild anklicken.
Weltbekannt: Stalingrad von Theodor Plivier
Bruno Vogel, Schriftsteller im Umfeld der FAUD.
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Gesammelte Erzählungen von Bruno Vogel.
Viele davon aus dem "Syndikalist"
Heinrich Vogeler ("Barkenhoff" Worpswede)
schrieb und illustrierte für die anarchistische
und
syndikalistische Presse. Für weitere
Informationen
auf das Bild klicken.
Anzeige im "Syndikalist" (1921)
Ernst Friedrich: Beste Anti-Kriegsliteratur
(1924).
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Das Bekenntnis der FAUD zum revolutionären
Syndikalismus: „Die Prinzipienerklärung des Syndikalismus“.
In den auf dem 12. Kongreß der FAUD gefassten Beschlüssen
legte die deutsche syndikalistische Arbeiterbewegung zum ersten Male
Richtlinien sowohl in Bezug auf ihre Organisation als auch auf ihre Theorie
grundsätzlich und umfassend fest, ähnlich wie es dem französischen
revolutionären Syndikalismus im Jahre 1906 in Amiens gelungen war. Die
gedankliche Übereinstimmung der „Prinzipienerklärung“ und der „Charte d’
Amiens“ ist unverkennbar.
Eine Darstellung des Wesens der heutigen Gesellschaftsordnung leitet die
Prinzipienerklärung ein. Die Syndikalisten sehen das wesentliche Merkmal der
kapitalistischen Gesellschaft einerseits in dem Monopol des Besitzes, dem
Eigentumsrecht, und andererseits in dem Monopol der Macht, das dem Staate
zusteht. Durch die „Monopolisierung des Bodens und der übrigen
Produktionsmittel“ in der Hand einer kleinen Gesellschaftsgruppe sind dieser
die Mittel in die Hand gegeben, die ihr die Herrschaft über die Arbeiter
sichern und es ihr ermöglichen, die allein werteschaffende Klasse
auszubeuten. Mit dieser Kritik der gegenwärtigen Gesellschaft übernimmt der
Syndikalismus die marxistische Mehrwerttheorie, erkennt die große
ökonomische Teilung der Gesellschaft in zwei Klassen an und gelangt auf
diesem Wege zu Klassenkampfgedanken.
Das Gewaltverhältnis zwischen Ausbeutern und Ausgebeuteten kann nur durch
den gewaltsamen Kampf der enterbten Klasse abgeändert werden. Der Arbeiter
als der alleinige Schöpfer der Werte erhält nicht den vollen Arbeitsertrag,
sondern muß über das Äquivalent seines Lohnes hinaus für den Monopolisten
einen Mehrwert erarbeiten. Nur ein Mittel kann dem Abhilfe schaffen: der
Klassenkampf. Er fördert die Entwicklung des Klassenbewusstseins aller
Arbeiter auf der Grundlage der ökonomischen Bindung.
Im Klassenkampfgedanken gehen Syndikalismus und Sozialismus Hand in Hand, um
die Umgestaltung der Gesellschaft herbeizuführen. Jedoch schlägt der
autoritäre Sozialismus den politischen, der Syndikalismus den
wirtschaftlichen Weg ein. Sie scheiden sich weiter in der Kritik des
Staates, durch die sich der Syndikalismus wieder dem Anarchismus nähert.
Die Auseinandersetzung über die Stellung zum Staat führt uns zu einer Frage
von grundsätzlicher Bedeutung: der des Organisationsprinzips. Die
Stellungnahme des Syndikalismus zu diesem Problem trennt ihn von allen
anderen sozialistischen Theorien und deckt zugleich seine Verwandtschaft mit
dem Anarchismus auf.
„Es gibt zwei Formen des gesellschaftlichen Zusammenlebens: Es gibt ein
Zusammenleben, dessen besondere Gestaltungen den Menschen durch eine
zentrale Macht irgendwelcher Art von oben herab diktiert werden. Und es gibt
ein Zusammenleben, das sich von unten nach oben frei entwickelt und seine
natürliche Basis in den gemeinschaftlichen Interessen der Menschen und in
den Bindungen ihrer gegenseitigen Solidarität findet“. Der Ausdruck des
ersteren wäre das Gesetz, des zweiten die freie Vereinbarung, die
Organisationsform des ersteren der zentrale Staat, des letzteren die
föderalistische Gesellschaft. Der Zentralismus ist das Prinzip des
autoritären Systems, bei dem das Wohlergehen aller wenigen Auserwählten
anvertraut ist.
Der Gegenpol, der Föderalismus bedeutet nun keineswegs Zersplitterung,
sondern Nebenordnung, lebendiges Zusammenfassen aller gesellschaftlichen
Energien auf der Basis gemeinschaftlicher Interessen und Überzeugungen, die
in der selbständigen Tätigkeit des Einzelnen und der freien Vereinbarung mit
allen anderen ihren unmittelbaren Ausdruck findet.
Der Syndikalismus erstrebt, die Autorität des Staates auf die
Gewerkschaften, die auf föderalistischer Basis aufgebaut sind, zu
übertragen, d.h. auf den einzelnen Arbeiter selbst.
Dem zentralistischen System wird zum Vorwurf gemacht, dass es die Initiative
und das Persönlichkeitsgefühl tötet, das Individuum zu einem bedeutungslosen
Nichts in der gewaltigen Staatsmaschine macht und damit sein
Verantwortungsgefühl untergräbt und ausschaltet. Das Gebilde des Staates ist
die Verwirklichung der Zentralisation, der künstlichen Gliederung von oben
nach unten. Welche politische Ausdrucksform der Staat auch jeweils besitzen
mag, er ist immer die Verkörperung der organisierten Gewalt des jeweiligen
wirtschaftlichen Ausbeutungssystems. Entsprechend unserer heutigen
Wirtschaftsordnung steht er im Dienste des Kapitals.
Die Ablehnung des zentralistischen Prinzips führt den Syndikalismus vom
Anti- Etatismus folgerichtig zur Ablehnung des Kampfes um die Eroberung der
politischen Macht. Als Gegner jeder staatlichen Institution verwirft der
Syndikalismus „prinzipiell jede Form der parlamentarischen Betätigung, jede
Mitarbeit in den gesetzgebenden Körperschaften“. Gleichfalls lehnen die
Syndikalisten die Bildung politischer Parteien ab, da sie der Überzeugung
sind, dass diese ein zersetzendes Element in der Einheit der revolutionären
Arbeiterbewegung bilden, das der Befreiung des Proletariats hindernd im Wege
steht. Die Syndikalisten wenden sich daher an die Arbeiterschaft in ihrer
Eigenart als Produzenten und fassen sie aus diesem Grund in wirtschaftlichen
Kampforganisationen zusammen. In derartigen Gewerkschaften erblicken sie das
alleinige Mittel zur Erreichung ihres Zieles.
Die Gewerkschaft, die als Keimzelle der zukünftigen sozialistischen
Wirtschaftsordnung bezeichnet wird, wünschen die Syndikalisten schon heute
derart zu formen, dass sie sowohl dem tätlichen Kampfe als auch der sie
erwartenden zukünftigen Mission gerecht wird. Zu diesem Zwecke bilden die
Arbeiter der verschiedenen Berufe oder Industrien an einem Orte die
entsprechenden Gewerkschaften. Diese Gewerkschaften vereinigen sich lokal in
der Arbeitsbörse, der in der Hauptsache die revolutionäre Propaganda
obliegt. Die lokalen Arbeitsbörsen untereinander treten innerhalb der
Kreise, Provinzen und Länder zusammen. Ähnlich bilden die Gewerkschaften
derselben Berufe oder derselben Industrie Arbeitsgemeinschaften innerhalb
der Kreise, der Provinzen und Länder. Diese setzen sich mit den
entsprechenden Arbeitsgemeinschaften der Arbeitsbörsen in Verbindung und
enden in allgemeinen Industrieföderationen. Die Konferenz der
Provinzialarbeitsbörsen und der Industrieföderationen bildet den
„Reichsrat“. Über diesem erhebt sich die Geschäftskommission, die „die
oberste ausführende“ Instanz der FAUD darstellt, deren Aufgabe es ist, „die
Idee des Syndikalismus zu verbreiten“ und „den organisatorischen
Zusammenhalt zu pflegen“.
Die Staatsidee ist begleitet von dem Gedanken des Vaterlandes. Der Begriff
des Vaterlandes umschließt unsere Heimat, unseren Besitz an der Heimat und
ihren materiellen und kulturellen Gütern. Der alleinige Besitz des Arbeiters
ist jedoch seine Arbeitskraft, die an sich an keine nationalen Grenzen
gebunden ist. Das lässt die Syndikalisten zu dem Schlusse kommen, dass der
Arbeiter nur „ein Vaterland: die Erde“ besitze und nur „eine Nation“
bestehe, der er angehört: „die werktätige Menschheit“.
Die nationalen und politischen Grenzen, die die Politik der Staaten ins
Leben rufen, sind nur künstlich geschaffene Hindernisse, die die Vereinigung
aller Arbeiter der Welt erschweren und ausschließlich im Interesse der
Kapitalisten bestehen. Aus diesen Gründen verwerfen die Syndikalisten jedes
Zusammenwirken der Arbeiterbewegung mit den nationalen Interessen und
stellen in der Prinzipienerklärung sich auf den Boden des
Internationalismus.
Der Syndikalismus gesteht jeder Völkergruppe das Recht auf ihre kulturelle
Eigenheit und ihre besonderen Entwicklungsmöglichkeiten im Rahmen der
internationalen und regionalen Verbände zu, auf denen die zukünftige
Gesellschaft aufgebaut sein wird. Die Selbständigkeit kann jedoch erst dann
zustande kommen, wenn die vielen Monopole aller Art beseitigt sind und der
Bevölkerung jeder Region durch freie Verträge zwischen den verschiedenen
Organisationen ihr notwendiger Anteil an den internationalisierten
Rohstoffen gesichert ist.
Da sich der Syndikalist dem Patriotismus versagt, weist er auch die
Notwendigkeit nationaler Kriege von sich. Um so mehr, da er die Ansicht
vertritt, dass die Ursachen nationaler Kriege in der Regel
Kapitalstreitigkeiten sind, die die Interessen der Arbeiter nicht berühren,
und deren Folgen die unteren Schichten der Gesellschaft relativ am
schwersten belasten. An die Stelle des für den Syndikalisten bedeutungslosen
nationalen Krieges tritt der soziale Kampf, der Kampf der Klassen
gegeneinander, in dem er seine völlige Befreiung zu erringen hofft.
In der Bejahung des Patriotismus und der Notwendigkeit nationaler kriege
liegt die Existenzberechtigung des Militarismus; mit der Ablehnung dieser
Ideen verurteilt der Syndikalismus die Verwendung und das Bestehen der
stehenden Heere zu außerpolitischen Zwecken. Innerpolitisch dient die Armee
zur Aufrechterhaltung der staatlichen Herrschaft. Hier ist der Anti-
Militarismus der Syndikalisten eine Folge des Anti- Etatismus
(antistaatliche Gesinnung).
Im Militarismus sieht der Syndikalismus eines der stärksten Bollwerke des
kapitalistischen Gewaltregimes. Er legt deshalb besonderen Wert auf die
anti- militaristische Propaganda, wozu ganz besonders die Verweigerung der
Person dem Staate gegenüber und der Boykott gegen Herstellung von Heeres-
und Kriegsmaterial gerechnet werden.
Mit dem Grundsatz des Anti- Patriotismus und des Anti- Militarismus stellt
sich der Syndikalismus zu verschiedenen sozialistischen Theorien und zur
Taktik der sozialdemokratischen Partei aller Länder in Gegensatz. Diejenigen
Theorien, die sich die Eroberung der politischen Macht zum Ziele gesetzt
haben, werden die Armee als ein Instrument zur Eroberung und
Aufrechterhaltung dieser Macht nicht von der Hand weisen können. Der
Syndikalismus, der aber den Kapitalismus allein auf wirtschaftlichem Gebiet
bekämpfen will, bekennt sich in dieser Beziehung zum Anarchismus Bakunins.
Den Weg, der zum Sturz des kapitalistischen Wirtschaftsystems führen soll,
sehen die Syndikalisten in der Anwendung der direkten Aktion. Sie ist das
Mittel, das Proletariat zum Gemeinschaftsgeist zu erziehen und es den
wirtschaftlichen Kampforganisationen zuzuführen. Die endgültige Befreiung
aller Arbeiter soll herbeigeführt werden durch die Anwendung des höchsten
Ausdruckes der direkten Aktion: durch den sozialen Generalstreik. Dieser
wird beweisen, dass die Arbeit der Schöpfer allen Reichtums ist; denn es
wird genügen, dass die Arbeiter nur zu ruhen brauchen, um die bürgerliche
Klasse ohnmächtig zu machen.
In dem Augenblick des Gelingens des Generalstreiks und der sozialen
Revolution würden alle Arbeiter vor das Problem der Reorganisation der
Gesellschaft gestellt. Auch für diese Zeit die Aufgaben der einzelnen
Organisationen zu bestimmen, hat die Prinzipienerklärung unternommen, damit
diese sich schon in der Gegenwart auf ihre zukünftigen Pflichten vorbereiten
können.
Den Arbeitsbörsen würde die Aufgabe zufallen, den Konsum zu organisieren,
den Industrieföderationen, die Leitung der allgemeinen Produktion zu
übernehmen. Innerhalb der Betriebe muß zunächst eine genaue Inventaraufnahme
erfolgen, desgleichen müssen die Arbeitsbörsen die vorhandenen Konsumgüter
wie den zukünftigen Bedarf feststellen. Entsprechend dem bereits
geschilderten Aufbau der syndikalistischen Organisation werden auf der einen
Seite die Abgeordneten der Betriebe, auf der andere Seite die der
Arbeitsbörsen im Ort, im Kreis, in der Provinz, im Land und schließlich in
den Reichsföderationen zusammentreten und an diesen Stellen den Ausgleich
zwischen Überschuß und Bedarf herbeiführen. An die Spitze würde an Stelle
der heutigen Geschäftskommission der Wirtschaftsrat treten, dem durch die
Vorarbeit der Arbeitsbörsen Vorrat und Bedarf für das ganze
Wirtschaftsgebiet bekannt sind. Diese Einrichtung stellt zugleich die
Beziehungen zu den übrigen Gebieten her und vertritt die Beschaffungs- und
Austauschstelle für die notwenigen Güter der Nachbarvölker gegen
überflüssige dar.
Es ist leicht zu erkennen, dass der Inhalt der Prinzipienerklärung
umfangreicher ist (als) der der Charte d’ Amiens. Insbesondere sind die
Ausführungen über den Aufbau der zukünftigen Gesellschaft neu. Der Streit,
ob der Generalstreik durchführbar sei oder nicht, der vor dem Kriege im
französischen Syndikalismus aufgetaucht war, ist längst abgetan. Das
Erlebnis der russischen und der deutschen Revolution und die umgangreichen
Streiks, die in der darauf folgenden Zeit alle Länder überfluteten,
überzeugten die Syndikalisten, dass in absehbarer Zeit auch der große
soziale Generalstreik möglich sein werde. Daß bis zu jenem Zeitpunkte noch
eine gewaltige Arbeit insbesondere in bezug auf die Aufklärung und Erziehung
der Massen, geleistet werden müsse und die Bewältigung dieser Aufgabe die
notwendige Voraussetzung für das Gelingen der sozialen Revolution bedeutet,
hielten sich die Syndikalisten klar vor Augen. Rocker, der die
Prinzipienerklärung auf dem Kongreß in einem Referate erläuterte und
begründete, brachte dieses in folgenden Sätzen zum Ausdruck: „Die
Syndikalisten sollen nicht so sehr darauf achten, große Massen zu
organisieren, sondern die Hauptfrage gelte der Aufklärung der Mitglieder,
damit diese im gegebenen Augenblicke handeln können. Stets waren es
Minoritäten, die unter Ausnützung der gegebenen Verhältnisse Revolutionen
auslösten. Die Syndikalisten sollen und wollen der Stoßtrupp der sozialen
Revolution sein“.
Im Anschluß an den Vortrag Rockers wurde die Prinzipienerklärung mit allen
gegen eine Stimme vom Kongreß angenommen. Mit diesem Beschlusse hatten sich
die Syndikalisten eine Basis geschaffen, von der aus sie sich nach Abschluß
der theoretischen Erwägungen an die Aufgaben des täglichen Lebens heranwagen
konnten.
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Mit einem klaren Konzept die
Alternative zum autoritären Kommunismus:Die „Freie Arbeiter-Union
Deutschlands“ (FAUD)
Diese Vorstellungen konkretisierten
die Syndikalisten und boten damit eine realistische Perspektive einer freien
sozialistischen Gesellschaft an, während andere Arbeiterorganisationen
entweder dem sowjetischen Vorbild, dem Staatskapitalismus, nacheiferten,
ihren Frieden mit den Privatkapitalisten suchten oder überhaupt keine
Vorstellungen einer sozialistischen Gesellschaft vorzuweisen hatten. Diese
Perspektiven allein verdienten die Beschäftigung mit der syndikalistischen
Bewegung.
Im Gegensatz zu rätekommunistischen Strömungen legten die Syndikalisten
großen Wert auf tagespolitische Fragen, statt auf günstige Rahmenbedingungen
für eine kommende Revolution zu warten. Die Gesellschaft völlig selbst zu
verwalten bedeutete nämlich, sich die dazu erforderlichen Fähigkeiten
anzueignen und zu einzuüben. Über die Tageskämpfe sollte die Arbeiterschaft
für die Klassenkämpfe in Form gehalten werden. Zudem konnte dies auch bei
Teilerfolgen die Werbekraft der eigenen Organisation erhöhen. Tatsächlich
lösten sich rätekommunistische Organisationen Mitte der zwanziger Jahre nach
dem Abebben der revolutionären Phasen von 1918 bis 1923 auf, da sie keine
Perspektiven mehr aufzeigen konnten. Viele Gruppen wechselten dann zur FAUD.
Bei diesen Kämpfen in der Frühphase der Weimarer Republik spielten die
Syndikalisten an manchen Orten eine teils führende Rolle. Die FAUD wuchs zur
Massenorganisation heran und ihre Ortsvereine verteilten sich nahezu
flächendeckend auf das ganze Reichsgebiet, auf Städte und Dörfer. Alle
Altersstufen waren vertreten. Von den vorgesehenen 12 Produktionsbereichen
konnten jedoch nur insgesamt 5 mit einer Industrieföderation abgedeckt
werden: Die Branchen Bau, Bergbau, Verkehr, Metall und Textil. An Orten, wo
keine obligatorischen 25 Mitglieder für eine Branchenorganisation
zusammenkamen, wurde eine „Vereinigung aller Berufe“ gegründet. Die
Ortsvereine waren klar durchstrukturiert: Gewählt wurden ein Vorsitzender
und Stellvertreter, erster und zweiter Kassierer, sowie die Revisoren, um
die anliegenden Aufgaben, wie z.B. Finanzen, Korrespondenz und Agitation zu
regeln. Als oberste Koordinierungsstelle verblieb die Geschäftskommission
mit Fritz Kater als Vorsitzenden in Berlin. Die Geschäftskommission wurde
auf den ca. alle zwei Jahre einberufenen FAUD-Kongressen gewählt – bis 1933
verblieb sie in Berlin. Der FAUD-Kongress war das oberste beschlußfassende
Gremium der Organisation. Zu ihnen entsendeten die einzelnen Ortsvereine
ihre Delegierten. Das zentrale Publikationsorgan der FAUD war die
wöchentlich erscheinende Zeitung „Der Syndikalist“, welcher für die
Mitglieder obligatorisch war und deren Auflage sich dementsprechend der
Mitgliederzahl anpasste.
Daneben existierten noch weitere Zeitschriften entweder auf regionaler Ebene
oder als Organe der Industrieföderationen. Auf betrieblicher Ebene erlangten
die Ortsvereine der FAUD nur an wenigen Orten größere Bedeutung, wie in
Düsseldorf (Fliesenleger), Berlin (Kistenmacher) oder im Ruhrgebiet
(Bergbau). Doch zeigten sich die Zentralverbände und auch christlichen
„Gewerkschaften“ als überlegen. |
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Ansprache von Rudolf Rocker in Berlin, Anfang
der 30er Jahre.
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Diagramm zum Konzept der Arbeiterbörsen der FAUD.
Für Großansicht auf Bild klicken.
"Die Arbeiterbörsen des Syndikalismus" -
neu herausgegeben im Jahre 2005. Für weitere
Informationen auf das Bild klicken. |
Werbeanzeige für den "Syndikalist"
Programmatische Schrift für die
syndikalistische Arbeiterbewegung.
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weitere Informationen auf das Bild klicken. |
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Die wesentlichen Unterschiede zu den
Zentralverbänden
Folgende aus der programmatischen Grundlage der „Freien Vereinigung
deutscher Gewerkschaften“ aus dem Jahre 1911 übernommenen Stichpunkte
benennen die Unterschiede der syndikalistischen Bewegung zu den
Zentralverbänden in aller Deutlichkeit:
Um die Grundwidersprüche klarer zu machen hier eine Gegenüberstellung der
Struktur und Kampfmittel.
Zentralverbände von der SPD dominiert
Organisationsform: zentralistisch
Unselbständigkeit der Ortsvereine
Der Hauptvorstand verwaltet das Geld
Die Streiks müssen vorher angemeldet werden
Der Hauptvorstand kann Streiks Verhindern oder Abbrechen
Die Mitglieder werden zur Disziplin erzogen
Die Streiks der Verbände sind meist Abwehrkämpfe
Die Verbände vertreten Berufsinteressen
Die Zentralverbände beruhen auf dem Vertretungssystem
Die Verbände erhalten und gewinnen ihre Mitglieder aufgrund der Kranken-,
Arbeitslosen-, Sterbeunterstützung usw.
Die Zentralverbände erstreben Reformen innerhalb der kapitalistischen
Wirtschaftsordnung
Die Verbände betreiben die ausgedehnteste Tarifpolitik
Die Verbände sind Anhänger des Kleinstreiks
Die Zentralverbände erstreben militärische Reformen
Freie Vereinigung
Organisationsform: föderalistisch
Selbständigkeit der Ortsvereine
Der Ortsverein verwaltet das Geld
Jede Organisation hat jederzeit das Streikrecht
Die Mitglieder üben gegenseitige Solidarität
Die Streiks der Lokalisten sind meist Angriffskämpfe
Die Freie Vereinigung vertritt Klasseninteressen
Die Freie Vereinigung empfiehlt direkte Aktionen
Die Freie Vereinigung propagiert und zahlt nur Streik-und
Gemaßregelten-Unterstützung
Die Freie Vereinigung propagiert die revolutionären Kampfmittel zum Sturz
des Kapitalismus
Die Freie Vereinigung will nicht den Frieden, sondern den Kampf gegen das
Unternehmertum
Die Freie Vereinigung verficht die Idee des Massen-und Generalstreiks
Die Freie Vereinigung bekämpft den Militarismus grundsätzlich |
Der Ausbau der „Prinzipienerklärung“ und der
Organisation der FAUD
In dem Bestreben, den Wunsch nach
einer syndikalistischen Internationale zu verwirklichen, ging die
Arbeitskraft der revolutionären syndikalistischen Organisationen der FAUD
nicht auf. Die zeitweilig durch diese Bestimmungen in den Hintergrund
gedrängten Probleme, die auf die Frage hinausliefen: Besteht die
Prinzipienerklärung und die Programmatische Grundlage noch zu Recht,
gewannen im Laufe der Zeit an Bedeutung und waren für den 13. Reichskongreß
der FAUD charakteristisch. Dieser Kongreß, der zu einer Klärung der Lage
innerhalb der FAUD beitragen wollte, wurde vom 9. bis zum 14. Oktober 1921
in Düsseldorf abgehalten.
Nach Eröffnung der Tagesordnung erklärte die Versammlung, dass sie an der
auf dem 12. Kongreß der FAUD angenommenen Prinzipienerklärung nicht zu
rütteln denke, dass diese auch für den 13. Kongreß maßgebend sei. Nur ihre
Begründung könnte im Wortlaut und im Sinn schärfer präzisiert werden. Das
galt insbesondere für die Stellung der Syndikalisten zu den politischen
Parteien aller Richtungen. Die diese Frage behandelnde Resolution, die in
Düsseldorf Annahme fand, lautet: „Die auf dem 12. Kongreß der FAUD
angenommenen Prinzipienerklärung ist auch jetzt noch maßgebend. Nur die
Begründung derselben kann im Wortlaut und Sinn schärfer präzisiert werden.
Das gilt besonders für die Stellung der Syndikalisten zu den politischen
Parteien aller Richtungen. Alle vorhandenen Parteien stehen auf dem
Standpunkt der Eroberung der politischen Macht im Staate, auch die, welche
in ihren Programmen die marxistische oder materialistische
Geschichtsauffassung zur Grundlage haben. Sie wollen die politische Macht im
Staate erobern, um durch Gebrauch der Staatsgewalt die geistigen und
wirtschaftlichen Verhältnisse umzuformen. Die Erfahrung hat gezeigt, dass
jede Partei, in den Besitz der Macht gelangt, stationär und in der Folge
reaktionär wirken muß. Parteien sind Organisationen von
Gesinnungsverwandten, nicht von Interessengleichen.
Das Schwergewicht der Kraft einer Gesellschaft liegt auf wirtschaftlichem
Gebiete und in den wirtschaftlichen Organisationen, und von diesen müssen
die entscheidenden Kämpfe geführt werden, welche die Umgestaltung der
Gesellschaftsordnung zum Ziel haben. Aus dieser Erkenntnis heraus stellt
sich die FAUD (Syndikalisten) auf den Boden der Weltanschauung des
herrschaftslosen Sozialismus, der die Beseitigung jeder politischen Macht
zur Voraussetzung hat. Das bedingt die Ablehnung des zentralistischen
Systems der marxistischen Parteien, das dem kapitalistischen Staatssystem
entlehnt ist. Demgegenüber stellt sich die FAUD (Syndikalisten)
uneingeschränkt auf den Boden des Föderalismus und sieht in der
wirtschaftlichen Organisation aller Produzenten, welche erfüllt sein müssen
von Solidaritätsgefühl und durchdrungen vom Standpunkt der gegenseitigen
Hilfe, die Fundamente der zukünftigen Gesellschaftsordnung. Der Föderalismus
verlangt Selbstverantwortung und Entschlussfreiheit auf allen Gebieten des
wirtschaftlichen und geistigen Lebens und lehnt jede innerorganisatorische
Einwirkung aller Parteien und gleichwertigen Organisationen ab. Demzufolge
können Mitglieder syndikalistischer Organisationen einer politischen Partei
nicht angehören. Das Bekenntnis zum Syndikalismus und Föderalismus verlangt
Toleranz (Duldsamkeit) auf den Gebieten des geistigen Lebens und lässt
unseren Mitgliedern volle Freiheit in der Frage der Zugehörigkeit zu Kultur-
und anderen Vereinen, welche in ihrer Tätigkeit den Forderungen unserer
Prinzipienerklärung nicht entgegenstehen oder entgegenarbeiten.“
Die Tatsache, die Rocker in seinem einleitenden Vortrage auf dem 14. Kongreß
hervorhob, daß in der gesamten internationalen Arbeiterbewegung ein Zug nach
rechts zu verspüren sei aufgrund des Misslingens der beiden großen
Experimente der Sozialdemokratie, die im Osten unter der Marke Bolschewiki
und in Deutschland auf Grund der Verfassung den Sozialismus einzuführen
versuchte, machte sich auch innerhalb der FAUD bemerkbar. Zwar konnte auf
dem Kongreß kein genaues Bild über den Stand der Mitgliederbewegung gegeben
werden, doch lassen die gelegentlich der Urabstimmung über den Anschluß an
Moskau von der Geschäftskommission veröffentlichten Zahlen, die den
Mitgliederbestand der FAUD für das Jahr 1921 mit 100.561 angeben gegenüber
dem Bestand von 1920, zur Zeit der ersten internationalen syndikalistischen
Vorkonferenz, der sich auf 150.000 beziffert, einen Rückgang erkennen.
Die Prinzipienerklärung und die Programm- Grundlage forderten die
Zusammenfassung der Gewerkschaften zu Industrie- Föderationen und die
Vereinigung der Arbeitsbörsen in der Föderation der Arbeitsbörsen. Während
an Industrie- Föderationen schon solche für die Bauberufe, die Berg-, Holz-,
Metall- Industrie- und Verkehrsarbeiter bestanden, war ein Zusammenschluß
der Arbeitsbörsen noch nicht herbeigeführt worden, verschiedentlich lokale
Gewerkschafts- Kartelle überhaupt noch nicht gegründet worden. Um an dem
Auf- und Ausbau der Arbeitsbörsen und die Bildung einer Föderation der
Arbeitsbörsen gemeinsam arbeiten zu können, wurde für den 4. und 5. Juni
1922 die erste Konferenz der Arbeitsbörsen nach Erfurt einberufen. Es
versammelten sich hier die Vertreter von 35 Arbeitsbörsen, die 204
Gewerkschaften in sich zusammenfassten, d.h. ungefähr die Hälfte aller der
FAUD angeschlossenen Organisationen.
Aus der Prinzipienerklärung und der Programmatischen Grundlage geht der
Aufbau der Arbeitsbörsen klar hervor. Der Kongreß entwickelte darüber hinaus
aus dem Inhalt der Prinzipienerklärung sinngemäß folgende Aufgaben, die die
Arbeitsbörsen zu erfüllen hätten:
1. Agitation und Propaganda.
2. Bildung und Schulung der Mitglieder.
3. Organisierung und Durchführung der Aktionen aller in der Börse
zusammengefassten Gewerkschaften und zugleich Unterstützung aller
Bestrebungen, die den Zielen des Syndikalismus parallel laufen.
4. Vorbereitung von Maßnahmen zur Durchführung der zukünftigen
Wirtschafts- Organisation.
5. Gewinnung der Frauen für die syndikalistische Weltanschauung.
6. Beachtung der Jugendbewegung zwecks Erziehung des syndikalistischen
Nachwuchses.
Um allen diesen Aufgaben gerecht werden zu können, sollen verschiedene
Kommissionen innerhalb jeder Arbeitsbörse gebildet werden, deren
Wirkungskreis sich auf eine dieser Pflichten erstreckt. Durch die
Zusammenarbeit der Börsen in der Föderation der Arbeitsbörsen und durch den
Austausch von Erfahrungen auf besonderen Konferenzen soll die Lösung der
Aufgaben erleichtert und gefördert werden.
Der Erfolg der Arbeit dieser Konferenz stellt einen weiteren Fortschritt in
der Entwicklung der syndikalistischen Arbeiterbewegung in Bezug auf den
Ausbau der Organisation der FAUD dar.
Die Arbeit des 13. Kongresses der FAUD wurde von dem 14. Reichskongreß, der
in Erfurt vom 19. bis zum 22. November 1922 abgehalten wurde, fortgeführt.
War in Düsseldorf die Prinzipienerklärung in bezug auf die Stellungnahme zu
den Parteien als ungenügend befunden worden, so wollte man in Erfurt den
letzten Teil der Prinzipienerklärung, der die direkte Aktion und den
Generalstreik kurz erwähnte, in aller Ausführlichkeit behandelt wissen. Der
Kongreß schuf, indem er eine Resolution annahm, die sich „Methoden der
direkten Aktion im revolutionären Klassenkampf“ betitelte, eine erweiterte
Auslegung der Prinzipienerklärung.
Zunächst befaßt sich die Resolution mit der direkten Aktion selbst, die als
eine der Voraussetzungen zur Befreiung des Proletariats angesehen wird. Soll
der Satz jemals verwirklicht werden: „Die Befreiung der Arbeiterschaft muß
das Werk der Arbeiter selbst sein“, dann kann das nur durch die direkte
Aktion geschehen, in derem Licht er auf die einfache Formel gebracht werden
kann: Willst du deine Befreiung, dann mußt du selbst Hand anlegen.
Der zweite Teil der Erklärung zählt die mannigfachen Anwendungsformen der
direkten Aktion auf, die in der Prinzipienerklärung nicht aufgenommen worden
war:
1. Als Mittel im Kampfe für bessere Arbeits- und Lebensbedingungen wird der
Teil- und Kleinstreik empfohlen, der als Vorschule für den Generalstreik
angesehen wird.
2. Als direktes Aktionsmittel innerhalb eines Betriebes dient die passive
Resistenz, die einem Streik auf Kosten des Unternehmers verglichen wird.
Hierzu wird auch der „greve perlee“ gerechnet, die Methode, die übertragene
Arbeit unter genauer Einhaltung aller Vorschriften mit allzu großer
Gewissenhaftigkeit und Sorgfalt auszuführen. Am erfolgreichsten wirkt sich
diese Aktion in Fahrplanbetrieben, insbesondere im Verkehrsbetriebe aus.
Zwischen der passiven Resistenz und der Sabotage liegt die Obstruktion, die
als eine Verlangsamung der Arbeit dort von besonderer Wirkung ist, wo der
Unternehmer an Lieferzeiten im voraus gebunden ist.
3. Die Sabotage besteht darin, für unzureichende Bezahlung und schlechte
Arbeitsbedingungen minderwertige Arbeit zu liefern. Die kleine Sabotage
beschränkt sich in der Hauptsache auf das Arbeitsprodukt selbst, sie
schließt aber auch die vorübergehende Unbrauchbarmachtung der
Produktionsmittel ein. Die große Sabotage dagegen vernichtet und zerstört
Sachwerte. Sie ist wirtschaftlicher Terror jeder Art.
4. Eine weitere Anwendungsmöglichkeit der direkten Aktion sieht der
Syndikalismus im Boykott. Er definiert diesen als die „Weigerung der
konsumierenden Arbeiter, zu teure oder zu minderwertige Produkte, noch
solche zu kaufen, die unter ungünstigen Arbeitsbedingungen hergestellt
werden“ (30). Als Erkennungszeichen für die zu kaufenden Waren soll die
Marke, Label, dienen.
5. Auch in der Demonstration sieht der Syndikalismus ein Mittel, das
Forderungen des Proletariats durchzusetzen imstande ist.
6. Dem Militarismus und dem Krieg soll durch Verweigerung der Person und
durch allgemeine Arbeitseinstellung entgegengearbeitet werden.
7. Als im Widerspruch mit der Methode der direkten Aktion stehend sieht die
Resolution die Beteiligung an jeglicher staatlicher Institution an. Als
solche wird auch die Einrichtung der gesetzlichen Betriebsräte angesehen.
Dieser Punkt fand nicht den Beifall aller Kongressteilnehmer. Seien Annahme
war erst gesichert, als erklärt wurde, dass die Teilnahme an den
gesetzlichen Betriebsrätewahlen keines (falls) den Ausschluß aus der FAUD
nach sich zöge.
8. Als Ziel des revolutionären Kampfes der syndikalistischen
Arbeiterbewegung setzt die Erklärung die Beseitigung der heutigen
Gesellschaft und die Errichtung einer freien, klassen- und staatenlosen
Gesellschaft. Den Anfang der Revolution bildet der soziale Generalstreik,
der nicht allein das passive Ruhen der Arbeiter bedeutet, sondern auch das
Eintreten des gesamten schaffenden Volkes für die Errichtung der neuen
Gesellschaftsform.
Aus dem Inhalt dieser Erklärung ist ersichtlich, dass sich die
syndikalistische Arbeiterbewegung noch immer in der 1919 eingeschlagenen
Richtung fortentwickelt und dass die Einigkeit der FAUD auch weiterhin als
feststehend gelten kann. Das ist umso mehr zu betonen, als sich in der
parteipolitischen Klassenkampfbewegung eine Tendenz zur zunehmenden
Zersplitterung zeigt. Auch die im Jahre 1921 sich bemerkbar machende
Schwächung der Mitgliederzahl der FAUD scheint überwunden zu sein. Denn der
Bestand für 1922 wird um 170.000 Mitglieder angegeben. Allein in dem Punkte
über die Betriebsrätewahlen konnte eine vollkommene Einigung nicht erzielt
werden. Der in dieser Angelegenheit geschaffene Kompromiß konnte diese Frage
nicht befriedigend lösen und musste in späterer Zeit Veranlassung geben, sie
wieder aufzurollen. |
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Franz Barwich: Mitglied der Geschäftskommission
der FAUD und entwickelte das Konzept
der Arbeiterbörsen weiter. Für weitere
Informationen
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Carl Haffner: Mitglied der Geschäftskommission
der FAUD
Der Syndikalist. Für weitere Informationen zum
6-Stundentag
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Real Life, Zeichnung im "Syndikalist"
Waffen im Kampf...
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Telephon: 29396, bitte nicht mehr anrufen!
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Syndikalistische Tageszeitung für das Rheinland.
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Druckerei für FAUD Publikationen in Berlin
Buchsignatur: Max Winkler,
Redakteur des FAUD Organs
"Der Syndikalist
Verbildlichte Marxismuskritik. Für weitere
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Erich Mühsam - Freund Rudolf Rockers
und 1933 Mitglied der FAUD. Für weitere
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Karikatur gegen den Parlamentarismus im
"Syndikalist"
Tod durch Polizeihaft. Für weitere
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Weitere Entwicklung der revolutionären
syndikalistischen Arbeiterbewegung (1923 – 1929) Die Auswirkungen der
politischen und der wirtschaftlichen Lage während der Inflation.
Während derselben Zeit, in welcher die Entwicklung des
internationalen Syndikalismus so gute Fortschritte erzielte, verlor die
syndikalistische Arbeiterbewegung in Deutschland stark an Anhängern. Diese
Erscheinung beschränkte sich auf Deutschland aus dem Grunde, weil in den
Jahren nach 1922 sich auf politischem und wirtschaftlichem Gebiete Dinge
abspielten, von denen die Arbeiter anderer Länder mehr oder weniger
verschont blieben.
Die Besetzung des Rheinlandes und des industriellen Westfalens durch die
Entente, die von deutscher Seite durchgeführte passive Resistenz im
besetzten Gebiet und die Finanzpolitik der deutschen Regierung brachten auch
den Arbeitern den Ruin. Die Goldmark verflüchtigte sich in immer wertloser
werdende Papiermark, so dass die Arbeiter während der Inflation von der Hand
in den Mund leben konnten. Die Lohnauszahlung konnte nicht mehr am Ende der
Woche, sondern musste täglich erfolgen, da sonst das Geld bereits nichts
mehr wert war. Es gab Zeiten, wo selbst die tägliche Lohnauszahlung der
Geldentwertung nicht zu folgen imstande war. Angesichts eines solchen
Zustandes, der eine Zahlung von Beiträgen für die Organisation oder gar
Ausgaben für Zeitung und andere Literatur den Arbeitern unmöglich machte,
ist ein Abnehmen des Mitgliederbestandes der revolutionären
syndikalistischen Organisationen verständlich. Dazu kam dann noch der
Ausnahmezustand, der auf Grund des „Ermächtigungsgesetzes“ von der
Reichsregierung verhängt und vom Reichswehrministerium durchgeführt wurde.
Eine Reihe von Wehrkreiskommandos verbot die syndikalistischen Ortsvereine
in den Provinzen Westfalen, Hannover, Mecklenburg und Pommern, in Freistaat
und Provinz Sachsen und ganz in Bayern. Vielen Ortsvereinen wurden sämtliche
Vereinsutensilien, Bibliotheken usw. beschlagnahmt. Der Druck von Seiten der
Regierung musste den schon verringerten Mitgliederbestand der FAUD noch mehr
zusammenschmelzen lassen.
Mit der Stabilisierung der Rentenmark und der nachfolgenden Reichsmark und
der Aufhebung des passiven Widerstandes, dazu der Aufhebung der Micum-
Verträge setzte in Deutschland die Arbeitslosigkeit ein, die auch ein
Wiedererstarken der Syndikalistischen Bewegung verhinderte.
Im Jahre 1922 wird als Bestand der FAUD eine Zahl von 168.700 Mitgliedern
angegeben, die 1923 auf 30.000 und in den Jahren 1924 bis 1925 auf 28.000
sank. Am 1. Februar 1925 kann die FAUD nur noch ungefähr 25.000 Anhänger
aufzählen. |
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